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dpa "Härtefälle bei Rundfunkbeitrag prüfen"

Eine Wohnung, ein Rundfunkbeitrag: Seit 1. Januar ist die Bezahlung für ARD und ZDF umgestellt. Es kommt nicht mehr darauf an, wie viele Radios oder Fernseher oder Computer man hat. Einfacher wird die Zukunft für die Sender dadurch nicht.

Stand: 21.01.2013

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, will Härtefälle bei der neuen Rundfunkbeitrag prüfen lassen. «Das können etwa Fälle von Betrieben mit einer großen Zahl von Filialen und Fahrzeugen sein», sagte Wilhelm in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Die Kritik am Kauf teurer Sportrechte durch ARD und ZDF wies er zurück. Wegen steigender Kosten seien die öffentlich-rechtlichen Sender aber zu einem strikten Sparkurs gezwungen und müssten sich «noch stärker um effizientere Strukturen bemühen», betonte der 51-Jährige. 

Herr Wilhelm, war die Umstellung von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den Wohnungsbeitrag wirklich notwendig?
Wilhelm: «Die technische Entwicklung hat die alte Rechtslage überholt, weil Sie heute problemlos mit jedem Computer, Tablet und Smartphone Hörfunk und Fernsehen empfangen können. Wenn nur noch die weniger werdende Zahl der Radio- und Fernsehnutzer die Angebote bezahlt hätte, wäre das alte System immer ungerechter und verfassungsrechtlich angreifbar geworden. Ein weiterer Vorteil der Änderung: Die Kontrollen an der Haustür mit der Überprüfung von Geräten sind künftig überflüssig, weil es nur darauf ankommt, ob eine Wohnung oder Betriebsstätte vorhanden ist.»

Trotzdem ist der Unmut groß. Muss nachgebessert werden?
Wilhelm: «Die Länder haben festgeschrieben, dass die Wirkungen der Reform nach zwei Jahren überprüft werden. Bei jedem Gesetzgebungsprozess einer bestimmten Größenordnung bietet sich auch eine Nachbetrachtung im Detail an. Bei der Analyse der Reformwirkungen werden wir den Gesetzgeber mit allen benötigten Informationen unterstützen.»

Vor allem Unternehmen fühlen sich benachteiligt und klagen, dass sie künftig deutlich mehr bezahlen müssten. 
Wilhelm: «Zunächst ist festzuhalten, dass mehr als 90 Prozent der Menschen das Gleiche oder weniger zahlen. Für mehr als 70 Prozent aller Betriebe fällt lediglich ein Drittelbetrag in Höhe von 5,99 Euro an. So werden viele Betriebe der Gastronomie und des Hotelgewerbes entlastet und nach vorläufigen Berechnungen dürfte die Belastung der Wirtschaft insgesamt sogar sinken. Auf der anderen Seite zeichnet sich eine besondere Betroffenheit in einigen Härtefällen ab, denen wir nachgehen müssen. Das können etwa Fälle von Betrieben mit einer großen Zahl von Filialen und Fahrzeugen sein. Dort müssen wir die Auswirkungen in diesem Jahr sorgfältig analysieren und die Daten dem Gesetzgeber aufbereiten.»

Müssen die Anstalten nicht auch mehr sparen?
Wilhelm: «Aufgrund seit 2009 eingefrorener Etats und allgemein steigender Kosten muss ohnehin kontinuierlich gespart werden. Angesichts dieser Sparzwänge, die in den nächsten Jahren anhalten werden, müssen wir uns noch stärker um effizientere Strukturen bemühen. Dabei dürfen wir den besonderen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Diskurs nicht außer Acht lassen.»

Worin besteht denn dieser Wert?
Wilhelm: «Eine komplexe Gesellschaft braucht fundierte und hochwertige Informationen. Leider nimmt bei wachsender Komplexität der Probleme in Deutschland und Europa die Leistungsfähigkeit vieler Qualitätsmedien seit Jahren ab. Da wäre es doch die völlig falsche Antwort, jetzt zusätzlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Kern zu schwächen. Das würde unser Land teuer bezahlen. Für den öffentlichen Diskurs in der Demokratie und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft brauchen wir eine lebendige und leistungsfähige Medienlandschaft mit unseren hervorragenden Qualitätszeitungen im Zusammenspiel mit Hörfunk und Fernsehen.»

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten zeigen aber nicht nur hochwertige Politik- und Kulturberichterstattung, sondern auch Werbung, teure Sportveranstaltungen und Shows. 
Wilhelm: «Unser Auftrag ist, die breite Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen und zugleich Angebote für anspruchsvolle Minderheiten zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt deutlich gemacht, dass die öffentliche Finanzierung voraussetzt, dass wir vielfältige Angebote für alle Teile der Bevölkerung machen. Unser Publikum erwartet von uns zurecht nicht nur politische Berichterstattung, sondern auch Serien und Unterhaltung. Und Karlsruhe hat im übrigen auch dem Sport eine wichtige Funktion im Rahmen der Grundversorgung beigemessen. Nichtsdestotrotz haben wir die Verpflichtung und den Willen, unser Angebot immer wieder kritisch zu hinterfragen, offen zu sein für Innovationen und Überangebote bei bestimmten Genres oder Formaten abzubauen.»

Könnte man nicht bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) sparen?
Wilhelm: «Erstens: Die Mitarbeiterzahl des Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio wird im Vergleich zur bisherigen GEZ bis Ende 2016 um mindestens 140 Personen auf Dauer gesenkt werden. Auch dies ist ein Ergebnis der Reform. Zweitens: Zur Umstellung der 42 Millionen Beitragskonten werden 250 Mitarbeiter benötigt, die bis 2015 alle wieder abgebaut sind.»

Bleibt es bei den 17,98 Euro pro Haushalt oder wird der Rundfunkbeitrag steigen?
Wilhelm: «Über die Höhe des Rundfunkbeitrags entscheiden die unabhängige KEF und die Parlamente, nicht wir selbst. In der Vergangenheit hat die KEF Kostensteigerungen, etwa bei den Energiepreisen oder Lizenzkosten, als Bedarf anerkannt. Ich bin überzeugt, dass die KEF auch in Zukunft unseren Finanzbedarf sorgfältig prüfen wird.»

dpa-Interview von Sebastian Raabe und Bernward Loheide, 20.01.2013


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