WHO-Bericht zur Prävention von Alkoholmissbrauch Es ist nicht normal, nachts an der Tanke Wodka zu kaufen

Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation zeigt: In Sachen Alkohol-Prävention hinkt Deutschland anderen europäischen Ländern deutlich hinterher. Gehen wir mit Alkohol immer noch zu lax um?

Von: Paul Schedlbeck

Stand: 01.08.2017 | Archiv

Zerbrochene Flasche | Bild: BR

Einen sehr großen Putzeimer voll mit reinem Alkohol. So viel trinkt jeder von uns im Schnitt pro Jahr. Klingt nicht nur viel – ist es auch im internationalen Vergleich. Mit 11,4 Litern pro Kopf belegt Deutschland laut WHO im Trink-Ranking Platz 23 und ist damit in der Spitzengruppe. Wir sind zwar weit entfernt von Spitzenreiter Litauen - dort haben Über-15-Jährige im vergangenen Jahr im Schnitt 18,2 Liter reinen Alkohol getrunken - gesund ist die Menge deswegen aber noch lange nicht.

Auch deshalb hat Deutschland 2011 zusammen mit anderen Ländern dem "European action plan to reduce the harmful use of alcohol 2012-2020" zugestimmt. Ein Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation, damit wir weniger Alkohol trinken. Aber so wie's aussieht, zieht Deutschland nicht richtig mit.

Viele andere Länder sind vernünftiger als wir

In einem Zwischenbericht der WHO landet Deutschland in der Regel auf den mittleren und hinteren Plätzen – zum Beispiel in Kategorien wie:

  • Was tut Deutschland gegen Alkohol am Steuer?
  • Wie sieht’s beim Thema Aufklärung aus oder illegalem Handel mit Alkohol?
  • Wie viele Leute sterben an den Folgen von Alkohol?

Kleiner Trost: Unsere Nachbarn Italien, Frankreich oder Österreich schneiden auch nicht viel besser ab. Top ist hingegen Norwegen. Dort sterben deutlich weniger Leute an alkoholbedingtem Krebs oder Leberzirrhose. Grund: Hier greift eine Alkoholsteuer, die Getränke teurer werden lässt, je mehr Alkohol sie enthalten. Außerdem gibt's Alkohol erst ab 18.

Wir killen hilfreiche Ansätze

Vor Jahren hat Baden-Württemberg als einziges Bundesland ein nächtliches Verkaufsverbot von Alkohol eingeführt. Nach einiger Zeit hat man untersucht, was das bringt – und tatsächlich haben sich weniger junge Leute nachts bewusstlos gesoffen. Aber jetzt wird die Regelung wieder gelockert. Das Argument: Nur weil einige nicht damit umgehen können, können wir doch nicht allen anderen das Biertrinken verbieten. Dabei ging es ja nicht um ein Verbot, sondern um eine Einschränkung, die offensichtlich Wirkung gezeigt hat.

"Wir fordern, dass der Alkohol realistisch in der Gesellschaft behandelt wird – als ein problematischer Stoff."

(Dr. Raphael Gaßmann, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.)

Das vielleicht größte Problem: Alkohol ist bei uns so gut wie überall akzeptiert. Dr. Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist unser Umgang mit Alkohol damit nicht realistisch genug. Er fordert: Das, was beim Rauchen schon geklappt hat, sollte man auch bei Alkohol umsetzen. Sprich: Werbung einschränken, Altersfreigabe ab 18 – und gerade harter Alkohol müsste mehr kosten. Außerdem solle es Alkohol nicht rund um die Uhr zu kaufen geben. Während es hier normal ist, nachts noch Wodka an der Tanke zu holen, gibt’s das in den Niederlanden zum Beispiel einfach nicht. Wer da nachts nach Wodka fragt, sagt Gaßmann, den würde der Kassierer wahrscheinlich anschauen, als hätte er ein ernsthaftes Alkoholproblem. Vielleicht haben wir das ja wirklich.

Sendung: Filter, 31.07. ab 15 Uhr