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Ruhmeshalle Blur - The Great Escape

Dass die britische Band Blur weitaus mehr geleistet hat, als "Song 2", wird leider zunehmend vergessen. Höchste Zeit also, ihrem vielleicht besten Album "The Great Escape" zu huldigen.

Stand: 23.03.2013 | Archiv

Blur | Bild: EMI

1995 herrscht Krieg in Cool Britannia. Zwei Parteien kämpfen um die Macht. Das Volk ist gespalten. Wem soll es folgen? Wessen Lieder soll es singen? Die feingeistigen Sozialanalysen Blurs oder die Stadionchoräle von Oasis? Das Volk soll abstimmen, denn beide Bands werden zeitgleich Singles veröffentlichen. Wer wird Nr.1 in den Charts, wer darf sich auf den Thron des Britpop setzen?

Die Kontrahenten schenken sich nichts. Noel Gallagher wünscht Blur sogar AIDS an den Hals. Die britische Plattenindustrie profitiert von den Schlagzeilen und verbucht die höchsten Absatzzahlen seit zehn Jahren. Die BBC berichtet über den "Battle Of Britpop" sogar in ihren Abendnachrichten. Paare zerbrechen an der Gretchenfrage, ob sie Blur oder Oasis die Stange halten sollen. Am 25. August ist das Rennen entschieden: Blurs "Country House" schlägt Oasis' "Roll With It" um mehr als eine Nasenlänge. 1:0 für die Kunstrocker aus Essex.

Eine der perfektesten Platten der 90er Jahre

Albumcover "The Great Escape" von Blur | Bild: EMI

Blur - The Great Escape (Cover)

Letzten Endes muss sich die Band um Teenieschwarm Damon Albarn aber den Erzfeinden aus Manchester geschlagen geben. Denn die Verkaufszahlen der Alben zu den Singles könnten kaum weiter auseinander klaffen: Während Oasis mit "(What's The Story) Morning Glory?" zu Multimillionären werden, kann Blurs "The Great Escape" nicht an den Erfolg seines Vorgängers "Parklife" anknüpfen. Die gedemütigte Band distanziert sich von ihrem Werk und die Welt übersieht eine der perfektesten Platten der 90er. Niemand bekommt so recht mit, dass Blur soeben mit "Yuko + Hiro" eines der realistischsten Liebeslieder überhaupt geschrieben und mit "The Universal" die Millenniumsangst auf den Punkt gebracht haben.

Facetten-Pop

Von der Kritik wird "The Great Escape" aufs Törichste unterschätzt. Doch nach dem großen Hype ist es eben auch angesagt, Blur zu ignorieren. Dabei macht es das Album einem so leicht, es zu lieben. Oder ist "Best Days" etwa nicht der ehrlichste Gegenentwurf zur verblendeten New-Labour-Euphorie? Ist "Charmless Man" etwa nicht der beste Kinks-Song seit 25 Jahren? Wann hat es denn zuletzt ein Album gegeben, das alle Facetten des Pop so souverän, so glorios abdeckt?

Aber die Zeit meint es gut mit Blur: Oasis verlieren sich in ihrem eigenen Größenwahn und geraten Ende der 90er in eine enge künstlerische Sackgasse. Damon Albarn hingegen gilt heute als eines der größten Musikgenies seiner Generation und Blur sind als Popinnovatoren par excellence in die Geschichte eingegangen. Ihre Rache kam spät, doch sie war gerecht.


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