Tracks der Woche #04/17 Her, Tennis, Grämsn, Bonobo feat. Nick Murphy, Claire

Nur fünf Minuten, Zeit zu zweit, beendete Elternzeit, Zeit für einen neuen Namen und ein Album im Zeichen der Gezeiten – alles eine Frage der Zeit bei den Tracks der Woche.

Von: Sophie Kernbichl

Stand: 20.01.2017 | Archiv

Her, Tennis, Grämsn, Bonobo feat. Nick Murphy, Claire | Bild: RCA; Ninja Tune; Konstantin Gramalla; roughtrade; BR

Her – Five Minutes

"The Woman does not exist, though there are women. No one woman may stand for The Woman". Mit diesen tiefgründigen Worten beginnt das Video zu “Five Minutes”, das im Anschluss eine junge Frau in verschiedenen Rollen zeigt. Hinter dem Track stecken die beiden Newcomer Victor Solf und Simon Carpentier, die gerne mal feministische Statements in ihre Songs einbauen und sich deshalb Her nennen. Soundtechnisch verortet sich Her irgendwo zwischen Elektro und R’n’B-Pop. Ihr Track "Five Minutes" hat einen unaufhaltsamen Drive. Der Bass und das kantige Fingerschnipsen gleich zu Beginn erinnert an die ähnliche Soundsequenz in David Lynchs Kultserie "Twin Peaks". In der Serie war die Musik immer ein Zeichen für einen besonders mysteriösen oder verruchten Moment. Und auf Geheimnisse stehen Her definitiv auch: So wird bis zum Schluss von "Five Minutes" nicht aufgeklärt, wofür genau die beiden französischen Musiker denn jetzt nur fünf Minuten brauchen.

Tennis – In The Morning I’ll Be Better

In der Indie-Szene gibt es einige Beispiele für Pärchen, die zusammen in einer Band sind oder waren: The White Stripes, Arcade Fire oder Sonic Youth – gut, in den meisten Fällen ist die Beziehung nicht für immer gewesen. Die Band Tennis bekommt aber beides hin: Verheiratet sein und zusammen Musik machen. Alaina Moore und Patrick Riley aus Denver haben sich beim Philosophie-Studium kennengelernt und sind dann acht Monate lang zusammen segeln gegangen. 2011 haben Tennis dann ihr von der Segeltour inspiriertes Debütalbum "Cape Dory" veröffentlicht. Die traute Harmonie des Duos schwingt auch in ihrem aktuellen Song "In The Morning I’ll Be Better" mit: Da überschlägt sich das Schlagzeug fast vor Freude, bevor Alaina im weichgezeichneten ABBA-Look "I’ll be your woman" in die Kamera schmachtet. Klingt nach früher, als noch alles besser war. So ein bisschen heile Welt schadet ja nicht. Besonders, wenn sie mit so schönen Gitarrenriffs verziert ist.

Grämsn – Mass Appeal

“Der von Doppel D” – aber nicht der, sondern der andere. Noch mal von vorne: Grämsn, seines Zeichens äußert herzeigbarer Mundart-Rapper, Teil von Doppel D und Provinzliebhaber, hat 2014 sein Album "84/14" rausgehauen und damit ziemlich viel Staub in den bayerischen Hip-Hop-Gefilden aufgewirbelt. Dann wurde es aber wieder etwas ruhiger um den MC, denn Grämsn ist Vater geworden. Für mehr als ein paar Gastauftritte wie im sehr nicen Bavarian-Squad-Video von Liquid&Maniac war da einfach keine Zeit. Jetzt hat er sich aber wieder hinters Mic geklemmt. Auf seiner neuen EP "Die Essenz" sind sechs Tracks zu finden, darunter auch "Mass Appeal". Zusammen mit MIQ rappt Grämsn auf dem entschleunigten Beat von Gang Starrs gleichnamigem Original darüber, wie sie ihre Anhängerschaft vergrößern wollen: mit viel Style und was fürs Hirn. Und um die frohe Botschaft unters Volk zu bringen, supportet Grämsn BBou auf seiner "Idylle"-Tour quer durch Bayern.

Bonobo feat. Nick Murphy – No Reason

Schon okay, dass Chet Faker jetzt lieber unter seinem bürgerlichen Namen Nick Murphy Musik macht – diese Stimme würden wir jederzeit unter tausenden erkennen. Obwohl der australische Soul-Sänger gerade mit Namenserklärungen und neuem Album gut beschäftigt ist, konnte Downtempo-Komponist Bonobo ihn für ein Feature gewinnen. Viel Überredungskunst hat es wohl nicht gebraucht, schließlich ist Bonobo für so großartige Soundlandschaften wie "Kiara" verantwortlich und seit Jahren sehr erfolgreich im Geschäft. Außerdem serviert Bonobo-Sänger Nick Murphy mit "No Reason" eine Steilvorlage: Der entspannt-atmosphärische Sound schwirrt im Raum umher, mal etwas stärker im Vordergrund, meist aber zu Gunsten des Gesangs eher zurückhaltend. Mit "No Reason" liefert Bonobo ironischerweise einen guten Grund, sich auf das neue Werk "Migration" zu freuen, denn der Engländer bleibt seinem Sound auch auf seinem siebten Album treu.

Claire – End Up Here

Dass Sängerin Josie-Claire Bürkle mal bei "The Voice Of Germany" mitgemacht hat, nehmen wir zur Kenntnis, vergessen es aber auch ganz schnell wieder. Deutlich interessanter ist nämlich, was danach kam: das fünfköpfige Bandprojekt Claire. Mit ihrer ersten EP "Games" konnte die neu formierte Elektro-Pop-Band aus München mit Universal gleich mal ein Majorlabel für sich gewinnen. Kurz darauf gab es das Debütalbum "The Great Escape" und einen Auftritt auf dem Melt!-Festival. Damit wäre die Frage, wie Claire dahin gekommen sind, wo sie jetzt sind – nämlich kurz vor der Veröffentlichung des zweiten Albums "Tides" – eigentlich geklärt. Trotzdem fragt sich Claire im Refrain ihrer neuen Single "How did we end up here?" Getrieben von dieser Frage, den rauschenden Beats und Josie-Claires heiserer Stimme wird "End Up Here" zu einem fließenden Indie-Pop-Song, der die eine oder andere Überraschung im Gepäck hat.