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10:38 Uhr Why Brockhoff

Präsidentenwahl in Frankreich Wie französische Rapper über Macron vs. Le Pen denken

Emmanuel Macron ist der neue französische Präsident. Der Wahlkampf hat vorher das ganze Land beschäftigt. Auch die HipHop-Szene hat eine Meinung zu den Kandidaten - allerdings nicht so, wie man es eigentlich erwarten würde.

Von: Falk Schacht

Stand: 05.05.2017 | Archiv

Album Cover | Bild: Def Jam

Das Duell des sozialliberalen Emmanuel Macron gegen die rechts-nationale Marine Le Pen dominierte die Schlagzeilen. Weit über die Grenzen Europas hinaus wurde der Wahlkampf aufmerksam verfolgt. Die meisten drückten dabei Macron die Daumen, selbst Barack Obama hat sich mit einem Statement für den ehemaligen Wirtschaftsminister zu Wort gemeldet. Erfolgreich - am Sonntagabend wurde Emmanuel Macron zum neuen französischen Präsidenten gewählt.

Die Stille der Jungen

Auch hier in Deutschland hatten die meisten eine Meinung zum Wahlkampf – die französische HipHop-Szene, die ja oftmals diejenigen repräsentiert, die besonders unter den sozialen Spannungen zu leiden haben, schweigt größtenteils. Die Anzahl der relevanten und bekannten Rapper, die sich zur Wahl äußern, ist gering. Die vielzitierte Hoffnungslosigkeit der Jugend scheint sich in der Stille der jungen Rapper widerzuspiegeln. Sie sind so weit abgehängt in der Gesellschaft, dass ihnen die Wahl egal zu sein scheint.

Ausnahmen findet man nur bei den Rappern um die 30 und aufwärts. Zwar sind auch die frustriert und fühlen sich nicht repräsentiert. Doch bei den Älteren herrscht noch das Bewusstsein, dass man gegen die Probleme noch ankämpfen kann. Vielleicht sind sie auch weitsichtiger als ihre jungen Kollegen. Als Niro zum Beispiel erfahren hatte, dass es Le Pen in die Stichwahl geschafft hat, postete er ein Foto, in dem Le Pen mit "du weißt schon wer" verglichen wird. Dazu das Hashtag "Es lebe die Arsch-publik". Das mag man destruktiv finden – aber es ist zumindest ein klares Statement gegen Le Pen.

Mit seinem Frust ist Niro nicht allein. Joey Starr, früheres Mitglied der berüchtigten Band NTM, ist ebenfalls angeekelt vom Zustand der Politik. Letztes Jahr erklärte er, dass François Hollande "die Demokratie in die Scheiße geritten hat" und gestand, seit 2012 nicht mehr gewählt zu haben.

Soprano spricht zum Beispiel von einer "katastrophalen Kampagne", in der rassistische Vorurteile geschürt würden und dadurch die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben würde. Der 38-Jährige denkt zu wissen, warum die jungen Rapper und die Generation, die sie repräsentieren, so desinteressiert an der Wahl sind: "Die jungen Menschen haben kein Vertrauen mehr in die Politik.  Und es sind nicht nur sie. Mir geht das genauso." Das ist für den Rapper aber kein Grund, nicht weiter zu kämpfen oder etwa nicht wählen zu gehen: "Wir dürfen uns das nicht entgehen lassen. Es ist sehr wichtig, zu wählen und unser Recht als Staatsbürger wahrzunehmen."

Für viele Rapper ist Humor ein Ausweg geworden – sie stellen sich einfach selbst zur Wahl auf. Booba, einer der erfolgreichsten Rapper Frankreichs, hatte zum Beispiel im Januar scherzhaft seine eigene Kandidatur ausgerufen. Sein Slogan: "Es braucht einen Mann der Worte".

Le Pen ist schlecht – wählen gehen auch?

Ex-NTM-Mitglied Kool Shen stellt sich wenigstens auf eine Seite: gegen Marine Le Pen. "Wie kann man denken, dass Marine Le Pen eine Lösung darstellt? Ich bitte die Leute darüber nachzudenken. Wie können wir uns nur vorstellen, dass sie wirklich die Arbeiterklasse retten würde?" Genau so sieht es Lacrim, der offen dazu aufrief, gegen Le Pen zu stimmen. Kaaris hatte sich zuerst gegen François Fillon und anschließend auch gegen Marine Le Pen ausgesprochen. Während der ersten TV-Debatte der Kandidaten hat seine kleine Tochter zu weinen angefangen, als Marine Le Pen zu sprechen begonnen hat. Davon postete er ein Video mit der Unterschrift: "Als die Hexe zu reden begann, fing das Baby an zu heulen".

Pest vs. Cholera

Auch wenn nicht alle Rapper öffentlich ihre Meinung zur Wahl kundtun, kann man davon ausgehen, dass die allermeisten gegen Marine Le Pen sind. Allein schon wegen ihrer rassistischen Aussagen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie sich für Macron begeistern können. Für die meisten stellt sich das Ganze als eine Wahl zwischen Pest und Cholera dar.

Und diese Haltung ist nicht überraschend: Die gesellschaftlichen Schichten, die von den Rappern repräsentiert werden, fühlen sich abgehängt und sind frustriert. Sie sehen keinen Sinn darin, zur Wahl zu gehen oder sich auch nur damit zu beschäftigen. Das Ergebnis ist die weitestgehende Ignoranz. Mehr als ein paar sarkastische und scherzhafte Kommentare scheinen bei den meisten nicht möglich zu sein.

Umfragen haben ergeben, dass unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Meinung vorherrscht, dass beide Kandidaten nichts für sie tun werden. Und dass es in Sachen Rassismus selbst dann nicht schlimmer werden kann, wenn Le Pen gewinnt.

"Türöffner für den Faschismus"

Bei dieser Gleichgültigkeit melden sich aber Rapper wie Akhenaton und Shurik'n von der Band IAM zu Wort und widersprechen. Beide haben sich in der aktuellen Kampagne bei keinem der Kandidaten wiederfinden können. Aber sie haben die Befürchtung, dass die Gesellschaft sich immer weiter fragmentiert und die Mittelklasse auseinander fällt. Sollte das passieren, wäre es für die beiden der "Türöffner für den Faschismus". Akhenaton erklärte: "Ein Stimme für den Front National ist keine Proteststimme mehr. Die Wähler wissen ganz genau, wen sie da wählen. Die meisten extremrechten Parteien haben ihre Macht über die Wahlurne erlangt. Und wenn der Front National gewinnt, wird die Demokratie in Frankreich nur noch drei Monate halten".

Sendung: Plattenbau vom 04.05.2017 ab 19 Uhr