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Deutschraps hippe Modedroge Sind jetzt alle auf Hustensaft?

Codein scheint im HipHop aktuell Modedroge Nummer Eins zu sein - zumindest, wenn man deutschen Rappern Glauben schenken darf. Ist das alles nur ein großer Hype oder stecken wir schon mitten im süßen Sumpf?

Von: Stefan Zehentmeier

Stand: 25.04.2017 | Archiv

Hustensaft | Bild: BR

Nachdem früher vor allem Kiffer- und Kokserromantik den Ton angegeben haben, ist in den letzten Jahren der Konsum von Codein-Hustensaft State of the Art geworden.

Hustensaft, das weckt bei den meisten erstmal romantische Kindheitserinnerungen. Mittlerweile sind in Deutschland viele Säfte, die wir mal von Mama auf dem Löffel bekommen haben, aber für Kinder verboten. Denn: Der Wirkstoff Codein ist ein Opiat, das auf Rezept gegen Schmerzen und starken Hustenreiz eingesetzt wird. Und Opiate sind nicht nur die Basis von Codein, sondern auch von Morphin und Heroin. Und damit sind wir nicht mehr im Kinderzimmer, sondern beim Thema Drogen.

Hustensaft aka Texanischer Tee

Der Trend zum Hustensaft kommt - woher auch sonst - aus den USA. Genauer gesagt aus Houston, Texas. Da sollen Bluesmusiker schon in den 60ern für einen ordentlichen Rausch Hustensaft mit Bier gemischt haben. In den 80ern und 90ern griffen dann mehr Musiker zum Hustensaft, der neben Codein auch Promethazin enthält und für Euphorie, Benommenheit und Ruhe sorgen soll. Für den Geschmack streckten sie das Medikament mit Sprite und würzten es mit einem Fruchtbonbon – fertig war der Drink, der relativ schnell viele verschiedene Namen hatte: Texas Tea, Syrup, Sizzurp, Purple Drank, Dirty Sprite oder Lean. Richtig populär wird Codeinmissbrauch, als in den 90er Jahren DJ Screw aus Houston dank seiner Mixtapes und Remixe der Durchbruch gelingt. Markenzeichen der DJ Screw "Chopped and Screwed" Mixes sind eingängige Hooks und sehr viel langsamer abgespielte Songs – ganz im Zeichen der "Codeinkultur".

Im Jahr 2000 erreichte der Hype in den USA einen ersten Höhepunkt, als die Gruppe Three 6 Mafia mit ihrem Song "Sippin on some Syrup" landesweit bekannt wird. Kurz darauf stirbt DJ Screw – an einer Überdosis Codein-Promethazin-Hustensaft. Pimp C, der als Featuregast auf "Sippin on some Syrup" vertreten gewesen ist, stirbt 2007 - auch unter Codeineinfluss. Diese Todesfälle schrecken aber kaum jemanden ab. In Untersuchungen in North Carolina hat fast ein Drittel der befragten Teenager gesagt, schon mal Erfahrungen in Sachen Codein gemacht zu haben.

Künstler wie Lil Wayne, Drake, A$AP Rocky und Future verhalfen in der Zeit danach der Codeinkultur in den Pop-Mainstream. Kein Wunder, dass auch deutsche Rapper irgendwann anfangen diesen Style zu kopieren. Allen voran Moneyboy aka. YSL Known Plug, und die Glo Up Dinero Gang um Medikamenten Manfred und Hustensaft Jüngling. HipHop-Journalistin Jule Wasabi hat sich mit den beiden für ein "Codein-Interview" getroffen – und dabei selbst Erfahrungen mit der Droge gemacht:

"Es hat sich sehr drückend angefühlt, als hätte ich eine schwere Glocke über dem Kopf. Aber nicht so, dass ich einschlafen kann. Es war eher eine Betäubtheit, die über mir hängt und die sehr unangenehm auf die Nerven drückt. Bisschen vergleichbar mit Weed aber viel betäubender. Ich hatte keine Lust mehr zu reden, hatte aber super komische Gedanken."

Jule Wasabi

Bezeichnend allerdings: Die beiden Interviewpartner hatten sich beim Konsum von Hustensaft an diesem Abend zurückgehalten. Jule erlebt den Hype um Codein eher in den sozialen Medien: "Ich bekomme relativ oft am Wochenende von kleinen Kids auf Snapchat Videos, wie sie anscheinend Codein trinken", sagt sie. "Der Reiz ist sicherlich da, weil Rapper super oft darüber reden."  

Aber wie big ist Codein als Droge bei uns in Deutschland wirklich? Beim Bundesgesundheitsministerium heißt es, dass es keine Erkenntnisse über sogenannten "relevanten Missbrauch von Codein in Deutschland" gibt. Und Auch beim Münchner Gesundheitsreferat gibt’s Entwarnung: Im letzten Jahr gab es dort keinen bekannten Fall von Codeinkonsum, der im Zusammenhang mit Rap- oder Popkultur steht.

Droge ohne Konsumenten?

Das bestätigt auch das Gefühl, das Jule Wasabi in Sachen Hustensaft-Hype hat: "Ich glaube eh, dass das kein Thema für die breite Masse ist, sondern vielmehr, dass Leute das mal ausprobieren. So wie wir das eben gemacht haben. Ich fände es schon komisch, wenn das Leute regelmäßig machen, weil der Turn einfach nicht nice ist. Aber dass es so eine Lifestyledroge ist, das Gefühl habe ich gar nicht."

Hustensaftrapper, die die Flasche selbst gerne ohne Nippen weitergeben, Drogenbeauftragte, die von Missbrauch nichts wissen – scheint also, als sei der große Hustensaft-Hype vor allem eines: Ein eher theoretischer Szenehype. Und nichts für deutsche Therapiestellen.

Sendung: Filter, 25.04.2017 ab 15 Uhr