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Comicband "Geschichten aus dem Grandhotel" Augsburger Studenten zeichnen Flüchtlingsgeschichten

Was passiert, wenn Flüchtlinge mit zahlenden Hotelgästen Tür an Tür wohnen? Asylkritiker glauben: Die Welt geht unter. Acht Augsburger Designstudenten allerdings beweisen: Es passiert ziemlich viel Gutes.

Von: Jasmin Körber

Stand: 05.04.2016 | Archiv

Ein "links-alternatives Hippie-Fantasieland" soll es sein. Geleitet von "langhaarigen Bombenlegern" und voll mit "denen, die scheinbar niemand haben will", sagen die Kritiker des Augsburger Grandhotel Cosmopolis. "Ein bunter alternativer Haufen" sei es, sagt der Designstudent Dennis Ego. Er muss es wissen, denn für ihn und sieben seiner Kommilitonen war das Cosmoplis im Sommersemester 2015 fast so was wie eine Wahlheimat.

Für ein Seminar haben er und sieben seiner Kommilitonen ein Semester lang immer mal wieder im Hotel vorbeigeschaut und aus ihren Eindrücken Comicreportagen gezeichnet, die jetzt im Augsburger Wißner-Verlag erschienen sind. An sein erstes Mal im Grandhotel kann sich Dennis auch noch sehr gut erinnern: "Ich wollte nur Kaffee trinken und mir das mal anschauen. Aber das ist so eine Szene, die einen gleich reinzieht. Ich saß da im Cosmopolis, hab gequatscht und plötzlich war ich dann auch schon hinterm Tresen. Einarbeitungszeit: Gefühlte fünf Minuten. Danach Arbeitsschicht: gefühlte 20 Stunden."

Von der belächelten Utopie zum Vorzeigeprojekt

Gestartet ist das Grandhotel Cosmopolis ursprünglich als Projekt vieler linksalternativer Künstler. Im Grandhotel wohnen Flüchtlinge zusammen mit zahlenden Hotelgästen. Ein Pay-what-you-want-Café gibt es auch und nebenbei tausende kostenlose Kurse und Workshops - unter anderem zu Themen wie "nonverbale Kommunikation". Trotzdem oder wohl gerade deswegen ist das Cosmopolis innerhalb kürzester Zeit von der belächelten Utopie zum bundesweiten Vorzeigeprojekt in Sachen Integration geworden.

Und jetzt eben der Comicband zum Grandhotel. Die Geschichten zu finden sei nicht schwer gewesen, denn Geschichten gebe es wirklich genug im Cosmopolis, sagt Dennis Ego. Aber ein paar andere Vorbehalte hatten sie schon, erzählt Kommilitone Paul Rietzl: "Wir haben uns alle gefragt, ob wir das hinbekommen, diesmal keine fiktiven, sondern echte Geschichten in Comicform zu erzählen."

Die Flüchtlingsfrage neu denken

Hinbekommen haben sie es am Ende sogar wahnsinnig gut. Denn "Geschichten aus dem Grandhotel" sieht wunderschön aus. Jede Reportage hat ihren eigenen, besonderen Stil - und trotzdem gelingt es den Zeichnern und Autoren, dass die verschiedenen Geschichten nahtlos ineinander übergehen.

Besonders krass sind die Fluchtgeschichten der Bewohner: Da ist zum Beispiel Hayder, der auf seiner Flucht von Schleppern ins Wasser geworfen wurde. Mehrere Jahre war er auf der Flucht, bis er den Weg ins Cosmopolis gefunden hat. Oder Pouya, der aus Afghanistan fliehen musste, weil er in einem westlichen Krankenhaus als Pfleger gearbeitet hat. Aus Rache haben die Taliban deshalb eine Bombe vor seinem Haus gezündet, Pouya und seine Familie wurden dabei verletzt.

"Geschichten aus dem Grandhotel" zeigt aber auch, was jetzt gerade ist. Die, die sich mit dem alltäglichen Leben im Hotel befassen und zeigen, was das Grandhotel wirklich ist. Paul Rietzl war es zum Beispiel wichtig, das Besondere am Grandhotel zu zeigen. Einfach nur einen Schlafplatz anzubieten, das sei kein Konzept und keine Lösung, sagt er: "Selbst wenn man das Grandhotel komisch findet, muss man einfach anerkennen, dass Leute da ein Experiment wagen, nämlich: Wie kann man die Flüchtlingsfrage neu denken?" Man muss ihm Recht geben. Denn wenn ein linksalternatives Hippie-Fantasieland so aussieht wie das Cosmopolis in "Geschichten aus dem Grandhotel", dann darf auf der Welt gerne mehr Hippie-Fantasieland sein.

"Geschichten aus dem Grandhotel" von Mike Loos (Hrsg.) ist im Wißner-Verlag erschienen und kostet 12,80 Euro


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