45

Twitter-Sperre und Dauerbeef Ihr versteht Azealia Banks nicht

Azealia Banks ist eine großartige Rapperin, aber ihre dauernden Pöbeleien stellen ihr Talent in den Hintergrund. Unser Autor sieht in ihr nicht die Rap-Bratze aus den Schlagzeilen, sondern den Beweis für eine kranke Musikwelt.

Von: David Würtemberger

Stand: 30.05.2016 | Archiv

Die New Yorker Rapperin Azealia Banks | Bild: Brooke Nipar/ Universal

Damit wir uns gleich richtig verstehen: Azealia Banks ist eine kreative, immens innovative, ganz einfach: eine verdammt gute Rapperin. Ihre Instrumentals ballern von House bis Trap alles durch und sie reitet mit wahnwitzigem Flow darüber. Ach, und singen kann sie auch noch. Azealia Banks gibt keinen Fick auf Genregrenzen – sie dampft sie einfach ein.

Absolutes Queen-Potential also. Aber Azealia Banks hat ein Problem: Sie sagt, was sie denkt. Immer und alles. Was per se womöglich eine gute Eigenschaft ist, wird auf Twitter zum Karrierekiller. Da hatte sie nicht nur Beef mit der britischen Sängerin Lily Allen...

"She’s just mad cause sucking her husbands dick is like playing thumb wars."

Azealia Banks auf Twitter

... auch Sarah Palin hat sie aufs Härteste beleidigt:

"Honestly... Let's find the biggest burliest blackest negroes and let them run a train on her. Film it and put it on worldstar."

Azealia Banks auf Twitter

Der Gruppenvergewaltigungs-Tweet über Sarah Palin war natürlich absolut daneben, ekelhaft und dumm. Azealia Banks' Twitter-Account ist ein einziger, nicht enden wollender Bewusstseinsstrom - genauer gesagt war.

Wir geilen uns an Schlagzeilen über eine hysterische Jungrapperin auf

Ihre Tirade an Ex-One Direction-Sänger Zayn Malik war nämlich selbst für die liberale Twitter-Welt zu viel - seitdem ist ihr Account gesperrt. Über Zayn Malik hatte sie unter anderem geschrieben:

"@zaynmalik lol u a bitch nigga for even responding like that. Keep sucking this yung rapunxel dick u hairy curry scented bitch."

Azealia Banks auf Twitter

Rassistisch, homophob und ganz einfach dumm. So wird Azealia Banks wegen ihrem endlosen Twitter-Rage dargestellt. So kann man sie auch sehr, sehr leicht verstehen – und darum geilen wir uns an Schlagzeilen über eine hysterische Jungrapperin auf, sind genervt von ihr und ihrer scheinbar unstillbaren Wut.

Ich werde traurig, wenn ich ihre Tweets lese

Ganz klar, ihre Ausbrüche und Twitter-Meltdowns sind unerträglich. Aber gerade deswegen werde ich traurig, wenn ich Azealia Banks' Tweets lese. Weil ich glaube, so viel Schmerz zu spüren. Weil ich glaube, dass niemand verstehen kann, wie es ist, eine schwarze Frau im Musikbusiness zu sein. Wie es ist, wenn einem Rapper öffentlich Morddrohungen schicken und sich darüber niemand echauffiert. Wie es ist, wenn einen die Männer in der Plattenindustrie erst hochjubeln und dann verhungern lassen, um Massenware zu pushen. Wie es ist, wenn man von seiner Mutter jahrelang misshandelt wird. Wie es ist, wenn man ununterbrochen dafür kämpfen muss, man selbst sein zu können. Azealia Banks weiß, wie das alles ist.

Für mich ist Azealia Banks' Twitter-Feed das Ergebnis einer rassistischen Musikindustrie und empörungsgeilen Medienwelt – und nicht, wie viele behaupten, das hysterische Geschrei einer unterfickten Rapgöre. Sie legt offen, was Sexismus und Rassismus mit Menschen machen können, während andere es einfach ertragen und schweigen. Azealia Banks ist der krude Finger in einer Eiterwunde, von der niemand sprechen will. Es ist eben so viel einfacher, sich vor dem Symptom zu ekeln, als die Ursache zu behandeln.


45