Kommentar: Geschlechterverhältnisse im TV Frauen sind hübsch, Männer sind klug

Frauen sind im deutschen TV unterrepräsentiert. Kommen sie vor, sind sie meist vor allem hübsch und jung. So steht es in einer Studie der Uni Rostock. Das Fazit von PULS Autorin Linda Becker: Alles wie immer und es ist zum Kotzen.

Von: Linda Becker

Stand: 13.07.2017 | Archiv

Kommentar | Bild: BR

Männliche und weibliche Schauspielerinnen, männliche und weibliche Moderatoren, männliche und weibliche Sprecher. Gibt's beides und das Verhältnis ist doch wohl auch ausgeglichen. Ist es nicht. Das wurde jetzt durch eine Studie an der Uni Rostock bestätigt.

Angestoßen wurde die Studie von Schauspielerin Maria Furtwängler. Die wollte wissen, wie es eigentlich um die Geschlechtergleichheit im TV bestellt ist. Auf wie viele Hauptdarsteller kommen eigentlich wie viele Hauptdarstellerinnen? Welche Rolle spielen Frauen im Fernsehen? Und ist die Fernsehkarriere für Frauen irgendwann altersbedingt vorbei? Dafür wurden 17 Fernsehsender über zwei Wochen von 14 bis 24 Uhr analysiert . Es ist die erste Studie zu Geschlechterrollen im TV seit 20 Jahren.

Zwei Drittel der Hauptakteure sind männlich – außer in Soaps

Um es kurz zu machen: Es ist leider ein ziemlich erwartbares Ergebnis. Zumindest für mich. Und um es lang zu machen: Zwei Drittel aller wichtigen Positionen in deutschen Fernsehproduktionen sind mit Männern besetzt. Das ist laut der Studie vor allem im Bereich Information und non-fiktionaler Unterhaltung so, womit zum Beispiel Experten in Talkshowrunden gemeint sind oder Nachrichtenmoderatoren. In Soaps ist es anders, da steht es etwa 1:1. Die Studie sagt auch, dass Frauen häufiger im Kontext von Beziehung und Partnerschaft gezeigt werden.

Erwartbar. Denn trotz aller Bemühungen um Geschlechtergleichstellung und Entstereotypisierung bestehen immer noch zu viele tradierte Rollenbilder. Sie sind einfach in unser Großhirn eingebrannt.

Die fetten Jahre sind recht früh vorbei

Bis zum Alter von Mitte 30 kommen Frauen und Männer etwa gleich oft in TV-Formaten vor – na also! Der Graben zwischen Männern und Frauen bricht dann aber ab 35 ziemlich auf. Je älter, desto weniger Frauen im Fernsehen. Ab 50 Jahren sind dann nur noch ein Viertel der Protagonisten weiblich.

Aber wieso eigentlich? Spekulation 1: Ab spätestens 35 bleiben die Muddis eben zu Hause. Spekulation 2: Ab 35 sieht man halt auch einfach aus wie 35 und nicht mehr wie 25. Das lass ich jetzt mal so stehen. Wie gesagt, Spekulation. Da ist sicher nix Wahres dran. Wollte bloß ein bisschen aufhetzen.

The Future is equal - NOT

Im Kinderfernsehen ist es übrigens ähnlich, wenn nicht sogar schlimmer. Ob in fiktionalen oder non-fiktionalen Sendungen, die Anzahl männlicher Protagonisten ist um einiges höher. Das Verhältnis bei Moderatoren, Hauptprotagonisten oder Sprechern ist 1:4 und bei Tierfiguren sogar 1:9. Mega. Dann wissen Kinder ja schon mal, wie ihre Zukunft aussieht: "Feen, Hexen, Mütter oder eben die 'Attraktive'. Es ist nicht die Weltenretterin, nicht die Pilotin, nicht die Erfinderin. Solche Vorbilder können sehr stark wirken auf Mädchen", fasst Maria Furtwängler den Mist zusammen.

Dieses Verhältnis ist schlimmer als jedes rosa Lilifee-Ü-Ei. Mädels merken sich durch Kinderserien, dass Jungs abenteuerlustig, witzig und überhaupt alles sein können, was sie wollen. Im besten Fall können sie das später irgendwie abstrahieren und zeigen der Medienwirklichkeit den Mittelfinger. Im schlimmsten Fall leben sie eine eingeschränkte Realität und nichts ändert sich.

Junge Unterhaltungsfrauen und alte Expertenmänner

Es ist nicht Neues und zudem etwas sehr Offensichtliches, dass Medienangebote unsere gelebte Wirklichkeit beeinflussen. Die Autorin Judith Butler sagt in ihrem Buch "Das Unbehagen der Geschlechter" etwa: Normen können nur durch Inszenierungen aufrecht gehalten werden. Das Fernsehen ist so eine Inszenierung. Dadurch weiß jeder, an welchen Platz er gehört.

Alles übertrieben? Wir sind doch schon total weit. Ja, aber nicht weit genug. Auf die Studie werden Reaktionen folgen. Reaktionen, die mit folgenden Sätzen beginnen: "Soll man jetzt, nur weil es weniger Frauen im TV gibt, eine Fernseh-Quote einführen…?" oder "Gleichstellung ist ja ok, aber muss man es echt so übertreiben mit diesem nervigen Feminismus?" Erstens, nee, man muss keine Quote einführen. Zweitens, Feminismus ist nicht übertrieben, sondern notwendig. Erst wenn es niemanden mehr stört, sich Feminist zu nennen, ist der Drops gelutscht. (Frei nach Justin Trudeau, dem kanadischen Premier übrigens.)

Kurz, man muss sich überlegen, was diese Studie über unsere Lebensrealität aussagt. Und man muss sich vor allem bewusst sein, dass der Konsum von Medien unser Denken formt. Und wenn unsere TV-Wirklichkeit aus jungen Unterhaltungsfrauen und mittelalten Expertenmännern besteht, dann ist auch die Wirklichkeit in unseren Köpfen so. Dann stellen wir uns bei geschlossenen Augen Familien als Mutter, Vater, Kind vor. Flugzeugpiloten und Superhelden als Männer und in unserer Vorstellung sitzen in Expertenrunden maximal zwei Frauen. Und das Schlimmste ist: Keinen wundert das.