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Immer mehr Waffenbesitzer in Bayern "Die Bürger fühlen sich nicht mehr geschützt"

Immer mehr Menschen in Bayern beantragen den sogenannten "kleinen Waffenschein". Das hat mit gefühlter Unsicherheit zu tun - und mit dem Gefühl von Minderwertigkeit, so der Rechtspsychologe Dietmar Heubrock gegenüber BR24.

Von: Andreas Herz

Stand: 29.08.2016

Schreckschuss-Pistole | Bild: picture-alliance/dpa

Herr Heubrock, in Bayern beantragen immer mehr Menschen den kleinen Waffenschein. Ein Trend, der seit Monaten anhält. Wie erklären Sie sich das?

Nicht nur in Bayern ist eine Zunahme derartiger Anträge zu verzeichnen, auch im Norden Deutschlands sehen wir den gleichen Trend. Daraus kann geschlossen werden, dass die Bürger in Deutschland insgesamt den Eindruck haben, dass der Staat ihnen keinen hinreichenden Schutz vor Gewalt mehr geben kann. In Deutschland ist - anders als etwa in den USA - ausschließlich der Staat Träger des Gewaltmonopols, d.h. der Bürger muss sich darauf verlassen können, vom Staat ausreichend geschützt zu werden. Dies scheint gegenwärtig in der Wahrnehmung der Bürger leider nicht mehr der Fall zu sein.

Was machen die Menschen mit den Waffen, wenn sie sie einmal besitzen?

Der sog. "Kleine Waffenschein" berechtigt zum Führen von sog. Gas- und/oder Schreckschusswaffen, großkalibrige Schusswaffen können damit weder erworben noch dürfen sie damit geführt werden. Die Schreckschusspistole wird also in der Handtasche oder auch - meist verdeckt - in einem Gürtelholster getragen und scheint den betreffenden Trägern das Gefühl zu geben, sich im Falle eines Übergriffs selbst schützen zu können.

Ist man mit einer Reizgas- oder Schreckschuss denn wirklich sicher?

Die objektive Sicherheit wird nicht erhöht, lediglich das subjektive Sicherheitsgefühl ist größer. Es könnte sogar sein, dass Träger von Reizgas- und Schreckschusswaffen ein riskanteres Verhalten zeigen und sich in größere Gefahr begeben und damit insgesamt sogar gefährdeter sind. Auch sind diese Waffen keineswegs ungefährlich, sie können auf kurze Distanz erhebliche Verletzungen verursachen und schlimmstenfalls sogar tödlich wirken. Wenn zwei Waffenträger sich gegenseitig beschießen, kann es zu einer dem Anlass völlig unangemessenen Eskalation führen und auch die Einschätzung einer subjektiven Notwehrsituation kann sich so verschieben, dass die strengen rechtlichen Bedingungen für die Notwehr nicht mehr erfüllt werden, d.h. es könnten sich erhebliche Folgen für den Anwender ergeben, wenn die Schreckschuss- oder Reizgaswaffe unangemessen angewandt wird.

Welcher Reiz geht generell von Waffen aus?

Dietmar Heubrock, Professor für Rechtspsychologie an der Universität Bremen

Es hat sich in verschiedenen Experimenten immer wieder gezeigt, dass gerade Jungen und junge Männer eine gewisse Faszination für Waffen empfinden, das ist evolutionsbiologisch nachvollziehbar und insofern auch in gewisser Hinsicht "normal". In der gegenwärtigen Situation - bei einer Zunahme von frei verkäuflichen Schreckschusswaffen, die mit dem "Kleinen Waffenschein" geführt werden  - werden nun zwei Bedürfnisse "bedient", einmal das Bedürfnis nach größerer individueller Sicherheit, zum anderen die Möglichkeit, ein faszinierendes Objekt besitzen zu können.

Zu welchen sozialen Milieus gehören die meisten Waffenträger?

Wenn sich die Frage auf die Schreckschusswaffen bezieht, die mit dem "Kleinen Waffenschein" erworben und geführt werden können, so geht das Sicherheitsbedürfnis quer durch alle Schichten, der Faktor "Faszination" dürfte allerdings etwas stärker bei solchen Personen ausgeprägt sein, die eher ein Minderwertigkeitsgefühl haben; sie können sich damit subjektiv mächtiger fühlen. Bei den großkalibrigen Waffen, die nur mit Waffen- oder Jagdschein und Waffenbesitzkarte erworben werden können, haben wir überwiegend Sportschützen und Jäger, dann Brauchtumsschützen, Erben, Büchsenmacher und Waffensammler.

Was bedeutet der vermehrte Waffenbesitz für die Polizisten?

Schreckschuss-Pistolen: Für die Polizisten als solche kaum zu erkennen

Für Polizisten ist eine sogenannte "Anscheinswaffe" als Gas- oder Schreckschusswaffe nicht von einer scharfen Schusswaffe zu unterscheiden; sie heißen ja auch deswegen "Anscheinswaffe", weil sie den Anschein einer echten scharfen Waffe vorgeben. Tatsächlich entspricht sogar das Gewicht dieser Anscheinswaffen demjenigen des scharfen Pendants, so dass der Polizeibeamte auch am Bewegungsvorgang keinen Unterschied erkennen kann, was unter Stressbedingungen ohnehin schwierig ist. Ich erwarte vermehrt Schusswaffeneinsätze von Polizeibeamten, die sich durch Personen bedroht fühlen, die eine Anscheinswaffe führen.

Das bayerische Innenministerium sagt, die objektive Sicherheitslage habe sich auch in den letzten Monaten nicht verschlechtert. Hat das Innenministerum recht?

Das kommt darauf an, wie man "objektive Sicherheitslage" definiert; würde man die möglichen islamistischen "Gefährder" dazu zählen, die derzeit polizeilich überwacht werden, so ist sicher von einer Zunahme von Gefährdungen und damit auch von Gefahren auszugehen. Dass die Behörden beruhigend einwirken wollen, ist verständlich; man muss aber auch sehen, dass derartige Äußerungen schnell an Glaubwürdigkeit verlieren, sobald es zu weiteren terroristischen Aktivitäten kommt, sei es durch Terrorgruppen oder radikalisierte Einzeltäter.

Der kleine Waffenschein

Mit dem kleinen Waffenschein darf man Gas-,  Schreckschuss- und Signalwaffen tragen. Damit können Knalleffekte ausgelöst werden, pyrotechnische Munition oder eben Reizgas verschossen werden. Die Waffen müssen besondere Kennzeichnungen besitzen und sie dürfen nicht zum Verschießen anderer Munition verwendet werden. Auch dürfen diese Waffen nicht offen getragen werden und sie dürfen auch nicht zu öffentlichen Veranstaltungen mitgeführt werden. Für den Besitz müssen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Der Erwerber muss volljährig sein und einen festen Wohnsitz haben und er muss auch persönlich geeignet sein, d.h. er darf nicht vorbestraft sein, es darf gegen ihn aktuell kein Ermittlungsverfahren eingeleitet sein, er darf nicht alkohol- und drogenabhängig sein und er darf auch nicht Mitglied in einer verbotenen Organisation sein.


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Thomas Borchert, Montag, 29.August 2016, 23:39 Uhr

17.

Na und?
Weil...was passiert wirklich, wenn was psssiert??
Fragestellung eines Jenigen, der mit Waffengewalt 2 x angegriffen wurde?!?!
LG Thomas Borchert

huber, Montag, 29.August 2016, 23:15 Uhr

16. wo es Waffen gibt

Wo es Waffen gibt, da wird geschossen...

  • Antwort von Münchner1977, Dienstag, 30.August, 22:01 Uhr

    In DE soll es "geschätzte" 20-30 Mio. Schreckschuß- und Gaswaffen geben. Genaue Zahlen fehlen, weil diese ja nicht registriert und gemeldet werden müssen.
    Und, schon nen Schuß gehört?

Wanda, Montag, 29.August 2016, 22:33 Uhr

15. Larifari

War schon von Anfang an klar: jeder den die derzeitige von Merkel herbeigeführte Situation beunruhigt und der sich dagegen (harmlos) wappnet, wird gleich rechtspsychologisch umgedeutet. Es darf bei den Öffentlich-Rechtlichen halt nicht sein, dass erst die Regierungspolitik Merkel dieses Verhalten und die Unsicherheit in der Bevölkerung verursacht hat.
Schliesslich sind die massgebenden Posten der ÖR nach Proporz besetzt und wer wird schon an dem Ast sägen auf dem er sitzt ?

Franz, Montag, 29.August 2016, 19:49 Uhr

14.

Da fühlt man sich doch gleich viel sicherer, wenn man hört, wie viele Waffen mehr im Umlauf sind. Mal sehen, wann die ersten besorgten Bürger losballern.

Münchner1977, Montag, 29.August 2016, 18:37 Uhr

13.

Und an das BR-Team. Wenn schon waffenrechtliche Gegebenheiten erklärt oder wiedergegeben werden, dann bitte auch wahrheitgemäß, wie es das Gesetz vor sieht. Keine Interpretationen oder was so zusammen gereimt wird...
"Zum Erwerb "großkalibriger" Schußwaffen bedarf es den Waffen- und Jagdschein, bzw. der Waffenbesitzkarte..."
a) Mit dem (echten) Waffenschein kann man weder Waffen, noch Munition erwerben, dieser Erlaubnispapier ermöglicht das Führen von erlaubnispflichtigen Schußwaffen in der Öffentlichkeit. Etwa 12.000 solche Papiere sind in DE ausgestellt, Tendenz abnehmend,
b) Auch für "kleinkalibrige" Schußwaffen benötigt man eine Erwerbsberechtigung, nach den Waffengesetz. Sprich, erlaubnisprflichtige Schußwaffen und deren Munition dürfen nur Inhabern einer gültigen Waffenbesitzkarte oder eines Jagdscheins überlassen werden. Waffen die auf Jagdschein erworben werden, müssen innerhalb 14 Tagen angemeldet und in die entsprechende Waffenbesitzkarte eingetragen werden.