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Ruhmeshalle Coldplay - Parachutes

Coldplay. Heute steht dieser Name für den perfekten Sound, eine bombastische Pop-Inszenierung, die sich millionenfach verkauft. Dabei klang die Band eigentlich nie schöner als zu ihren Anfängen. Nie schöner und nie trauriger.

Von: Felicia Reinstädt

Stand: 15.12.2011 | Archiv

Die Band Coldplay | Bild: EMI Music

Das neue Jahrtausend beginnt ziemlich unspektakulär. Die Welt ist nicht untergangen, dafür läuft im Fernsehen jetzt Big Brother. Ich gehe in die 12. Klasse, mache meinen Führerschein und verbringe den Großteil meiner Zeit damit, mit meiner besten Freundin sinnlos durch die Gegend zu fahren. Dabei hören wir unendlich traurige Musik. Coldplay werden auf unseren nächtelangen Autofahrten zu unseren einzigen Weggefährten. Immer und immer wieder verlieren wir uns mit Chris Martin in unserem Weltschmerz. Immerhin singt da einer – gerade ein paar Jahre älter als wir – in einer todtraurigen Stimmlage irgendetwas von einer "beautiful world". Wir lernen: So klingt wahre Melancholie.

Ein Durchatmen in der Musikgeschichte

Albumcover "Parachutes" von Coldplay | Bild: EMI

Coldplay - Parachutes (Cover)

Als Coldplay mit ihrem Debüt "Parachutes" auf der internationale Musikbühne erscheinen, füllen sie genau die Lücke, die sich im Jahr 2000 im Indierock auftut: Britpop ist tot, Oasis haben ihren Zenit überschritten, Bands wie Radiohead und Blur haben sich schon längst einem anderen, experimentelleren Sound zugewandt und das nächste Rock’n’Roll Revival aus den USA lässt auch noch ein gutes Jahr auf sich warten. In diesen Zwischenraum treten nun vier unscheinbare Jungs aus London und machen Musik, die so echt, so emotional und so unverstellt daherkommt, dass sie eben nur in dieser Ruhephase, in diesem kurzen Moment des Durchatmens vor dem nächsten großen Ding funktionieren kann. Sänger Chris Martin ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht der omnipräsente Gut-Mensch, den wir heute kennen.

Die Musik seiner Band ist noch nicht dieser vielschichtige und bis ins Detail perfektionierte Bombast-Pop. Auf "Parachutes" sind die Songs greifbar, die Melodien einfach und direkt. Kein Schnörkel, kein Pathos, keine aufgesetzte Coolness. Hier trägt wirklich einer sein Herz auf der Zunge und seine Gefühle in die Welt hinaus.

Die perfekte Moment der Melancholie

"Yellow" wird im Sommer 2000 zu meiner Hymne, stellvertretend für eine Zeit, in der die Welt für einen Augenblick still steht und der Dinge harrte, die auf sie zukommen. 2001 bricht dann wirklich das neue Jahrtausend krachend über uns herein. Weltpolitisch, musikalisch und auch für mich beginnt an der Uni ein neuer Lebensabschnitt. Nach Parachutes verschwinden die leisen Töne von der Musikoberfläche. Coldplay werden zu den Göttern ihrer eigenen Inszenierung. Ihre Sounds zur großen Stadionrockpose, an der es kein Vorbeikommen mehr gibt. An dieser Stelle habe ich Coldplay verloren. Aber ich liebe diese Band weiterhin für ihre leisen Anfangstöne, für das Unmittelbare, das Dazwischen, für den Moment der perfekten Melancholie, den man nur einmal alle zehn Jahre erleben darf.


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