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Weinkultur und Wohlfahrtspflege Zwei Würzburger Weingüter feiern Jubiläum

Zwei Würzburger Weingüter feiern Jubiläum: Der Hofkeller, ein Staatsbetrieb, blickt auf 888 Jahre Geschichte zurück. Und das Bürgerspital, eine gemeinnützige Stiftung, gibt es seit 700 Jahren. Zwei – äußerst unterschiedliche – Erfolgsgeschichten.

Von: Barbara Markus

Stand: 22.10.2016 | Archiv

Wer einen Bocksbeutel aus dem Bürgerspital-Weingut trinkt, kann den Genuss mit dem guten Gefühl verbinden, zum Bestand einer Stiftung beizutragen. Durch einen klugen politischen Schachzug war es dem Patrizier Johannes von Steren vor 700 Jahren gelungen, diese vom Bischof unabhängige Stiftung ins Leben zu rufen. Bis heute wird sie von Bürgern verwaltet und ist mit Keller, Weinhaus und Restaurant im Herzen der Stadt gesellschaftlicher Treffpunkt über alle Schichten hinweg.

Bürgerspital-Wein trinken – und dabei Gutes tun

Das "Hockerle"

Nach 700 Jahren hat die Stiftung ihren sozialen Auftrag für Senioren weiter fest im Blick: Grundsicherung, Kranken- und Pflegekassen decken nicht alles ab, was ein Altern in Würde ermöglicht. Um diese Lücke zu schließen, werden die Erlöse aus dem Stiftungskapital herangezogen. Dazu trägt jede der rund 900.000 Flaschen bei, die jedes Jahr das Weingut verlassen. Doch jede dritte Flasche kommt nicht weit: Sie wird direkt über dem Keller auf dem historischen Bürgerspital-Areal geleert – in der traditionsreichen Weinstube, in einer neugestalteten Vinothek, oder aber im legendären "Hockerle", einem Schoppenausschank mit Wohnzimmeratmosphäre.  

Doch wie dient der Wein dem Stiftungszweck? Weingutsleiter Robert Haller zitiert die Inschrift auf einem gläsernen Fassboden, den ein Künstler zur 700-Jahre Feier des Bürgerspitals gestaltet hat.

"Wir schaffen mit Begeisterung höchste Lebensqualität und Genuss, das ist unsere Vision, die wir im Bürgerspital haben und die wir in allen Bereichen verkörpern. Man kann sich nicht vorstellen, was für einen Genuss und eine Lebensfreude alte Menschen haben, wenn sie nach einer Rehabilitation das Geriatriezentrum verlassen können und nach Hause gehen können."

Robert Haller, Weingutsleiter Bürgerspital

Ein Beispiel dafür ist Elisabeth Kukla. Nach einer Operation kam sie direkt aus dem Krankenhaus zur Rehabilitation ins Geriatriezentrum des Bürgerspitals. Als eine der Therapeutinnen sorgt dort Kirstin Witthoff dafür, dass die 84-Jährige wieder auf die Beine kommt.

"Das Wichtige ist, dass sie wieder alleine aus Bett kommt, aufstehen kann, und dass sie sich wieder allein in ihrer Wohnung bewegen kann. Auch mit dem Rollator, so dass sie ihren Haushalt wieder nach Möglichkeit führen kann."

Kirstin Witthoff, Therapeutin   

Elisabeth Kukla (links) mit Therapeutin Kirstin Witthoff im Geriatriezentrum des Bürgerspitals

Weil Gehen und Stehen jetzt nur noch mit dem Rollator möglich ist, werden nun auch Haushaltstätigkeiten bei eingeschränkter Beweglichkeit neu eingeübt, wie das Abspülen. Und Elisabeth Kukla strahlt. Von Tag zu Tag hat sie Fortschritte gemacht und fühlt sich im Geriatriezentrum des Bürgerspitals nicht nur therapeutisch bestens betreut.

"Das ist ideal. Das Essen ist gut, oh Gott ist das gut, und mit den Leuten, da redet man, mit jedem spricht man und da ist das doch schön und unten ist auch so ein Leseraum, so ein Wintergarten. Da kann man sitzen, Kaffee trinken,  Tee und Zeitung lesen, da wird immer geplaudert, da ist man nie allein."

Elisabeth Kukla, Patientin

Noch ist Elisabeth Kukla nicht auf ein Heim angewiesen. Vom betreuten Wohnen bis hin zu Heim- und Pflegeplätzen oder besonderen Angeboten für Menschen mit Demenz – in seinen insgesamt sechs Altenheimen und Seniorenwohnstiften beherbergt das Bürgerspital zusammen rund 750 Senioren – so viele, wie alle anderen Einrichtungen in Würzburg zusammen. Stiftungsdirektorin Annette Noffz kommt es bei allen Zahlenspielen auf die inhaltlichen Unterschiede an. 

"Wir leisten uns im Bereich des Personals mehr. Wir legen Wert darauf, soviel examinierte Fachkräfte zu kriegen wie möglich, viele Betreuungskräfte noch dabei zu haben, Präsenzkräfte – und wir leisten uns auch das Geriatriezentrum. Das ist unterfinanziert und da steuern wir auch sehr viel dazu bei, aber das rundet das Angebot für alte Menschen ab und ist auch sehr, sehr wichtig."

Annette Noffz, Stiftungsdirektorin

Der Hofkeller – ein Staatsbetrieb

Der Staatliche Hofkeller in Würzburg

Dort das Bürgerspital, eine gemeinnützige Stiftung, hier der Hofkeller, ein Staatsbetrieb. Die Unterschiede zwischen den beiden Weingütern könnten nicht größer sein, auch wenn sie seit Jahrhunderten in der Stadtmitte von Würzburg nur ein paar hundert Meter auseinanderliegen. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber doch, meint Hofkeller-Chef Marcel von den Benken – beide Weingüter bewirtschaften jeweils eine Rebfläche von 120 Hektar.

"Wir sind das dritt- beziehungsweise viertgrößte Weingut Deutschlands. Das ist immer so ein Ränkespiel zwischen dem Bürgerspital und uns. Mal haben die einen Hektar mehr im Anbau, mal wir einen Hektar mehr. Aber im Endeffekt haben wir ungefähr die gleiche Größe. Wir sind ein Wirtschaftsbetrieb. Unsere Gewinne führen wir ganz normal an das Finanzministerium ab."

Marcel von den Benken, Hofkeller-Chef

Der Jubiläumswein des Staatlichen Hofkellers

Jahrhundertelang  diente der Hofkeller den Würzburger Fürstbischöfen, die als "Herzöge von Franken" auch Territorialmachthaber waren. Das prunkvolle Schloss und sein nicht minder repräsentativer Keller sind in  der Säkularisation von 1814 an den bayerischen Staat gefallen – ebenso wie 120 Hektar Weinberge in den besten Lagen Unterfrankens. Die eigene Geschichte wird bei jeder Kellerführung besonders hervorgehoben. Als Balthasar Neumann 1719 von Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn den Auftrag zum Bau einer neuen Residenz bekam, war die ausdrückliche Anweisung, auch einen “vorzüglichen Weinkeller” einzuplanen. Und so zog der Hofkeller vom mittelalterlichen Regierungssitz auf der Festung Marienberg mit unter die neue Barockresidenz.

"Das, was Balthasar Neumann hier gebaut hat, ist eine Weinkathedrale. Die Gewölbehöhe, die wir hier haben, beträgt sechs Meter. Die Mauern haben eine Stärke von viereinhalb bis fünf Meter. Sobald wir Gäste hier unten haben, werden die Kerzen angesteckt – das sind rund 400 Kerzen, die da unten leuchten. Also hier kann man dem Wein richtig huldigen."

Marcel von den Benken, Hofkeller-Chef

Närrische Weinprobe – jedes Jahr im Hofkeller  

Auch viele, die den Würzburger Hofkeller noch nie betreten haben, kennen ihn – aus dem BR-Fernsehen. Zur Fränkischen Fastnacht bildet er den stimmungsvollen Rahmen für die Närrische Weinprobe – mit einer Schlossarchitektur unter Tage, die im Wiederschein hunderter Kerzen vor den Fässern Besucher in ihren Bann schlägt. 

Zwei - äußerst unterschiedliche - Erfolgsgeschichten

Vor 700 und 888 Jahren wurde also das Fundament für zwei Erfolgsgeschichten gelegt. Und so spiegelt der Wein auch ein Stück Würzburger Stadtgeschichte und ein jahrhundertealtes Ringen zwischen bischöflicher Obrigkeit und der nach Unabhängigkeit strebenden Stadtgesellschaft.


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