Ladies and Gentlemen: We Are Floating in Space Warum Sci-Fi gerade der heiße Scheiß im Pop ist

Die neuen Alben von Japanese Breakfast, King Gizzard & The Lizard Wizard und Shabazz Palaces haben eins gemeinsam: Sie spielen alle in einer Science-Fiction-Welt. Warum fliegen Bands gerade so derbe auf Roboter und Dystopien?

Von: Matthias Scherer

Stand: 13.07.2017 | Archiv

Disc im Weltall | Bild: BR

Ein Science-Fiction-Musical über eine Frau, die sich für das Mars One Projekt anmeldet. Das war das ursprüngliche Konzept für das zweite Album von Japanese Breakfast, dem Soloprojekt von Michelle Zauner. Ihre erste Platte "PSYCHOPOMP" war eine Sammlung von hyper-persönlichen Shoegaze-Balladen, in denen Zauner den Tod ihrer Mutter verarbeitet hat. Auf dem Nachfolgealbum wollte Zauner eigentlich eine andere Geschichte erzählen. Letztendlich ist "Soft Sounds From Another Planet" nicht zu 100 Prozent das angekündigte Science-Fiction-Musical geworden - dafür hatte Zauner immer noch zu sehr mit ihrem Verlust zu kämpfen. Aber die Songs vermitteln trotzdem einen befremdlichen, spacigen Vibe. Und klingen wunderschön.

Einsamkeit kann sich manchmal so anfühlen, als würde man im Weltall umherschweben - alles scheint unendlich weit weg zu sein, Geräusche nimmt man nicht mehr wahr, man fühlt sich gleichzeitig schwerelos und 100 Tonnen schwer.

Dieses Gefühl hat Zauner einfangen wollen und sich deswegen bei der Ästhetik und den Metaphern der Sci-Fi-Tradition bedient. So wie das auch die australische Band King Gizzard & The Lizard Wizard auf ihrem neuen Album "Murder of the Universe" tun.

"Murder of the Universe" ist eine surreale, rasend schnell runtergeknüppelte Rockoper, die die Geschichte vom Ende der Welt erzählt. Die Apokalypse wird hier aber nicht durch einen Atomkrieg herbeigeführt, sondern durch künstliche Intelligenz: Ein Cyborg versucht um jeden Preis, Mensch zu werden und ertränkt am Ende die ganze Welt in Kotze. Richtig gehört: Kotze.

"I fill the void Exploding suns vomit comets Comets vomit acid rain Spilt milk over the milky way"

- Murder of the Universe, King Gizzard & the Lizard Wizard

Bei King Gizzard haben die Science-Fiction-Elemente etwas trashiges: Die Story klingt nach einem B-Movie aus den 80ern, die Musik ist eine Liebeserklärung an - und gleichzeitig eine Persiflage auf - die epischen und oft wirren Konzeptalben von Psychedelic-Rock- und Metalbands wie Blue Öyster Cult. Die Shabazz Palaces aus Seattle wiederum gehen da etwas traditionsbewusster vor.

Ihr Sound orientiert sich stark am Afro-Futurismus von Jazz-Legende Sun Ra und dem Weltraum-Funk von George Clinton. Auf ihren neuen Songs geht es darum, wie es sich anfühlt, als schwarzer Mann auf der Erde zu leben. Sänger Ishmael Butlers Antwort: wie ein Alien.

Viele Musiker haben schon Science Fiction gefeiert: David Bowie zum Beispiel oder Janelle Monáe, die demnächst in einer Fernsehserie mitspielt, die auf dem Werk von Philip K. Dick basiert - dem Autoren, der auch die Vorlagen für Klassiker wie "Blade Runner" und "Minority Report" geschrieben hat. Was alle diese so verschiedenen Bands vereint, ist eine Erkenntnis: Die Zeiten, in denen wir leben, sind so bizarr, dass man, um sie zu erklären, zu bizarren Metaphern greifen muss. Und das gilt 2017 mehr als je zuvor.

Sendung: Plattenbau vom 13.07.2017 ab 19 Uhr