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Statements zu "Der Prediger" Interview mit den Produzenten

Die Produzenten Ernst Ludwig Ganzert (ELG) und Thorsten Neumann (TN) im Interview:

Stand: 08.01.2014

Wie kamen Sie zu dem Stoff?
ELG: Ich hatte vor einiger Zeit in der Presse über einen Mann gelesen, der in einer kleinen evangelischen Gemeinde als Seelsorger tätig war und in seinem früheren Leben einen Mord begangen hatte. Mich hat sofort fasziniert, dass eine Institution wie die Kirche bereit war, Vergebung so weit zu verstehen und jemanden, der sich in diesem Maße schuldig gemacht hat, in aktiver Funktion in ihre Reihen aufzunehmen.
Mein Kollege Thorsten Neumann, der selbst Theologe ist und auch an dem Thema und den medialen Reaktionen interessiert war, hat dann Kontakt mit dem Mann aufgenommen. Wir haben uns zu Gesprächen mit ihm getroffen und er war damit einverstanden, dass wir Elemente seiner Lebensgeschichte frei im Rahmen eines fiktionalen Filmes behandeln. Voraussetzung war, dass er aus Rücksicht auf sein Umfeld selbst als Person im Hintergrund bleiben konnte. Der Film, wie er vorliegt, beinhaltet keine biografischen Details mehr.

Gesellschafter der Produktionsfirma EIKON sind evangelische Landeskirchen und Werke. Hatten Ihre Gremien keine Probleme mit dem Thema?
TN: Ganz am Anfang gab es eine gewisse Skepsis, da der Fall in einigen Presseerzeugnissen in reißerischer Manier dargestellt worden war. Wir haben aber gleich deutlich machen können, dass uns andere, existentielle Fragen von Schuld und Vergebung interessieren und wie spannend sie in einem Film behandelt werden können. Wir sind dann – wie auch bei unseren sonstigen Projekten – inhaltlich zugewandt und mit Neugier von unseren Gesellschaftern unterstützt worden.

Wie haben Sie den Stoff zu einem Drehbuch entwickelt?
ELG: Der Regisseur und Autor Thomas Berger, mit dem ich schon lange einmal zusammenarbeiten wollte, war von dem Stoff genauso fasziniert wie wir. Er hat sehr schnell ein Konzept entwickelt, wie er die realen, teilweise historischen Fakten dramaturgisch so verdichten kann, dass sie eine spannende Erzählung im Heute ergeben. Es war auch seine Idee, die real nicht existierende Figur Remberg, den persönlichen Referenten des Bischofs und eigentliche Hauptfigur des Films, einzuführen. Schon im Exposéstadium ging ich mit dem Stoff zu Bettina Ricklefs beim Bayerischen Rundfunk, sie hat die weitere Entwicklung mit großer Leidenschaft und inhaltlicher Kompetenz begleitet und etwas später, als sie Programmbereichsleiterin geworden war, Claudia Simionescu als Redakteurin mit zum Projekt dazu geholt. Thomas hat eine der besten ersten Drehbuchfassungen abgeliefert, die ich je gelesen habe, sie hat auch die Redaktion beeindruckt.

Spielte der Background der EIKON bei der Stoffentwicklung eine Rolle?
TN: Ich habe Thomas Berger angeboten, ihn bei der Recherche zu unterstützen und für Fragen zur Verfügung zu stehen. Ich bin aus langjähriger beruflicher Erfahrung mit der evangelischen Kirche und ihren theologischen Grundlagen vertraut, kenne Abläufe, Mechanismen, auch Ängste innerhalb der Institution. Das hat sicherlich geholfen, dem Stoff seine Authentizität zu geben. Und inhaltlich beschäftigen wir uns in vielen Produktionen mit den Themen Schuld und Vergebung, auch wenn die Begriffe vielen antiquiert erscheinen: die zwischenmenschlichen Mechanismen gelten nach wie vor. Der Film treibt das Thema auf die Spitze: Ist Vergebung, ist ein Neuanfang möglich, wenn ein nicht wiedergutzumachendes Verbrechen geschehen ist?

ELG: In einem späteren Entwicklungsstadium hat uns auch Prof. Johanna Haberer fachlich unterstützt, die an der Universität Erlangen den Lehrstuhl für christliche Publizistik leitet. Auch das hat unserem Projekt sehr geholfen.

Der Film verfügt über einen außerordentlichen Cast, nicht nur die beiden Hauptrollen sind hochkarätig besetzt, auch in allen Nebenrollen spielen herausragende Schauspieler. Wie ist es dazu gekommen?
ELG: Gemeinsam mit unserer wunderbaren Casterin Anja Dihrberg hatten Thomas und ich, nachdem unsere beiden Wunschkandidaten für Remberg und Geissler, Devid Striesow und Lars Eidinger, an Bord waren, keine wirkliche Mühe mehr, uns auf den weiteren Cast zu verständigen. Die meisten der angefragten Schauspieler haben sofort zugesagt, nachdem sie das Drehbuch gelesen hatten. Dessen Qualität und das starke Thema des Films waren überzeugend genug.

Was ist das Besondere des Films?
ELG: Seine ungewöhnlichen, berührenden, aber auch nachdenklich machenden Figuren. Ich liebe unser „Quartett“ Striesow, Eidinger, Götz Schubert und Erwin Steinhauer, die – in der Geschichte allesamt Theologen oder im Falle von Lars mit dem Wunsch es zu werden – Glauben, Religion, Moral und ethische Fragen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Aber auch Alexander Held als undurchschaubarer Anwalt, Gerhard Liebmann und Caroline Ebner als Eltern des Opfers oder Bernhard Schütz als Vater der Predigers geben dem Film eine besondere Farbe und Dimension, die ich so noch nicht gesehen habe.

Und welche Bedeutung hat der Film für Sie persönlich?
TN: Die aktuelle Diskussion um die moderne Hirnforschung, die menschlichen Grundlagen der Genetik und Epigenetik, stellt für mich wichtige gesellschaftliche Fragen: Sind wir nur das Produkt unserer Anlagen und unserer Biografie? Können wir vielleicht nicht aus unserer Haut? Gibt es überhaupt so etwas wie den freien Willen? Ich bin davon überzeugt, dass das wesentliche Fundament einer funktionierenden Gemeinschaft die Möglichkeit zur Umkehr ist. Auf diese Fragen gibt diese Geschichte eine eindrucksvolle Antwort. Durch Vergebung wird zwar nicht alles automatisch besser. Aber wo Einsicht in ein falsches Verhalten stattfindet, Theologen nennen das Reue, kann ein glaubwürdiger Neuanfang geschehen.

ELG: Es war eine der intensivsten meiner bisherigen Arbeiten als Produzent. Von der Entwicklung bis zu den Dreharbeiten waren sich alle Beteiligten bewusst, an einem ungewöhnlichen Projekt mitzuarbeiten. Die Zusammenarbeit nicht nur mit Thomas Berger, Devid Striesow, den ich schon aus unserem Film "So glücklich war ich noch nie" kannte, und Lars Eidinger, der mich menschlich wie professionell enorm beeindruckt hat, auch mit den anderen Schauspielern, dem ganzen Team und allen Abteilungen beim Bayerischen Rundfunk war von einer besonderen Atmosphäre geprägt, die ich nicht vergessen werde. In der Postproduktion hat uns Annette Focks dann noch mit einer Musik beschenkt, die mich bei jedem Hören von Neuem umhaut. Ich bin einfach rundum glücklich mit dem Film und jetzt naturgemäß gespannt, was die Zuschauer und am Ende unsere Gesellschafter zu ihm sagen werden.


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