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Kritik zur neuen "Gilmore Girls"-Staffel It's a TV show. It's a religion. It's bullshit.

Man konnte ihnen nicht entkommen, überall im Netz lauerten sie auf: die Gilmore Girls. Auf die neuen Folgen hat sich unsere Autorin gefreut wie doof. Ihr Rat jetzt: Spart euch die Zeit. Putzt lieber den Herd oder so.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 28.11.2016 | Archiv

Werbeanzeige für die Gilmore Girls | Bild: Netflix

Die neuen Folgen der Gilmore Girls sind das vielleicht meistbeworbene Serienevent diesen Jahres. Klar war von Anfang an: Es geht um die Nostalgie. Was die Serie bei der Erstausstrahlung einzigartig gemacht hat - die Dialoge, die Erzählgeschwindigkeit, die cineastischen Kamerafahrten, ein selten gezeigtes familiäres Verhältnis, wirklich gute Musik - das ist 2016 längst überholt worden. Mehrfach.

Aber kein Ding. Die Fans wollten ja keine neue Serie sondern einfach ihre alte Serie. So wie Eltern auch nicht auf Konzerte von Moneyboy gehen wollen, sondern Bon Jovi hören. Und wenn das live nicht geht, dann werden halt die alten Best Of CDs eingeschmissen. Ist ehrlich, kann man machen. Nur kriegen das die Macher der Gilmore Girls leider so gar nicht auf die Reihe. Das Nostalgieversprechen ist komplett für den Arsch.

Die Macher wissen gar nicht, wo sie mit der Serie hin wollen

Das fängt schon bei der Optik an. Und nein, damit ist nicht gemeint, dass Lauren Graham ihr Gesicht nach völlig unnötiger "Restauration" kaum noch bewegen und ihre Serientochter Alexis Bledel ihre Stirn deutlicher in Falten legen kann als sie (hey, Hollywood und älter werdende Frauen, kein Zuckerschlecken). Allein schon der Beginn der einzelnen Folgen: ohne Serienopener. Ohne "Where You Lead". Da wird schon klar, dass die Macher der Serie selbst gar nicht wissen, wo sie mit den neuen Folgen eigentlich hin wollen.

Aber am Gilmore Girls-esquen Laptop-Lagerfeuer mit bestellter Pizza, Asiaboxen, Schokolade und Chips reißt man sich am Bademantelriemen und schaut weiter. Verschwendete Zeit!

Wieso welche Charaktere wie im Leben stehen? Völlig unwichtig. Dass insbesondere Serien langwierige Entwicklungen aufzeigen können? Geschenkt. Echtes Storytelling? Fehlanzeige. Stattdessen werden langweilig inszenierte Handlungsabschnitte wie aus einem sehr einfallslosen Musikvideo ohne Sinn und Verstand aneinander geklöppelt. Ja, damit ist der selten dämliche Ausflug um und mit den Elitestudenten von der "Life And Death Brigade" gemeint. Schon klar, das soll Stimmung machen und Emotionen hervorrufen - ist aber nur ein Museum mit lebendigen Ausstellungstücken. Oder wie ein Konzert von Britney Spears: Man mag die Life And Death Brigade für alles, was sie war und nicht für das, was sie ist.

Hallo und Tschüss!

Die meisten Charaktere tauchen sowieso nur auf, damit sie überhaupt zu sehen sind. Hi Jess, ach schön, du lebst, super Info. Aber jetzt hurtig wieder weg mit dir, wir müssen noch die anderen Figuren auftauchen lassen. Wie laut im Netz herumgeschrien wurde, dass endlich der Vater von Rorys bester Freundin Lane zu sehen ist. Mr. Kim! Immer von ihm gehört, nie wurde er gezeigt! Und jetzt? Lasst euch sagen: Die Ansicht von Mr. Kim rechtfertig nicht mal das - zugegeben recht schnell erledigte - Abtippen seines Namens.

Da ist auch ein neuer Cameo-Auftritt der großartigen Carole King nicht die Rettung, die euphorisch "I Feel The Earth Move" anstimmt, nur um von Stadtgrinch Taylor Doose mit den Worten abgewürgt zu werden, das sei doch nun wirklich kein Hit. Und ein Hit, das sind die neuen Folgen "Gilmore Girls" auch nicht. Dass am Ende - na klar - darauf angespielt wird, dass es gar kein Ende gibt, das hätte mir fast meinen Burgerbagel ins Gesicht gedrückt.

Denn genau genommen passiert in den insgesamt rund sechs Stunden "Gilmore Girls": nüscht. Hätte mich doch mal jemand beim Schauen abgewürgt. Statt mir die Serie anzusehen, die mir seit meiner Schulzeit wundervoll eingebläut hat, ich bräuchte nie was können am Herd, hätte ich doch lieber selbigen geputzt.


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