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Nach dem Attentat in Orlando Warum viele den Verletzten nicht helfen durften

Im Gay-Club "Pulse" in Orlando werden 49 Menschen erschossen, mindestens genauso viele verletzt. Viele Freunde und Angehörige wollen helfen und Blut spenden, dürfen das aber nicht - denn Schwulen ist das untersagt. In Deutschland ist das Verbot sogar noch strenger.

Von: Christoph Gurk und Jenny Stern

Stand: 14.06.2016 | Archiv

Blutspende | Bild: picture-alliance/dpa

Nach dem Massaker in Orlando ist die Schlange vor dem Blutspendedienst "One Blood" lang, die Anteilnahme für die Toten und Verletzten groß. Auch viele Schwule wollen helfen, denn im Club feierten vor allem Homosexuelle. Doch sie werden von den Spendenzentren weggeschickt. Der Anschlag auf das 'Pulse' sei ein gezielter Anschlag auf Lesben und Schwule gewesen, sagt Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD): "Dann kam es vor Ort auch noch zu der abstrusen Situation, dass die Überlebenden ein zweites Mal einer extremen Hilflosigkeit ausgesetzt waren."

In den USA dürfen Männer, die mit Männern schlafen, kein Blut spenden. Zumindest nicht, wenn sie innerhalb des letzten Jahres Sex hatten. Wegen des HIV-Risikos, wie die FDA festgelegt hat, also die oberste Gesundheits- und Lebensmittelbehörde. In Deutschland sind die Regeln sogar noch strenger, dort dürfen Schwule auf Lebenszeit kein Blut spenden – und zwar per Gesetz.

Das Transfusionsgesetzes aus dem Jahr 1998 legt fest, wer in Deutschland Blut spenden darf und wer nicht. Demnach sind Menschen ausgeschlossen, "deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV bergen." Ganz konkret geht es im Text dann weiter: "Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben." Studien zufolge sind in Deutschland bei HIV-Neuinfektionen zu zwei Dritteln homosexuelle Männer betroffen. Sie gelten als Risikogruppe. Auch Prostituierte, Häftlinge und Drogenabhängige gehören dazu.

"Die Sicherheit der Blutkonserven hat bei uns oberste Priorität", sagt LSVD-Sprecher Ulrich. Schwule müssten dabei aber nicht pauschal stigmatisiert und diskriminiert werden. Denn das Risiko bringe nicht die sexuelle Orientierung eines Menschen, sondern ob er ungeschützen Sex hatte. Dass auch Schwule jahrelang in stabilen Beziehungen leben oder beim Sex aufpassen, wird in den bestehenden Gesetzen völlig verkannt. Ebenso, dass es auch genug Heteros gibt, die ungeschützten Sex mit unzähligen Partnern haben.

Jeder, der in Deutschland Blut spenden möchte, muss zuvor einen Fragebogen ausfüllen. Eine Frage lautet: "Hatten Sie Sex mit anderen Männern?" Kreuzt der Blutspender hier "Ja" an, ist er raus. Ulrich schlägt deshalb vor, die Fragen zu ändern, zum Beispiel zu: "Hatten Sie unsafen Sex?" Dadurch werde niemand pauschal einer Risikogruppe zugeordnet, sondern das riskante Verhalten ermittelt, ganz gleich ob Homo oder Hetero.

In den USA und Frankreich gilt für homosexuelle Männer die Frist von zwölf Monaten: Wer in dieser Zeit keinen Sex hatte, darf spenden. Ulrich bezeichnet das zwar als einen Schritt in die richtige Richtung, aber nur als eine Übergangslösung: "Dass Homosexuelle enthaltsam leben müssen, um spenden zu dürfen, kann langfristig keine Lösung sein."


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