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Der Fall Chodorkowski Zeitleiste

Die Geschichte um den Fall Chodorkowski beginnt 1989 mit dessen Gründung der ersten Privatbank Russlands, erlebt ihren Hölhepunkt 2003 mit der Festnahme Chodorkowskis sowie 2005 mit dessen Verurteilung und endet vorläufig 2011 im Rechtsstreit um die Zerschlagung des russischen Ölkonzerns JUKOS.

Stand: 20.08.2013

Szenen aus dem Film | Bild: BR/ LALA FILMS, Cyril Tuschi

1989
Michail Chodorkowski gründet mit Geschäftspartnern eine der ersten Privatbanken Russlands: MENATEP.

15. April 1993
Die russische Regierung gründet das Mineralölunternehmen JUKOS.

Ende 1995
Das staatliche Unternehmen JUKOS hat über 3 Milliarden US-Dollar Schulden und steht kurz vor dem Bankrott. JUKOS schuldet seinen Mitarbeitern seit sechs Monaten den Lohn. Die Ölproduktion sinkt jährlich zwischen sieben und fünfzehn Prozent auf nur 34 Millionen Tonnen pro Jahr.

1996
JUKOS wird privatisiert. Michail Chodorkowski kauft das Staatsunternehmen für ca. 350 Millionen Dollar.

1996-2003
Unter der Führung von Michail Chodorkowski steigt nach diversen Reformen die Produktivität wieder um 10 Prozent pro Jahr an. 2003 werden 80 Millionen Tonnen Öl pro Jahr gefördert.

Februar 2001
Michail Chodorkowski gründet die Stiftung „Offenes Russland“, die sich als nichtstaatliche Organisation den Werten von Freiheit und Demokratie verschreibt. Pro Jahr investiert die Stiftung 20 Millionen US-Dollar in Bildung, Wissenschaft, Gesundheitswesen und Kultur.

2002
Michail Chodorkowski ist der reichste Mann der Welt unter 40 Jahren.

Anfang 2003
„Group Menatep Limited”, der Hauptaktionär von JUKOS, nimmt in den USA mit EXXONMOBIL und CHEVRON TEXACO Verhandlungen über einen Einstieg der beiden amerikanischen Ölmultis bei JUKOS auf. Es geht um den Erwerb von 25 Prozent der Aktienanteile von JUKOS für einen Kaufpreis von bis zu 20 Milliarden US-Dollar. Im Gegenzug erklärt sich JUKOS bereit, SIBNEFT, den viertgrößten russischen  Ölkonzern durch eine Firmenfusion zu übernehmen.

19. Februar 2003
In einer vom Fernsehen live übertragenen Diskussion fordert Michail Chodorkowski Präsident Wladimir Putin heraus. Es geht um den umstrittenen Erwerb  der Ölproduktionsfirma SEWERNAJA NEFT durch das staatliche Mineralölunternehmen ROSNEFT. Dabei sei der Kaufpreis von 600 Millionen US-Dollar derart überhöht gewesen, dass zu vermuten sei, der Kreml konnte sich an dieser Übernahme bereichern.

April 2003
Um die politischen Diskussionen im Land anzukurbeln, unterstützt Michail Chodorkowski mehrere politische Parteien wie „Jabloko“, die „KP“ Russlands und auch die kremltreue Partei „Vereintes Russland“.

2. Juli 2003
Pawel Lebedew, ein enger Freund und Berater von Chodorkowski und einer der wichtigsten Aktionäre von JUKOS, wird im Krankenhaus verhaftet. Man wirft ihm vor, dass es bei der Privatisierung der Düngemittelfirma APATIP zu Korruptionsfällen kam.

14. August 2003
Die Fusion von JUKOS - SIBNEFT wird von der russischen Kartellbehörde unter einigen Standardauflagen genehmigt. Durch die Fusion entstände Russlands größter Ölkonzern und weltweit das viertgrößte Mineralölunternehmen. Nach Gesprächen zwischen dem SIBNEFT-Mehrheitsaktionär Roman Abramowitsch und Präsident Putin wird die für Januar 2004 geplante Fusion annulliert.  

22. Oktober 2003
Michail Chodorkowski befürchtet in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung „Die Welt“, dass es einflussreiche Kräfte gibt, die ihn verhaften wollen. Für ihn tobt in Russland ein Lagerkampf. Die Hardliner „wollen eine liberale Marktwirtschaft, aber die soll innerhalb eines autoritären Staates funktionieren".

25. Oktober 2003
Chodorkowski wird bei einem Zwischenstopp mit seinem Privatjet in Nowosibirsk festgenommen und in Moskau inhaftiert. Der russische Staat wirft ihm unter anderem Unterschlagung und Steuerhinterziehung von über einer Milliarde Dollar vor.

Dezember 2004
Die bis dahin unbekannte Baikal Finance Group ersteigert auf einer Zwangsauktion die JUKOS Tochter YUGANSKNEFTEGAZ, das wichtigste Ölförderunternehmen von JUKOS. Wegen Steuerschulden mussten Tochterunternehmen zwangsversteigert werden. Die Steuerschulden hätte JUKOS theoretisch aus seinem Vermögen begleichen können, dieses war aber eingefroren und stand nicht zur Verfügung.  Kurz nach der Auktion wird die mysteriöse Finanzgruppe vom staatlichen Ölkonzern ROSNEFT aufgekauft und die Gruppe aufgelöst, damit gehört Yuganskneftegaz zu ROSNEFT. Mit dieser Übernahme rückte ROSNEFT zum zweitgrößten Ölunternehmen Russlands nach Lukoil auf. Aufsichtsratschef von ROSNEFT ist Igor Setschin, ein enger Mitarbeiter des damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putins und Vizedirektor der Präsidialadministration. Putin selbst verteidigte diese Wiederverstaatlichung eines Teils der Ölindustrie und nannte als Grund die Wahrung nationaler Interessen. Bei der Auktion unterlegen war der zuvor favorisierte halbstaatliche Konzern GAZPROM, der allerdings kurze Zeit später, ebenfalls auf Drängen Putins, mit ROSNEFT fusioniert und somit doch noch bei YUGANSKNEFTEGAZ zum Zuge kam.

Mai 2005
Michail Chodorkowski und sein Geschäftspartner Pawel Lebedew werden zu neun Jahren Straflager wegen schweren Betruges und Steuerhinterziehung verurteilt. Ein Revisionsgericht reduziert im September 2005 die Strafe auf acht Jahre Haft.

2006
Auf Druck des Kreml wird die Stiftung „Offenes Russland” aufgelöst.

2008
Michail Chodorkowski tritt Ende Januar/Anfang Februar  in einen Hungerstreik, um gegen die Behandlung seines ehemaligen JUKOS-Vizedirektors Wassili Alexanjan zu protestieren. Obwohl dieser an HIV erkrankt war, wurden Alexanjan die lebensnotwendigen Medikamente verwehrt, da er sich weigerte, belastende Falschaussagen gegen Chodorkowski zu machen. Nachdem Alexanjan Zugang zur nötigen medizinischen Behandlung ermöglicht wurde, beendete Chodorkowski nach vierzehn Tagen seinen Hungerstreik. Einen Antrag Chodorkowskis auf Bewährung lehnen die Gerichte im August und letztinstanzlich im Oktober ab.

2009
Beginn des zweiten Prozesses gegen Michail Chodorkowski und Pawel Lebedew. Beide sollen 350 Millionen Tonnen ihres eigenen Öls gestohlen haben. Ferner wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor in den Jahren 1998 bis 2003 Einnahmen von umgerechnet rund 20 Milliarden Euro unterschlagen zu haben. Das Moskauer Chamowniki-Gericht spricht beide im Dezember 2010 wegen Unterschlagung und Geldwäscherei schuldig. Sie werden zu je sechs weiteren Jahren Haft verurteilt.

2011
Am 24. Mai 2011 bestätigt ein Moskauer Berufungsgericht das Urteil, reduziert aber die Gesamtstrafe um je ein Jahr. Somit müssen Chodorkowski und Lebedew voraussichtlich bis 2016 in Haft bleiben. Im Juni 2011 wurde Chodorkowski in ein Straflager in Karelien verlegt. Die Anwälte der Verurteilten rufen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg an. Für Amnesty International sind Chodorkowski und Lebedew politische Gefangene.

30. August 2011
Russlands größter Ölförderer ROSNEFT und der US-Energieriese EXXONMOBIL kündigten im Rahmen einer vereinbarten Partnerschaft an, 200 bis 300 Milliarden US-Dollar zu investieren. Der gesamte wirtschaftliche Nutzeffekt wird auf 500 Milliarden Dollar geschätzt. Die Konzerne wollen gigantische Ölfelder gemeinsam ausbeuten, unter anderem in der Arktis. Dieser Milliardendeal scheint dieses Mal keine Risiken für EXXONMOBIL zu beinhalten, wurde er doch vom russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin höchstpersönlich genehmigt und in seinem Beisein unterzeichnet.

20. September 2011
Im Rechtsstreit um die Zerschlagung des russischen Ölkonzerns JUKOS vor vier Jahren haben die damaligen Eigentümer einen Teilerfolg erzielt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügte Grundrechts-Verletzungen bei den Steuerverfahren gegen das Unternehmen und den damit zusammenhängenden Vollstreckungs-Verfahren. Über die Forderung nach Schadenersatz in Höhe von umgerechnet 71 Milliarden Euro wollen die Straßburger Richter später entscheiden. Man wolle zunächst eine mögliche Einigung zwischen JUKOS, dem inhaftierten Firmengründer Chodorkowski und der russischen Regierung abwarten.

Dezember 2011
Die Haftzeit wird um ein Jahr verkürzt. In derselben Woche wurde im russischen Fernsehen ein Propagandafilm gezeigt, in dem Chodorkowski ein weiteres mal der Anstiftung zum Mord beschuldigt wird.

Sommer 2013
Es mehren sich die Anzeichen, dass ein dritter Prozess gegen Chodorkowski vorbereitet wird.


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