Mit 17 Jahren zur Bundeswehr "Das ist nicht nur ein Team-Ding, das ist mehr wie Familie"

Nach der Schule nicht zu wissen, was man machen will, ist nichts Besonderes. Mittlerweile hat man ja mit 17 Jahren schon das Abi. Viele reisen oder fangen an zu studieren - und ein paar gehen zur Bundeswehr. So wie Tim.

Von: Ivy Nortey

Stand: 10.01.2018 | Archiv

Symbolbild: Bundeswehr-Soldaten | Bild: picture-alliance/dpa

Was mache ich eigentlich, wenn ich mit der Schule fertig bin? Diese Frage hat sich jeder von uns früher oder später mal gestellt. Ein paar haben sich dann dafür entschieden, erstmal nix zu machen. Viele sind direkt zum Studieren an die Uni oder haben eine Ausbildung gemacht und einige sind erstmal auf Reisen gegangen. Aber zur Bundeswehr? Das ist dann doch eher ungewöhnlich. Tim, der eigentlich anders heißt, hat aber genau das gemacht - und er ist nicht der einzige. Noch nie hat die Bundeswehr so viele Leute unter 18 ausgebildet wie im Jahr 2017. Über 2.100 Rekruten waren nach Angaben des Verteidigungsministeriums noch nicht volljährig, als sie ihren Dienst angetreten haben. Das sind drei Mal so viele wie 2011.

Noch nicht offiziell erwachsen, aber schon bei der Bundeswehr

Mit 17 zur Bundeswehr - das ist zu jung, finden die Politiker von der Linkspartei. "Die Bundesregierung muss die Rekrutierung von unter 18-Jährigen für die Bundeswehr sofort beenden", fordert zum Beispiel Helin Evrim Sommer, Entwicklungspolitikerin der Linksfraktion im Bundestag. Die hatte bei der Bundesregierung nach den Zahlen zu Minderjährigen in der Bundeswehr gefragt.

"Bis zum 31. Dezember 2017 haben insgesamt 448 Soldatinnen und 1.680 Soldaten ihren Dienst in der Bundeswehr angetreten, die zu dem Zeitpunkt minderjährig waren."

Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken

Eigentlich gab es in letzter Zeit eher Meldungen darüber, dass immer weniger Leute freiwillig Soldaten werden. Für viele ist es nicht oder nur schwer nachvollziehbar, dass jemand freiwillig zur Bundeswehr geht. Für Tim nicht. "Ich wollte dahin, weil ich was erleben wollte – um mir einen Eindruck von der Welt zu verschaffen", sagt er. Als er 2017 mit der Grundausbildung angefangen hat, die drei Monate dauert, war er einer der minderjährigen Rekruten, über die jetzt diskutiert wird.

In Tims Ausbildungsgruppe lag der Altersdurchschnitt bei etwa 20 Jahren.

"Wir sind aber alle gleich. Da interessiert es niemanden, ob du 17 oder 30 bist."

Tim, mit 17 zur Bundeswehr gegangen

Der einzige Unterschied sei, dass man unter 18 keine Überstunden machen darf. Wer mit 17 Jahren die Grundausbildung startet, lernt - wie alle anderen neuen Rekruten auch - den Umgang mit Waffen. Für Tim nichts, worüber man diskutieren müsste. "Man muss sein Werkzeug kennen", sagt er.

"Man darf die Bewerber bei der Bundeswehr gegenüber denen, die eine zivile Ausbildung machen, nicht benachteiligen."

Korvettenkapitän Christina Routsi, Sprecherin für Personal und Nachwuchsgewinnung im Verteidigungsministerium

Wenn andere Ausbildungsstätten ab 17 ausbilden dürften, Bäcker, Maurer, Friseure, dann eben auch die Bundeswehr.

Grundausbildung ist keine "normale" Ausbildung

Die Frage, die sich allerdings viele stellen, ist, ob man mit 17 alt genug ist, um an der Waffe ausgebildet zu werden. Einen Vergleich mit zivilen Ausbildungsberufen halten viele für schwierig bis unmöglich. So wie Evrim Sommer von den Linken.

"Wir kritisieren, dass Minderjährige an der Waffe auszubilden dem Prinzip der UN- Kinderrechtskonvention widerspricht, nach der alle Menschen unter 18 Jahren Kind sind und einen besonderen Schutz und besondere Rechte genießen und damit ist der Dienst im Militär unvereinbar. Daran sollte sich auch die Bundesregierung halten."

Evrim Sommer, Entwicklungspolitikerin der Linksfraktion im Bundestag

Diese UN-Konvention ist eine Empfehlung. In einer Ausnahme von der Regel steht, dass staatliche Armeen Leute unter 18 rekrutieren dürfen. Die Länder können sich also quasi aussuchen, ob sie ein Mindestalter von 18 Jahren ansetzen oder nicht.

"Wenn man mit 17 anfängt, gleich nach der Schule, da denkt man sich schon: Ich bin der King, weil ich die Waffe in der Hand hab", sagt Tim. "Man hat aber auch ordentlich Respekt davor." Er hätte aber auch gewartet und gejobbt, bis er 18 ist, um dann mit der Ausbildung bei der Bundeswehr anzufangen. Er war sich sicher: Er will das machen.

Beim Besuch einer Jobmesse in der neunten Klasse ist Tim auf die Idee gekommen, zur Bundeswehr zu gehen. Nach der Schule hat er dann erst ein Praktikum gemacht und dann die Grundausbildung angefangen.

"In der Gruppe Sport machen, sich auf den anderen verlassen können, dieser Zusammenhalt - das fand ich da schon cool."

Tim

Enger Zusammenhalt zwischen den Soldaten

Mittlerweile ist Tim 18 Jahre alt, hat sich aber schon mit 17 für acht Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. "Das ist nicht nur ein Team-Ding. Das ist mehr wie Familie", sagt er. Und im Ernstfall könne man sich auf den neben sich zu 100 Prozent verlassen.

Für Evrin Sommer von der Linken betreibt die Bundeswehr "skrupellose Nachwuchsgewinnung". Für sie steht die Rekrutierung Minderjähriger im Widerspruch zur internationalen Ächtung des Einsatzes von Kindersoldaten.

Sendung: Filter am 09.01.2018 ab 15 Uhr