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Interview // Markus Beckedahl "Wir sehen das als Einschüchterungsversuch"

Wie fühlt man sich, wenn man erfährt, dass die Bundesanwaltschaft wegen Landesverrats gegen einen ermittelt? Wir haben Markus Beckedahl, Gründer des Blogs netzpolitik.org, gefragt.

Von: Verena Fiebiger

Stand: 31.07.2015 | Archiv

Markus Beckedahl | Bild: picture-alliance/dpa

Markus Beckedahl, Gründer des investigativen Blogs netzpolitik.org, hat am Donnerstag Post von der Bundesanwaltschaft bekommen. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass gegen ihn und weitere Journalisten des Blogs ermittelt werde, wegen des Verdachts auf Landesverrat. Beckedahl hatte vertrauliche Dokumente der Bundesregierung veröffentlicht. PULS konnte Beckedahl zu den Vorwürfen befragen und mit ihm darüber reden, was das Ganze für ihn persönlich, den Journalismus in Deutschland und die Aufklärung des NSA-Skandals bedeutet.

PULS: Wie ging es dir, als du den Brief des Generalbundesanwalts in den Händen gehalten hast?

Markus Beckedahl: Der Moment war ein bisschen surreal. Wir wussten, dass Strafanzeige vom Verfassungsschutz in unsere Richtung gestellt worden war, gingen aber davon aus, dass die Strafanzeige nur unsere Quellen beträfe. Das alleine wäre schon ein Skandal. Aber wenn man so ein öffentliches Schreiben zugestellt bekommt, in dem steht, dass man Landesverrat begangen hätte - ein Straftatsbestand, den ich nur aus Geschichtsbüchern kenne - da weiß man gar nicht, wie man das einordnen soll. Wir haben uns dann informiert und herausgefunden, dass man dafür mindestens ein Jahr ins Gefängnis muss. Das ist etwas, dass ich mir in Deutschland im Jahr 2015 gar nicht vorstellen konnte.

Im Internet ist das Thema eingeschlagen wie eine Bombe. Euch haben die Ermittlungen an sich nicht überrascht, sagtest du?

Wir wussten schon seit drei Wochen, dass Strafanzeige gestellt wurde, durch einen Beitrag des Deutschlandfunks, der offensichtlich vom Verfassungsschutz lanciert wurde. Insofern waren wir nicht komplett überrascht. Allerdings waren wir darüber überrascht, dass es in den Ermittlungen um Landesverrat gehen sollte.
Wir dachten es ginge vielleicht nur um den Verrat von Staatsgeheimnissen, in welchem Fall nur gegen unsere Quellen ermittelt worden wäre. Aber jetzt ist es für uns sehr persönlich geworden, da wir als Einzelpersonen als Landesverräter dargestellt werden. Wir sehen uns aber nicht als Landesverräter. Wir betreiben journalistische Arbeit um Grundrechte in Deutschland zu sichern, was meiner Meinung nach alles andere als Landesverrat ist.

Der Verrat von Staatsgeheimnissen wiegt also weniger schwer als Landesverrat?

Genau. Landesverrat führt, wie wir spätestens durch die Berichterstattung jetzt erfahren haben, äußerst selten zu Ermittlungen gegen Journalisten. Es werden in den Medien Beispiele aus der deutschen Geschichte genannt, die lange vor meiner Zeit stattgefunden haben.

Ihr wusstet ja, dass die Dokumente vertraulich sind. Warum habt ihr sie trotzdem veröffentlicht?

Es gibt verschiedene Abstufungen von Geheimhaltung und die Dokumente waren auf der zweitgeringsten Geheimhaltungsstufe. Ein Staatsgeheimnis stuft man anders ein. Wir haben die Dokumente als Ausschnitte in Originalform online gestellt, weil sie dokumentieren, was zwei Jahre nach Snowdens Enthüllungen die Antwort der Bundesregierung auf den größten Überwachungsskandal in der Geschichte der Menschheit ist: mehr Überwachung, mehr Kompetenzen und Personal für unsere Geheimdienste. Das war der Öffentlichkeit so nicht bekannt. Außerdem haben wir unseren Lesern und Leserinnen die Möglichkeit gegeben, unsere Arbeit als Journalisten kritisch zu hinterfragen, indem sie sich aus den Originaldokumenten, genau wie wir, informieren konnten.

Welche Informationen würdest du definitiv nicht veröffentlichen?

In der Regel personenbezogene Daten und vermutlich Dokumente einer höheren Geheimhaltungsstufe. Ansonsten muss man den Einzelfall betrachten und klären, wer wovon betroffen ist und ob es einen Mehrwert bringt. Das kann ich jetzt so nicht verallgemeinern.

Gegen die NSA wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet mit der Begründung, dass es angeblich keine Indizien gibt. Jetzt wird gegen euch ermittelt. Kommt dir das wie ein großer Witz vor, oder wie erklärst du dir das?

Wir fragen uns auch, ob das ein Witz ist. Wir sind schon seit langer Zeit irritiert, dass der Generalbundesanwalt nicht in der Lage zu sein scheint, gegen die NSA zu ermitteln. Wir gehen davon aus, dass eine politische Motivation dahinter stecken muss, auch bei den Ermittlungen gegen uns.

Der deutsche Journalistenverband hat dieses Vorgehen als neue Dimension bezeichnet, wie Medien und Behörden in der Berichterstattung um die Geheimdienstaffäre agieren. Was bedeutet dieser Schritt?

Wir sehen das als Einschüchterungsversuch gegen kritische Berichterstattung, die aufklären will, was unsere Sicherheitsbehörden im Verbund mit NSA und Co. tatsächlich machen. Und es ist ein Einschüchterungsversuch gegen Quellen und potentielle Quellen, um sie davor abzuschrecken, Journalisten weiter dabei zu unterstützen, Licht ins Dunkle dieser größten Überwachungsmaschinerie in der Geschichte zu bringen.

Im Internet stoßt ihr auf breite Unterstützung unter dem Hashtag #Landesverrat und #Neulandesverrat. Correctiv.org hat die Dokumente ebenfalls online gestellt und Strafanzeige gegen sich selbst gestellt, auch Jeff Jarvis hat sich geäußert. Glaubt ihr, dass euch diese mediale Unterstützung helfen kann, oder könnt ihr nur auf eure Anwälte bauen?

Wir freuen uns über diese riesige Welle der Solidarität, die ist viel größer als wir uns jemals erhofft haben. Wir hoffen aber auch, dass sie über diese ersten Tage der Aufregung hinaus bestehen bleibt, denn die Ermittlungen werden vermutlich noch die nächsten Wochen und Monate andauern. Auch da werden wir Unterstützung brauchen, um nicht irgendwann vor Gericht stehen zu müssen und möglicherweise dafür ins Gefängnis zu gehen, dass wir unsere Aufgabe erledigt haben. Nämlich kritisch über den Ausbau des Überwachungsstaates zu berichten und die Regierung als vierte Macht im Staat zu kontrollieren.


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