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Kabinett verabschiedet Zivilschutzkonzept Gebrauchsanweisung für Krisenlagen

Die Bundesregierung hat das neue Konzept von Bundesinnenminister de Maizière zur zivilen Verteidigung beschlossen. Im Vorfeld sorgte vor allem der Aufruf zur Selbsthilfe für Diskussionen - dabei ist gerade der nicht neu.

Von: Janina Lückoff

Stand: 24.08.2016

Gebrauchsanweisung für Krisenlagen | Bild: picture-alliance/dpa

Die "Konzeption Zivile Verteidigung", wie das 70 Seiten starke Papier überschrieben ist, geht zurück auf einen Auftrag des Bundestags: Der Haushaltsausschuss forderte 2012, ein schlüssiges Gesamtkonzept zu erstellen, nachdem zuvor der Bundesrechnungshof das Fehlen eines solchen beanstandet hatte. Das Konzept behandelt die Frage, wie die Bevölkerung im Verteidigungsfall zu schützen ist - dafür ist der Bund zuständig. Dagegen obliegt der Katastrophenschutz in Friedenszeiten, etwa bei Naturkatastrophen, großen Unglücken oder Epidemien der Zuständigkeit der Länder - der Bund darf diese nur unterstützen.

Wachsende Verwundbarkeit

Das neue Konzept befasst sich erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges mit "Was wäre wenn"- Fragen. Von wachsender Verwundbarkeit der modernen Infrastruktur ist da die Rede, von der Ressourcen-Abhängigkeit moderner Gesellschaften, der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Angriffen im Cyberraum. All das biete vielfältige Angriffspunkte. Das Konzept basiert dabei auf der Bedrohungseinschätzung der Bundesregierung, wie sie jüngst im Weißbuch zur Sicherheitspolitik festgehalten wurde. 1995, als das Konzept zuletzt grundlegend aufgesetzt wurde, waren die Voraussetzungen andere. In dem damaligen Papier heißt es:

"Die Gefahr einer großangelegten und existenzbedrohenden Aggression ist überwunden. Deutschlands territoriale Integrität und die seiner Verbündeten ist militärisch auf absehbare Zeit nicht existentiell bedroht."

Aus dem Konzept zur Zivilen Verteidigung von 1995

Selbsthilfe schon 2002 klar formuliert

In der Folge wurden denn auch bundeseigene Strukturen und Einrichtungen der Zivilen Verteidigung abgebaut und durch die Nutzung der Katastrophenschutz-Ressourcen der Länder ersetzt. 2002, nach den Terroranschlägen vom 11. September, wurde durch eine "Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland" das alte Konzept ersetzt. Ziel war jedoch lediglich eine bessere Unterstützung der Länder durch den Bund im möglichen Katastrophenfall, keine Aktualisierung der Grundlagen allgemein. Die Erwartungshaltung an die Bevölkerung war jedoch stets klar formuliert:

"Bei Unglücksfällen und Katastrophen sowie im Verteidigungsfall ist die Selbsthilfe der Betroffenen der erste und entscheidende Schritt zur Rettung."

Aus 'Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland' von 2002

Bundesregierung räumt Versäumnis ein

Auch im aktuellen Konzept wird die Fähigkeit der Bevölkerung, sich selbst zu schützen, als Basisfähigkeit des Zivilschutzes bezeichnet. Dazu gehört, dass die Bürger einen Vorrat an Lebensmitteln und Getränken für zwei Wochen parat haben, ebenso Kerzen und Taschenlampen, eine Bargeld-Reserve und ein batteriebetriebenes Radio mit Ersatzbatterien. So empfiehlt es der kostenlose Ratgeber für den Katastrophenfall, den das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), schon seit vielen Jahren herausgibt. Die Resonanz, die Teile des neuen Konzepts nun in Medien und der Öffentlichkeit hervorgerufen haben, zeigt, wie wenig Gedanken man sich in Friedenszeiten über den Fall gemacht hat, dass es mal anders kommen könnte. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Johannes Dimroth, räumte denn jüngst auch ein:

"Offensichtlich sind die schon existierenden Angebote des BBK nicht hinreichend bekannt gewesen. Diese Frage werden wir uns sicher im Nachgang mal zu stellen haben, warum das so ist."

Johannes Dimroth, Sprecher des Bundesinnenministeriums

Der Großteil des neuen Konzepts befasst sich jedoch mit den Aufgaben des Bundes beim Schutz der Bevölkerung: mit Notversorgungen an Trinkwasser, Nahrung, Medizin und Energie, mit bestehenden und neuen Warnsystemen, mit Evakuierungsmaßnahmen, dem Schutz von Kulturgütern und vielem mehr. Es bringt die Vorgaben für den Zivilschutz in allen Bereichen auf den neuen Stand. Manch einer würde sagen: Es wird Zeit, nach 21 Jahren.


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