Offener Brief an die Generation Y Hört auf, uns zu belächeln

Ein Kölner Professor hat einen offenen Brief an die Generation Y geschrieben, in dem er sie verwöhnt, nicht leistungsbereit und zu anspruchsvoll nennt. Unser Autor hat ihm im Namen unserer Generation zurückgeschrieben.

Von: Paul Schedelbeck

Stand: 02.08.2017 | Archiv

Smartphone liegt auf altem Brief | Bild: BR

Lieber Herr Professor Markgraf,

vor kurzem haben Sie uns auf businessinsider.de einen Brief geschrieben - uns, den jungen Leuten zwischen 16 und 35, der Generation Y. Sie zeigen sich verständnisvoll und wollen uns im väterlichen Ton ein paar Tipps mit auf den Weg geben.

Aber im Endeffekt nennen Sie uns verwöhnt, nicht leistungsbereit und zu anspruchsvoll. Weil wir ach so behütet aufgewachsen sind, uns Freizeit wichtiger ist als das Gehalt und gleichzeitig flexible Arbeitszeiten wollen. Aber weil Sie uns mögen, warnen Sie uns: Unsere Chefs könnten uns eventuell nicht ernstnehmen, weil wir einfach so Leute duzen. Und sie könnten genervt sein, weil wir immer alles ganz genau wissen wollen.

Aber wissen Sie was? Nicht wir sind das Problem, sondern die Arbeitswelt.

Wir kämpfen immer noch gegen das Ideal des fleißigen Arbeiters, der sich von früh bis spät im Büro für die Firma aufopfert. Aber deswegen sind wir nicht faul – sondern es menschelt uns zu wenig. Wir haben einfach keinen Bock, unser Leben einer Firma zu opfern. Ja, wir wollen Zeit für uns und die Familie, schließlich fanden wir das ja als Kinder auch gut, "behütet aufzuwachsen". Und die, die dieses Glück nicht hatten, wünschen es sich umso mehr.

Es mag sein, dass wir häufig einigermaßen behütet aufwachsen durften. Dafür hat es danach viele von uns beim Berufseinstieg durchgeschüttelt. Wirtschaftskrise, viele Firmen im Umbruch, befristete Jobs - das spüren wir heute immer noch. Firmen verlangen von uns, flexibel zu sein. Ist es da nicht ganz normal, dass wir das im Gegenzug auch fordern? Ist es da nicht ganz normal, dass wir uns im Job ein respektvolles, faires Umfeld wünschen und wollen, dass der Chef uns mag?

Sie behaupten, Ihre Generation sei auch zu anspruchsvoll gewesen, sie habe es nur vergessen. Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass Sie gar nicht zu anspruchsvoll waren? Es ist rührend, dass Sie uns davor warnen, wir könnten unseren Chefs mit unseren Ansprüchen auf die Nerven gehen, weil die das eventuell "nicht witzig" finden. Aber ganz ehrlich – damit müssen die umgehen. Und wir stellen unsere Ansprüche ja auch nicht aus Spaß, oder weil wir naive, ungestüme Süßis sind. Im Gegenteil, wir verstehen sehr gut, wie der Hase läuft – leider.

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung trauen sich viele von uns nicht, ordentlich mit ihren Vorgesetzten zu verhandeln, gerechtfertigte Forderungen zu stellen oder Grenzen zu setzen. Weil wir Schiss um unsere Jobs haben. Deshalb: Es stimmt einfach nicht, dass wir nie Ruhe geben können und nie einfach das tun, was man uns sagt. Im Gegenteil. Wir halten viel zu oft die Klappe.

Die Studie kommt übrigens aus einer, wie Sie sie nennen würden, "Welt des Wissens, die über die erste Zeile von Wikipedia hinausgeht". Und jetzt passen Sie bitte auf: Wir mögen keine Sätze, die mit "und jetzt passen Sie bitte auf" anfangen und sind es leid, pauschal das Prädikat "liebenswert, aber leider ein bisschen doof" zu bekommen, indem man uns vorwirft, wir würden "das" nur mit einem "s" schreiben. Als ob das nur ein Problem der Generation Y wäre. Sehen Sie sich bitte mal an, wie Über-50-Jährige mit der aktuellen technologischen Entwicklung mithalten.

Wer dann allerdings noch Sätze schreibt wie: "Es reicht nicht mehr, Chef oder Professor zu sein, um recht zu haben", der folgt einer bestimmt 5.000 Jahre alten Tradition. Sie heißt: "Die Jugend von heute." Gähn.

Sie schreiben, dass Sie uns mögen und wir so bleiben sollen, wie wir sind. Aber nicht, weil Sie uns für perfekt halten. Sie sehen in uns offenbar naive, ungestüme und dadurch irgendwie liebenswerte Geschöpfe, denen man noch etwas Rechtschreibung beibringen muss. Wie sollen wir jemanden ernst nehmen, der uns so altklug daherkommt?

Zum Glück haben viele Unternehmen schon erkannt, was sie an uns jungen (und oft motivierten) Menschen haben, nehmen uns durchaus ernst und kommen uns mit Home Office oder flachen Hierarchien entgegen.

Herr Professor, Sie finden, wir verlangen unseren zukünftigen Arbeitgebern zu viel ab? Es ist so, wie Sie es selbst sagen: Die brauchen uns. Und nicht mehr lange, dann sind sowieso wir die Professoren und Chefs.

Liebe Grüße, Ihre Generation Y