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Populär, aber falsch Wie funktionieren Verschwörungstheorien?

Der 11. September 2001, das Ende des Dritten Reichs, die amerikanische Mondlandung und Bielefeld haben alle eines gemeinsam: Sie sind Bestandteil prominenter Verschwörungstheorien. Die funktionieren alle nach ähnlichen Mustern - auch bei der AfD.

Von: Max Muth

Stand: 14.05.2020 | Archiv

Verschwörungstheorien: Ufo der Nazis, die Mondlandung, 11. September | Bild: BR

Eine der bekanntesten deutschen Verschwörungstheorien ist die Bielefeld-Verschwörung. Die ist angeblich Mitte der 1990er-Jahre auf einer Party in Kiel entstanden und wurde über das Usenet, einem Vorläufer der sozialen Medien, verbreitet. Die Bielefeld-Verschwörung war als Satire gedacht, sie zeigt aber hervorragend die Mechanismen, die auch ihre ernst gemeinten Verwandten auszeichnen: Ein in sich geschlossenes Weltbild blendet Informationen, die nicht in ihr Bild passen, konsequent aus - oder noch besser, baut diese einfach mit in die Theorie ein.

Die Bielefeld-Verschwörung

Die Bielefeld-Verschwörung wird üblicherweise mit drei Fragen etabliert: 1. Kennen Sie jemanden aus Bielefeld?  2. Waren Sie jemals in Bielefeld? 3. Kennen Sie jemanden, der einmal in Bielefeld war?

Natürlich antworten viele Menschen auf alle drei Fragen mit "Nein" - und zack: Schon ist der Zweifel an der Existenz der Stadt Bielefeld gesät. Wenn jemand schließlich behauptet, Bielefeld zu kennen, wird er einfach als Teil der Bielefeld-Verschwörung diskreditiert.

So ähnlich funktioniert auch die Theorie, die US-Amerikaner seien nie auf dem Mond gelandet oder der Glaube daran, dass das World Trade Center in Wirklichkeit vom US-Geheimdienst gesprengt wurde. Auch hier stehen Fragen im Vordergrund, die dazu gedacht sind, Zweifel an der offiziellen Version zu schüren. Wieso steht die US-Fahne auf dem Mond im Wind, wo doch in der Atmosphäre des Mondes gar kein Wind existiert? Und wieso gaben die Stahlträger der Zwillingstürme nach, wo doch Stahl erst bei 1500 Grad Celsius schmilzt und Kerosin nur mit 800 Grad brennt? Natürlich gibt es auf beide Fragen logische Antworten, die interessieren die Anhänger von Verschwörungstheorien aber nicht.

Besser: Verschwörungsideologie

"Verschwörungstheorie" ist eigentlich das falsche Wort, Verschwörungsideologie trifft es besser, meint der Historiker Wolfgang Wippermann. In seinem Buch "Agenten des Bösen" hat er 2007 versucht, eine umfassende Geschichte der Verschwörungsideologien seit Luther zu schreiben. Grund für seine Unterscheidung : Theorien lassen sich durch Fakten widerlegen. Die meisten Verschwörungsfreunde dagegen lassen sich durch angebliche Tatsachen nicht aus der Ruhe bringen. In diesem Sinne sind viele Verschwörungstheorien totalitär. Sie blenden aus, was nicht in ihr Bild passt.

Die Psychologie der Verschwörung

Die psychologische Forschung widmet sich schon länger dem Verschwörungsglauben an Verschwörungstheorien und hat inzwischen einige interessante Erkenntnisse gesammelt. Zum einen wurde mehrfach nachgewiesen, dass Menschen, die an eine Verschwörungstheorie glauben, auch anfällig für andere Verschwörungstheorien sind, die mit der ersten Theorie überhaupt nichts zu tun haben. Das führt die Psychologen zu der Annahme, dass es ein bestimmtes Mindset gibt, bei dem diese Theorien auf fruchtbaren Boden fallen. Zum anderen wurde gezeigt, dass die meisten Menschen, die an die Theorien glauben, echten Kontrollverlust erlebt haben. In Experimenten hat die Wiederherstellung der gefühlten Kontrolle über eine Situation dazu geführt, dass Verschwörungstheorien als weniger wahrscheinlich wahrgenommen wurden.

Wichtige soziale Funktion der Theorien

Die Psychologen nehmen deshalb an, dass Verschwörungstheorien die Funktion erfüllen, ihren Anhängern wenigstens die Illusion von Kontrolle über ihr eigenes Leben zurückzugeben. Dazu passt auch die Tatsache, dass der Glaube an Verschwörungstheorien früher im Mainstream viel verbreiteter war als heutzutage. Auch viele große Intellektuelle waren überzeugte Verschwörer. Die Theorien erfüllten offenbar die wichtige soziale Funktion, überkomplexe Sachverhalte verstehbar zu machen. Heute dagegen kann man mit dem Vorwurf, jemand sei Anhänger von Verschwörungstheorien, wissenschaftliche Karrieren zerstören. Nichtsdestotrotz: Verschwörungstheorien bringen ihre Anhänger in eine psychologisch einigermaßen komfortable Situation. So lange sich die Theorie nicht offiziell bestätigt, können sie sich damit trösten, im Besitz der „wahren Wahrheit“ zu sein. Und sollten die Reptilien doch einmal offiziell die Weltherrschaft übernehmen, schlägt ihre große Stunde: "Ich hab’s ja immer gesagt".

Wie geht Verschwörungstheorie? Vier wichtige Zutaten:

Die Schuldigen

Allen Verschwörungstheorien ist gemeinsam, dass es einen - wenn auch oft nicht sehr spezifisch benannten - Übeltäter gibt (der tiefe Staat, die Geheimdienste, die Hochfinanz, die jüdische Weltverschwörung). Psychologisch ist das leicht erklärbar, wenn man bedenkt, dass viele Anhänger über die Theorien eigenes erlebtes Leid und Hilflosigkeit besser verarbeiten. Die Zuschreibung von Schuld macht das Ertragen leichter, da scheint es auch nicht schlimm zu sein, wenn die Zuschreibung der Täterschaft ziemlich unkonkret bleibt: "Die da oben", der Geheimdienst oder Reptilien aus der vierten Dimension (kein Scherz).

Suggestive Fragen stellen den Status Quo in Frage

Kennst du jemanden, der schon mal in Bielefeld war? Warum flattert die US-Fahne auf dem Mond im Wind? Wieso ist das World Trade Center eingestürzt, wenn Stahl doch erst ab 1500 Grad schmilzt? Warum bleiben manche Kondensstreifen länger am Himmel als andere? Wer profitiert von diesem Terroranschlag? Mit solchen Fragen werden Löcher in die akzeptierten Theorien über historische Ereignisse geschlagen.

Schwer nachprüfbare Behauptungen

Ein weiterer allen Theorien gemeinsamer Punkt ist das Beharren auf schwer nachprüfbaren Behauptungen: "Echsenmenschen aus der vierten Dimension regieren die Welt", "die Weisen von Zion wollen uns alle versklaven", "auf der Bilderberg-Konferenz besiegeln die wirklich Mächtigen unser Schicksal" oder "Hitler ist mit einer Reichsflugscheibe nach Neuschwabenland geflohen und lebt heute auf dem Mond." Weil die meisten Aktionen der Verschwörer zudem per Definition im Verborgenen stattfinden, ist es logisch, dass man im Alltag davon nicht allzuviel mitbekommt.

Immunisierungsstrategien

Ähnlich ist bei Verschwörungstheoretikern auch die Art und Weise, wie sie mit Kritik an ihren Gedankengebäuden umgehen. Eben weil ihre Behauptungen schwer oder gar nicht nachprüfbar sind, können sie Kritikern einfach vorwerfen, "die Wahrheit" nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen. Eine in letzter Zeit moderne Abwandlung und Verkürzung dieses Anwurfs ist die Bezeichnung "Gutmensch" für Menschen, die nicht der Meinung sind, dass Flüchtlinge unsere Art zu leben bedrohen. Eine Eskalationsstufe darüber liegt der Vorwurf: "Dich haben sie auch schon um den Finger gewickelt", in extremen Fällen sogar "Du steckst doch mit denen unter einer Decke."

"Just because you're paranoid, doesn't mean that they aren't after you"

Natürlich gibt es auf dieser Welt eine Menge Aktionen staatlicher Akteure oder Interessensgruppen, die mehr oder weniger im Geheimen auf ein Ziel hinarbeiten. Und natürlich haben sich auch schon in der Vergangenheit als Verschwörungsdenken abgetane Theorien im Nachhinein als tatsächliche Geheimdienstoperationen herausgestellt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die meisten populären Verschwörungstheorien Quatsch sind. Und ebenso natürlich: Nicht alles, was heute durchs Netz geistert und als Verschwörungstheorie bezeichnet wird, ist auch wirklich eine. Viele hanebüchene Behauptungen im Zuge der Flüchtlingskrise sind einfach schlechte Fälschungen, die mit den Ängsten der Menschen vor dem Fremden spielen. Ein gutes Beispiel sind Posts in den sozialen Netzwerken, die von massenhaften Tiermorden durch Muslime berichten, oder von Flüchtlingen, die hier reihenweise Sozialleistungen absahnen, die Deutsche niemals bekämen.

Die "Wahrheit" im Hintergrund

Zur Verschwörungstheorie werden diese Fakes erst dann, wenn sie in eine größere Erzählung eingebettet werden. Beispiel: "Die Muslime wollen Deutschland islamisieren. Dazu schicken sie erst massenhaft Menschen her, die sich dann vermehren. Und dann rufen sie in Leipzig die Scharia aus." Oder: "Interessierte US-Kreise finanzieren die Flüchtlingsströme nach Europa, um den Kontinent zu destabilisieren und ihre Stellung als Hegemonialmacht auf der Welt zu zementieren." In beiden Fällen kommt zu den aktuellen Geschehnissen ein perfider Plan dazu (Scharia einführen, Europa destabilisieren), der von einem skrupellosen Handelnden (Irgendwelche mächtigen Muslime, die Leute, die in den USA die Fäden ziehen) verfolgt wird.

Und was hat die AfD damit zu tun?

Verschwörungstheorien und Berichte darüber haben seit einiger Zeit Konjunktur. Das hat auch mit der sich ändernden politischen Situation in Deutschland zu tun. Pegida trägt mit alarmistischen Warnungen vor einer angeblichen Islamisierung Deutschlands einen Teil zu dieser Stimmung bei, die AfD genauso. Nun ist die AfD nicht mit Pegida gleichzusetzen. Eine Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung kommt aber zu dem Schluss: 80 Prozent der Pegida-Demonstranten, die ihren Fragebogen ausgefüllt haben, würden die AfD wählen. Die anderen 20 Prozent würden gar nicht wählen. Interessanterweise sind auch etwa 20 Prozent der Meinung, dass Demokratie als Staatsform nicht die beste Idee ist.

Gegenöffentlichkeit der Verschwörungsgläubigen

Auch die Erosion des Vertrauens dieser Bevölkerungsgruppe in die öffentlich rechtlichen Medien verstärkt die Tendenz zum Verschwörungsglauben. Alternative Medien erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Bücher über die gesteuerte "Lügenpresse" führen wochenlang die Bestsellerlisten an. Und Jürgen Elsässers immer beliebteres "Compact"-Magazin bringt die kruden Theorien einer größeren AfD-Leserschaft nahe. Es scheint so zu sein, dass die deutsche Medienlandschaft mal wieder der amerikanischen folgt. Dort sind "Fringe Media"-Seiten wie Alex Jones‘ inforwars.com - also Seiten, die sich mit abstrusen Theorien abseits des Mainstreams  beschäftigen - schon länger ein populäres Phänomen. US-Experten führen die Entstehung dieser Seiten und den um sich greifenden Glauben der US-Bürger an Verschwörungstheorien übrigens auf eine Krise des politischen Systems zurück. Möglicherweise ist es auch in Deutschland langsam so weit.


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Kommentieren

Francesco, Montag, 15.Februar 2016, 11:19 Uhr

32. Bewegung im Hirn !!!

Das Hauptproblem dieser äußerst gefährlichen Situation ist m.E. insbesondere die offensichtliche Blindheit der bürgerlichen Parteien. Jeder "kämpft" nur - wie vor 30 Jahren - für sein Parteibuch und seine Ideale und das engstirnig ohne Einschaltung des normalen Menschenverstands (Hirn !!). Irgendwann müssen die Damen und Herren Politiker endlich erkennen, dass sie damit nur Tür und Tor öffnen für kriminelle Organisationen. Sie haben nämlich die Vor- und Nachteile des Internets und dessen Möglichkeiten längst erkannt und sind sich bzgl. ihrer Mission(en) absolut einig. Genau das ist unser Problem: Erkennen, dass es nur mit einer gemeinsamen Strategie zur Lösung geht (D, Europa, Welt !!). Solange aber die Wirtschaft und damit das Geld reagiert, werden wir unsere drängenden Probleme nicht lösen und sehenden Auges in eine menschliche/soziale/wirtschaftliche Katastrophe schlittern

Zerleger, Mittwoch, 10.Februar 2016, 09:53 Uhr

31. Anprangern ohne Belege - die eigene Wahrheit von Kommentatoren

Genau was hier etliche selbsternannte Wahrheitsbeschwörer veranstalten, ist Propaganda in Reinstkultur. Da werden zwar schemenhaft Dinge angesprochen, nur die Beweise fehlen.
Mal im Ernst liebe bestrebte Kommentatoren: Wenn ich die Wahl habe zwischen seriösen Medien, wie z.B. dem BR oder zahlreiche andere deutsche Nachrichtenquellen und auf der anderen Seite ein paar Leute, die sich dazu "berufen" fühlen sich ihre Wahrheit zusammen zu pfrimeln, wem sollte ich da mehr glauben?
Ok, die Chemtrailverschwörer lassen wir mal weg. Dann gibt es aber noch die 9/11 Verschwörer, die eine CIA verantwortlich machen. Bislang konnte keiner irgendetwas glaubwürdiges dazu beitragen. Ich würde ihn auch "zerlegen" in seiner Argumentation.
Dass Politiker oder Regierende versuchen ihre Wahrheiten an den Mann zu bringen steht ausser Frage. Aber genau deshalb ist eine investigative Presse meist präsent um Dinge aufzudecken. Beispiele gibt es in D genug. Panorama, Monitor u.v.a. haben viel entlarvt.

Helmut, Dienstag, 09.Februar 2016, 12:41 Uhr

30.

Sie wundern sich, dass die Skepsis gegenüber den "Mainstream"-Medien wächst, wenn Sie solche unterirdischen Artikel bringen.

Was Sie hier abliefern, ist eine Verschwörungstheorie, wie Sie sie woanders sehen. Abgesehen davon, dass Sie Lächerlichkeiten, wie Zweifel an der Mondlandung mit ernsthaft recherchierten Erkenntnissen in einen Topf werfen, schreiben Sie erst gar nicht, wie es zur Bezeichnung "Verschwörungstheorie" kam. Vor allem ist "Verschwörugnstheorie" ein Etikett, das recht willkürlich auf alles geklebt wird, was diffamiert werden soll, statt sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Schön praktisch - wenn es funktioniert.
Nur, immer öfter funktioniert es nicht mehr: Immer mehr Menschen, denken nach, warum z.B. ungeprüft Meldungen der NATO-Staaten übernommen, anderen verfälschte Zitate in den Mund gelegt werden, man letztere aber selten (unverfälscht) zu Worte kommen lässt.

Ihr Beitrag bestätigt absoult den Eindruck, dass Sie abweichende Meinungen verunglimpfen.

  • Antwort von Nö Sager, Mittwoch, 10.Februar, 10:05 Uhr

    Nö, wundert mich nicht, wenn man solche Phantasien liest

  • Antwort von Neuer Anstrich, Donnerstag, 11.Februar, 07:19 Uhr

    @Helmut

    Dann bleiben Sie erstaunlich unkonkret in ihren Behauptungen. Heisse Luft?
    Na, erzählen Sie uns mal woher der Begriff Verschwörungstheorie kommt.

    Bei mir kommt der Begriff dann vor, wenn jemand tatsächliche Fakten bewusst in Abrede stellt und derart abstruses gegenteiliges behauptet, es aber nicht beweisen kann. Mondlandung ist so ein Beispiel. Oder 9/11. Ich kann Sie frühstücken, wenn Sie etwas behaupten, das nicht stimmt.
    Probieren Sie es ;-)

BR-Fan, Dienstag, 09.Februar 2016, 09:46 Uhr

29. Das perfide Spiel mit der Wahrheit

Propaganda statt vorurteilslose Berichterstattung

  • Antwort von Perfider Kommentator, Donnerstag, 11.Februar, 05:09 Uhr

    Sie sagen es. Lesen Sie die Kommentare und Sie lesen Hobby-Propaganda. Anschuldigungen ohne Ende und keinen Beweis für die eigenen Thesen. Das sind in meinen Augen klägliche Versuche Stimmungen zu schüren. Die bezahlten Trolle tun ihr übriges.

    Und manch' labiler Charakter fällt darauf herein.

Trollzusammenfasser, Montag, 08.Februar 2016, 17:29 Uhr

28. Ich kann dieses getrollte Geheul nicht hören und sehen

Das immer wieder gleichartige und wiederkehrende Geheule wie von Kleinkindern "Bääääh, dafür zahle ich nicht an den BR", "bäähhh, die Qualität ist so und so mies", "bäääh, diese böse böse Lügenpresse" ist nun langsam sehr, sehr langweilig.
Wenn euch in Moskau, St. Petersburg oder sonst wo auf der Welt keine anderen Argumente mehr als diese Stereotypen einfallen, dann überdenkt das mit dem Schreiben nochmals. Lasst euch was neues einfallen. Macht etwas sinnvolles und produktives im eigenen Land. Dafür wäre sehr viel Energie und Innovation gefragt.
Wir werden euch vielleicht mal wieder lieb haben, wenn ihr was völkerverbindendendes tun werdet. Zum Beispiel im Syrienkonflikt eine Lösung finden oder auch in der Ukraine. Die Krim: geschenkt! Wiederholen ist zwar wie gestohlen, aber darüber sehen wir mal weg ;-)

Macht was sinnvolleres als unsinnige Medienkriege zu führen!