Lektüreschlüssel: POP (Sommer-Edition) "We're going to Ibiza" von Vengaboys als Gedichtanalyse

Ist "We’re Going To Ibiza" DIE Bunga-Bunga-Hymne der 90er oder vielleicht doch der Seelen-Striptease einer jungen, zerbrechlichen Seele? Unsere neue Rubrik für Lyrik-Luden, "Lektüreschlüssel: POP", nimmt sich der Sache an!

Von: Niklas Fazler, Stefan Sommer

Stand: 25.07.2017 | Archiv

Vengaboys | Bild: BR

Im Gedicht "We're going to Ibiza" der Vengaboys aus dem Jahre 1999 besingt ein lyrisches Ich seine stürmische, nicht zu bremsende Aufbruchsstimmung, das Hinausdrängen junger Menschen in das Leben. Die Protagonistin steht stellvertretend für den Geist einer ganzen Generation: Mach dich auf in die weite Welt, auf die Suche nach dir selbst und dem Sinn des Lebens.

Raus aus der Ödnis

Der Aufbruch ins Ungewisse dringt diesem schwülstigen Poem aus allen Poren.
Eine Zukunftsangst, die alle Heranwachsenden in ihren drängenden Teenager-Jahren begleitet, tritt hier gleich zu Beginn des Gedichtes zutage: Das lyrische Ich will sein Leben jetzt selbst in die Hand nehmen und hat einen folgenschweren Entschluss gefasst:

"I don't wanna be a busdriver all my life"

Vengaboys

Wer kennt sie nicht, die Angst, auf ewig in der Provinz zu versauern? In seinem Beruf festzustecken und nicht vom Fleck zu kommen? Nein, das lyrische Ich sagt dieser desillusionierenden Ödnis gleich in den drauffolgenden Zeilen den Kampf an und begibt sich auf Wanderschaft:

"I´m gonna pack my bags and leave this town"

Vengaboys

Realitätsflucht endet in Ekstase

Wie eine hitzige Schiller-Figur folgt das lyrische Ich dem klassischen Sturm-und-Drang-Mantra: Es ist jung, es ist wild und es gibt nur einen Platz auf der Welt, um diese junge Wildheit voll und ganz auszuleben: IBIZA!

Der existentielle Umbruch bündelt sich dann in einem für diese Literatur-Epoche so typischen Exzess: Die Schule hinter sich, mehrere Studienanläufe und rotweindurchtränkte WG-Küchennächte vor sich, schreit das lyrische Ich in Post-Abi-Stimmung sich kathartisch in das Hier und Jetzt:

"Whoah! We're going to Ibiza. Whoah! Back to the island. Whoah! We're gonna have a party!"

Vengaboys

Diese Realitätsflucht zementiert sich in der vollkommenen Ekstase, wenn die Zeilen der zweiten Strophe in Stilmitteln des Dadaismus getränkt werden. Ein Ausbruch als euphorischer Freudengesang:

"Ioh, Ioh, Oh we Oh, Oh We Oh"

Vengaboys

Ballermann-Schlager? Von Wegen!

Die Literaturwissenschaft hat das Werk "We're Going To Ibiza" als Ballermann-Schlager missverstanden. Wie blauäugig, wie ignorant! Das Lied der Vengaboys ist ein typischer Vertreter der späten Sturm- und Drang-Periode der aufbrechenden Techno-Szene auf Ibiza. Es ist die Hymne einer paradiesischen Insel und markiert die Reise vom Ende der unbeschwerten Jugend zum Beginn des Ernstes des Lebens: Fly away on Venga Airways!

Sendung: Filter, 25.07.2017 - ab 15 Uhr