Kommentar zum Internationalen Frauentag Entdecke die Prinzessin in dir!

Rossmann ist jetzt Rossfrau. Mit ihrer Kampagne #lasstdieFrauraus wollen sie ein Zeichen fürs Frau-sein setzen. Mit Glitzer und Shopping-Gutscheinen. Mit der ursprünglichen Idee des Internationalen Frauentags hat das nichts zu tun.

Von: Linda Becker

Stand: 07.03.2018 | Archiv

Entdecke die  Prinzession in dir!  | Bild: BR

Zum Internationalen Frauentag macht Rossmann auf Rossfrau. Für eine Woche ändert der Drogeriemarkt seinen Namen und sein Logo. Der Rossmann-Centaur ist für die Kampagne zur weiblichen Centaurin geworden – zumindest in Hannover. Unter dem Motto #lasstdieFrauraus möchte der Konzern die verschiedenen Facetten des Frau-Seins unterstreichen. Natürlich mit Beautyprodukt-Gutscheinen und Gewinnspielen. Schließlich sind über 80 Prozent der Kunden weiblich.

"Jede Frau ist einzigartig und doch haben sie alle eins gemeinsam: Ihre vielseitigen Facetten sind in jeder Lebenslage ihre größte Stärke."

heißt es auf der Rossmann Webseite.

Wow, krass deep. Alle Frauen sind in ihrer Individualität geeint. Das berührt mich so tief in meiner Lebenswelt und begreift so ganzheitlich meine Alltagsprobleme, dass ich weinen muss.

Die Hamburger Kreativagentur GGH Mullen Lowe ist übrigens die Werbeagentur, die die Kampagne für Rossmann leitet – eine sehr männlich besetzte Mannschaft in der Führungsriege. Aber no judgement, das ist sicher nur Zufall und repräsentiert nicht die gerade mal 28 Prozent Frauen in Führungspositionen. Die Kampagne selbst führt eine Frau.

Das Schönste für Frauen ist, wenn sie shoppen gehen können

Ich stelle mir also vor, wie das Planen der Werbekampagne vor einigen Wochen abgelaufen sein muss:

"Hey, ich hab ne super innovative Idee für den "Weltfrauentag“ (Werbetexter malt Anführungszeichen in die Luft). Kampagnentitel ist: #lasstdieFrauraus. Wir verlosen Beautyboxen für Frauen – und um die Weiblichkeit noch zu unterstreichen, hängen wir für eine Woche an unser Markensymbol nen Pferdeschwanz und ein paar Brüste dran. Deal?"

Die Werbe-Praktikantin meldet sich mit einer Zwischenfrage: "Was soll denn "Lasst die Frau raus?" konkret heißen …woraus denn? Oder ist das feministisch gemeint?"

"Hahahaha, ja, klar, feministisch. Damit kannste doch heute echt nix mit reißen – viel zu negativ. Nein, wir brauche eine positive Message. Wir verschenken einfach was in Rosa, schreiben drüber "Frauen sind toll!". Dann gehen die shoppen und hören auf rumzuquengeln. Wumps, fertig ist die Kiste! Opium für die Frau. *zwinker*"

Eben. Hauptsache wir haben Beauty-Gutscheine und Geschenkboxen. Da können wir wenigstens das Gender-Pricing wieder reinholen, was es ja sonst an jedem gewöhnlichen Tag gibt. Einwegrasierer für Frauen kosten nämlich oft gut 33 Prozent mehr als die Rasierer für Männer.

Der "Weltfrauentag" ist zu einer lächerlichen Werbeveranstaltung geworden

Natürlich ist das Werbetexter-Gespräch von mir frei erfunden, ich frage mich dennoch, wer für folgende Werbetexte sein Ok gegeben hat?

"Haushalt schmeißen, putzen und sich selbst auch noch rausputzen. Das braucht viel Kraft und Ausdauer. Legt euch euer Cape um und lasst die Heldin raus!"

heißt es auf der Webseite.

Schließlich sollen die Texte ja die "vielseitigen Facetten von Frauen" deutlich machen, wie Rossmann betont.

"Träumt ihr von schönen Kleidern oder dem Prinzen hoch zu Ross? Heute ist euer ganz persönlicher Prinzessinnen-Tag: Zäumt euer Einhorn auf und lasst es Glitzer regnen!"

beschreibt ein weiterer Abschnitt.

Ich frage mich, ob der Werbetexter oder die Werbetexterin wohl getrunken hat oder ob er/sie vielleicht einfach einen Text aus den 50ern recycelt hat? Aber da gab's ja noch keinen Einhorn-Hype...

Der "Weltfrauentag" ist eine absolut lächerliche Werbeveranstaltung – ähnlich wie der Muttertag oder der Valentinstag. Es geht allein um’s Konsumieren. Die Idee hinter dem ursprünglichen Internationalen Frauentag ging verloren.

Seit rund hundert Jahren wird am 8. März für die Gleichberechtigung und Emanzipation der Frau gekämpft. Und dieser Kampf hat sich nicht erledigt. Emanzipation ist in Zeiten der #metoo Debatte und in Zeiten, in denen öffentliche Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen verpönt sind, weiterhin ein absolut wichtiges Anliegen. Da bringen Beauty-Rabatte und vorgeschobene Namensänderungen einen Scheiß – schlimmer noch, sie suggerieren sogar "Ihr kriegt extra einen Tag, wir schätzen euch wert." Bullshit. Solange sich große Konzerne noch rosa Bubblegum-Kampagnen ausdenken, gibt es mehr als genug zu tun.