Jetzt Gorillas BLVTH feat. Kareem Kalokoh

Info Der Berliner Produzent BLVTH macht Beats für die Deutschrap-Elite, Remixe für internationale Stars wie Sia und schreibt ganz nebenbei auch Hits für sein eigenes Projekt. Bei "Gorillas" (2020) ist Kareem Kalokoh zu hören.

Kommentar zu #OhneMich Mädels, arbeitet stärker an eurer "Scheiß-drauf"-Attitüde!

Der Hashtag #OhneMich behauptet: Nur wenn Frauen aufhören, Wert auf ihr Aussehen zu legen, werden sie nicht mehr auf ihren Körper reduziert. Also in den Müll mit Schminkzeug und Highheels. Aber ganz ehrlich: Das ist Bullshit.

Von: Linda Becker

Stand: 14.11.2017 | Archiv

OhneMich | Bild: BR

Da ist es, das nächste Hashtag zur #Metoo-Debatte. #OhneMich heißt es und sagt, dass Frauen etwas dagegen tun müssen, um nicht nur als Körper wahrgenommen zu werden. So formuliert es die Soziologin Barbara Kuchler in einem Gastbeitrag für ZEITonline. Frauen seien "als Körper präsent, der Mann als Geist, Witz, Wille". Sie sagt, solange Frauen sich zu sehr um ihr Aussehen kümmern, bleiben sie immer nur "das schöne Geschlecht". Also fordert sie, dass Frauen ihr Schminkzeug in die Tonne kloppen, die Absätze ihrer Highheels abbrechen und selbstbewusst, plattfüßig und ungeschminkt durchs Leben schreiten. So wie sie:

"Ich mache dieses Spiel nicht mehr mit. Ich tue nicht mehr für mein Aussehen als der durchschnittliche Mann, und ich stelle meinen Körper nicht stärker zur Schau als der durchschnittliche Mann."

(Barbara Kuchler in ZEITonline)

Frauen werden demnach erst dann nicht mehr auf ihren Körper reduziert, wenn sie weniger Wert auf ihr Aussehen legen. Ich persönlich stelle ja die steile These auf, dass Frauen nur dann nicht mehr auf ihren Körper reduziert werden, wenn andere einfach mal damit aufhören.

Aber soll Barbara Kuchler mal machen. Wenn Männer sich aufbrezeln, macht sie das auch, wenn nicht, dann macht sie das auch nicht. So. Bäh, jetzt können nämlich alle mal gucken, was sie mit ihrer neu gewonnen Freizeit anfängt.

Sie könnte natürlich auch einfach sagen: Es ist mir scheißegal, was die anderen machen und ich orientiere mich nicht daran, was die Männer dahingehend unternehmen wollen. Ich tue für mein Aussehen, was ich will. Ich schmink mich heute nicht, morgen schon und übermorgen geh ich als Dragqueen.

#Metoo und #OhneMich zu vermischen, ist die falsche Message

Was mich an Barbara Kuchlers Text am meisten nervt: Sie benutzt die #metoo-Debatte als Ausgangspunkt ihres Textes. Sie vermischt beides und das ist falsch.

Sie sagt, dass sexuelle Übergriffe eine Folge davon sind, dass Frauen als Objekte betrachtet werden. Ja, Frauen werden oft als Objekte betrachtet, das stimmt. Aber es ist nicht ihre Aufgabe das mit weniger Schminke oder anderen Klamotten zu unterbinden.

#Metoo ist keine Folge daraus, dass Frauen als attraktiv wahrgenommen werden. #Metoo ist eine Folge von Machtverhältnissen. Wer Menschen belästigt, sagt: Du gehörst mir, ob du es willst oder nicht. Das kann durch nichts begründet werden. Übergriffe auf jeden Menschen sind falsch. Punkt.

Menschen, die aufgrund ihres Aussehens bedrängt oder beleidigt werden, müssen nichts an sich ändern, um das Problem zu beseitigen. Sie müssen gesellschaftliche Strukturen nicht durch weniger Schminke brechen und sie müssen nicht darum betteln, bitte endlich ernst genommen zu werden.

Aussehen ist kein Grund, Leute zu betatschen, nicht ernst zu nehmen, zu beleidigen oder sonst wie übergriffig zu sein. Wir müssen vielmehr aufhören, das Aussehen von Menschen zu werten und daraus zu schlußfolgern, was sie im Leben erreichen können und was nicht.

Respekt muss unabhängig vom Aussehen stattfinden

Klar, Barbara Kuchler hat auch einen Punkt. Viele Frauen beschäftigen sich ungleich mehr mit ihrem Aussehen als Männer. Sie gehen nicht schwimmen, weil sie sich zu fett fühlen, sie gehen nicht auf Dates, weil sie Pickel haben, sie entschuldigen sich im Büro, weil sie heute so fertig aussehen. Das ist nichts Ausgedachtes – all das habe ich in den letzten zwei Tagen erlebt, von Freundinnen und Kolleginnen.

Anderes Beispiel: Unter meinen Artikeln stehen gern mal sehr qualifizierte Kommentare wie "Scheiß Feministin, du bist wohl zu hässlich zum Ficken." Solche Aussagen kommen nicht von ungefähr. Wenn Frauen beleidigt werden, dann oft absolut kontextfrei in Bezug auf ihr Aussehen, auf ihre scheinbare "Unweiblichkeit". Und ich ärgere mich, wenn ich merke, dass mich sowas manchmal verletzt.

Respekt gegenüber anderen Personen muss genau deshalb unabhängig vom Aussehen stattfinden. Respekt muss jeder einfordern können - alle Frauen, alle Männer, alle Intersexuellen, ohne sich dafür besondere ästhetische Mühe zu geben. Respekt muss mit Schminke und ohne Schminke stattfinden. Und wenn euch jemand diesen Respekt nicht gibt, weil ihr beim Date mit Pickeln auftaucht, weil ihr euch wie eine Teilnehmerin in RuPaul’s Drag Race schminkt, weil ihr eine blonde, dickbrüstige Vorstandschefin seid, weil ihr mit ner Plauze schwimmen geht oder mit Cellulite in die Sauna, dann ist das nie euer Problem, sondern ein unnötiger Angriff eures unsicheren Gegenübers.

Einen Punkt muss ich Barbara Kuchler also zugestehen. Menschen müssen Muster hinterfragen: Warum nehme ich mir das so zu Herzen? Warum sagt die Person das? Ist das eigentlich wichtig? Und scheiß ich da nicht vielleicht in Zukunft einfach drauf? Menschen - und in diesem speziellen Fall Frauen - müssen für ihre Unabhängigkeit sehr stark an ihrer "Scheiß-drauf" Attitüde arbeiten. Das stärkt in vielen Lebensbereichen.

Sendung: Filter, 14. November 2017 - ab 15 Uhr