App für Obdachlose Der Lebensretter für Leute in Not

Wo bekomme ich etwas Warmes zu Essen, wo finde ich einen sicheren Schlafplatz? Für Obdachlose sind das überlebenswichtige Fragen. Eine neue App will weiterhelfen und ihnen so das Leben auf der Straße ein bisschen leichter machen.

Von: Miriam Harner

Stand: 07.03.2017 | Archiv

Mokli App | Bild: Ubilabs

Zugegeben, Obdachlosigkeit bringt man im ersten Moment vielleicht nicht gleich mit Smartphones und Apps in Verbindung. Menschen, die sich auf der Straße durchschlagen müssen, sieht man auch eher selten mit einem iPhone hantieren. Doch der Schein trügt – zumindest bei Leuten unter 21 Jahren ohne festen Wohnsitz. Von denen besitzen nämlich rund 70 Prozent ein Smartphone. Viele von ihnen sind Zuhause rausgeflogen, abgehauen oder aus ihren Pflegefamilien oder Jugendhilfeeinrichtungen weggelaufen - und bringen ihr Handy deshalb von dort mit. Wie wichtig Smartphones für junge Menschen sind, die sich auf der Straße durchschlagen müssen, erklärt Jörg Richert von Berliner KARUNA e.V., einem Berliner Verein für Kinder und Jugendliche in Not:

"Das ist für diese Kinder und Jugendlichen fast so wichtig wie Wasser und Brot. Sie sind ja weitestgehend isoliert. Sie haben bestenfalls ihre Peergroup, also Freunde auf der Straße. Alle Dienstleistungen, alles was ihnen Schutz organisieren könnte, dafür brauchen sie eine Information. Und sie sitzen ja nicht Zuhause und können den Fernseher anschalten oder den PC oder ihre Eltern Fragen."

Jörg Richert, KARUNA e.V.

Gemeinsam mit der Straßenkinderorganisation MOMO hat der KARUNA e.V. deshalb die MOKLI-App entwickelt. Bei der mobilen App handelt es sich um eine interaktive Deutschlandkarte, auf der junge Obdachlose mit ein paar Klicks herausfinden können, wo es in ihrer Nähe eine kostenlose warme Mahlzeit oder einen Arzt gibt, der sie auch ohne Krankenversicherung behandelt - oder einen Ort, wo man am Abend seinen Schlafsack ausrollen kann.

"Noch wichtiger ist ein Bett für die Nacht, ein sicherer Ort. Nicht wo ich zwanghaften Beziehungen ausgesetzt bin oder auch Gefahr laufe, missbraucht zu werden. Das Risiko für Jugendliche auf der Straße ist immens, dass sie weiter und wiederholt Gewalt erfahren. Dafür gibt’s Inobhutnahme-Einrichtungen der lokalen Jugendämter. Ma muss aber auch hier wieder wissen: Wo ist die Einrichtung, wann macht die auf?"

Jörg Richert, KARUNA e.V.

Man kann die Ergebnisse innerhalb der App auch nochmal danach filtern, ob zum Beispiel Hunde erlaubt sind oder ob es in der Einrichtung WLAN gibt. Neben diesen überlebenswichtigen Anlaufstellen findet man auf der Karte aber auch Infos zu kostenlosen Kultur- und Freizeitangeboten. Außerdem zeigt ein gelbes Euro-Zeichen den Jugendlichen auf der Straße an, wo sie Geld verdienen können – beispielsweise bei einer Obdachlosenzeitung. Insgesamt sind bei MOKLI - dessen Name übrigens vom Ausreißer Mowgli aus dem Dschungelbuch ableitet - rund 3000 Hilfsangebote in ganz Deutschland aufgelistet. Zusätzlich gibt es noch einen WhatsApp-Notdienst, der in einer Akutsituation hilft, wie Jörg Richert berichtet:

"Ich hatte erst vor wenigen Tagen ein Telefonat mit einem 18-Jährigen, der bereits seit zwei Tagen in Aachen auf der Straße gelebt hat. Der hatte kein Guthaben mehr auf dem Handy und konnte deswegen niemanden mehr erreichen. Über W-LAN am Bahnhof konnte er dann Kontakt zu uns aufnehmen, ich konnte ihn zurückrufen und ihn dann tatsächlich eine Inobhutnahme in Aachen in einer Familie organisieren, wo er erstmal bleiben konnte."

Jörg Richert, KARUNA e.V.

Finanziert wurde die Homepage aus Preisgeldern des Google Impact Challenge. Mit diesem Wettbewerb fördert Google digitale Projekte von NGOs. Um die Hilfefinder-App bekannt zu machen, startet in den nächsten Wochen übrigens eine großangelegte Werbeaktion, für die die Straßenkinder des MOMO extra einen Werbespot gedreht haben:

Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele Menschen und insbesondere Minderjährige in Deutschland kein Dach über dem Kopf haben. Nach Schätzungen des KARUNA e.V. leben in Deutschland aber rund 21.000 Kinder und Jugendliche unter 21 Jahren auf der Straße. Hinzu kommen noch mehrere Tausend minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die ebenfalls obdachlos sind. Die MOKLI-App gibt es deswegen nicht nur auf Deutsch, sondern zusätzlich auch auf Englisch, Arabisch und Polnisch.