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Flüchtlingsreferendum in Ungarn Schlappe für Orban

Das ungarische Referendum über die umtrittenen EU-Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen ist gescheitert. An der Abstimmung nahmen nur rund 45 statt der erforderlichen 50 Prozent der Wahlberechtigten teil.

Von: Clemens Verenkotte

Stand: 02.10.2016

Viktor Orban | Bild: Reuters (RNSP)|Bernadett Szabo

Die vorläufigen Zahlen wurden von Politikern der Regierungspartei Fidesz bekannt gegeben. Danach hätten sich rund 45% der wahlberechtigten Ungarinnen und Ungarn an der Volksabstimmung beteiligt, das sind etwa drei Millionen Wähler. Davon hätten 95 % mit "Nein" gestimmt. "Nein" zu der alleinigen Frage, die auf den Wahlzetteln stand: "Wollen Sie, dass die EU auch ohne die Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht-ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?"

Ergebnis noch nicht offiziell

Auszählung des Referendums

Deutlich zurückhaltender reagierte am Abend die staatliche Wahlkommission. Sie bestätigte nur, dass die Wahlbeteiligung um 17 Uhr 30 bei knapp 40% gelegen habe. Die endgültigen Zahlen würden am späteren Abend bekanntgegeben.

Auf einer Veranstaltung der regierenden Fidesz-Partei sprach der Vizepräsident der Regierungspartei, Gergely Gulyas, von einem überwältigenden Sieg. Politisch sei das Votum verpflichtend für die Regierung. Den Umstand, dass das Referendum nicht das nötige Quorum erreicht hat, sprachen führende Politiker nicht an.

Schlappe hatte sich abgezeichnet

Viktor Orban

Regierungschef Viktor Orban hatte schon nach der Stimmabgabe in seinem Budapester Wohnbezirk die Erwartungen heruntergeschraubt. Die Regierung werde auch dann handeln, wenn das Referendum ungültig sei, sagte er zu Reportern. Insbesondere stellte er in Aussicht, sich bei den Brüsseler Gremien noch entschiedener gegen die EU-Quoten einzusetzen.

Die Regierungspartei hatte seit dem Vormittag SMS-Nachrichten an ihre Anhänger verschickt mit der Aufforderung, noch zur Wahl zu gehen.

"Heute zählt jede Stimme, stimmen Sie mit nein!"

Wahlwerbung der Regierungspartei per SMS versandt

Volksabstimmung in Ungarn, Wahllokal in Kelebia südlich von Budapest

Bereits vor dem Referendum, für das die Regierung nach Angaben der Opposition 32 Millionen Euro ausgeben hat, signalisierten konstante Umfrageergebnisse, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen gemäß dem Verteilungsschlüssel der EU ist.  

"Wir  dürfen die Änderung der Verfassung nicht ausschließen. Aber die wichtigste Aufgabe in der kommenden Woche ist  eine andere:  Ich werde nach Brüssel gehen, um dort zu verhandeln. Ich versuche zu erreichen, falls das Ereignis entsprechend ausfallen wird, dass es keine Verpflichtung Ungarns gibt, Menschen aufzunehmen, die wir nicht wollen."

Viktor Orban, ungarischer Ministerpräsident

Wahllokal in Budapest

Im Verlauf der mehrmonatigen Werbeaktion der Regierung für ein „Nein“ beim Antiflüchtlingsreferendum hatten Orban sowie zahlreiche Mitglieder seiner Fidesz-Partei heftige Vorwürfe an die Adresse der EU-Kommission gerichtet. Beim Verlassen der Wahllokale spiegelte sich in manche Antworten dieses Ressentiment wider:

"Es geht darum, dass Ungarn  selbständig bleiben soll. Niemand soll  uns zwingen. Nur die sollen hier kommen, die wir auch akzeptieren. Lasst uns entscheiden, wer hier kommen darf, und nicht eine fremde Macht. Die Europäische Union ist für uns eine fremde Macht."

Wählerstimme in Ungarn

"Das Referendum  hat eine große Bedeutung. Egal, welche Stimme gewinnen wird. Es wird uns zeigen, welche Meinung bei uns heute vorherrscht. Egal, wie das Ereignis ausfällt: Es wird langfristigen Auswirkungen für uns haben."

Wählerstimme in Ungarn

Die linksgerichteten Oppositionsparteien hatten zum Boykott der Volksabstimmung aufgerufen.


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Georg Pfettrisch, Sonntag, 02.Oktober 2016, 19:38 Uhr

9. Fremde Macht?

Wenn die EU für Ungarn eine fremde Macht ist, warum haben sie sich dann überhaupt in die EU aufnehmen lassen? Sollen sie doch schleunigst wieder austreten und nicht nur von den Vorteilen schmarotzen.

Franz, Sonntag, 02.Oktober 2016, 17:07 Uhr

8. Lachnummer

Wenn das Referendum wegen mangelnder Beteiligung scheitert, bin ich schon gespannt, was die PEGIDA-Jünger dann an Erklärungen parat haben. Man darf auf echte Schenkelklopfer gespannt sein ;-)

  • Antwort von Leo Bronstein, Sonntag, 02.Oktober, 18:15 Uhr

    @ Franz
    >>Lachnummer Wenn das Referendum wegen mangelnder Beteiligung scheitert, bin ich schon gespannt, was die PEGIDA-Jünger dann an Erklärungen parat haben. Man darf auf echte Schenkelklopfer gespannt sein<<

    .
    Wie hoch war noch einmal die Wahlbeteiligung für die demokratische Einrichtung EU Parlament?
    42,6% reichten aus, um sich als legitimierter Vertreter der EU Bevölkerung zu bezeichnen.

    ... und würde es in Brandenburg auch eine 50% Grenze geben, wie in Ungarn, würde es auch keinen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) geben. Wahlbeteiligung: 47,9%.

  • Antwort von Truderinger, Sonntag, 02.Oktober, 18:19 Uhr

    Ich tippe, es wird etwas in Richtung Unterdrückung oder Erpressung durch die EU-Diktatur sein, wodurch der Wille des ungarischen Volkes gebrochen wurde. Also liebe Erichs, Bronsteins und diverse Hühner, enttäuscht uns bitte nicht:-D

  • Antwort von Franz, Sonntag, 02.Oktober, 19:37 Uhr

    @ Leo Bronstein

    Genau solche Erklärungsversuche meinte ich.

    quod erat demonstrandum

MaFi, Sonntag, 02.Oktober 2016, 17:03 Uhr

7. Angst vor Übervölkerung durch Flüchtlinge!

Ungarn hat knapp 10. Millionen Einwohner und regt sich über die Aufnahme von 2300 Flüchtlingen auf! Werft dieses Land aus der EU!

  • Antwort von Leo Bronstein, Sonntag, 02.Oktober, 17:51 Uhr

    @ MaFi

    Ungarn hatte im 2. Quartal 2016 1.517 Asylbewerber/1Mio. Einwohner.
    Deutschland zum Vergleich 2.273 und eines der reichsten Länder der EU nämlich Luxemburg nur 715 Asylbewerber/1 Mio. Einwohner.
    nachzulesen bei de statistic com unter der der Überschrift >>Europäische Union: Anzahl d. erstmaligen Asylbewerber je e. Million Einwohner* in d. Mitgliedsstaaten im 2. Quartal 2016<<

    Allerdings war Luxemburg nicht nur d. stärkste Forderer e. unbegrenzte Aufnahme v. Asylbewerbern u. e. d. reichsten Länder d. EU, sondern auch noch, zumindest bis vor kurzem, e. EU Nettonehmerland u. e. Förderland f. Steuerminimierung auf Grund individualisierter Besteuerung v. Großunternehmen.

    Da haben e. Asselborn u. Juncker leicht lachen u. fordern.

    .
    Wie war noch einmal Ihre Forderung?
    Sollten dann auch alle anderen Staaten aus d. EU geworfen werden, d. weniger als Ungarn aufgenommen haben?
    Österreich, Griechenland, Schweden, Italien, Frankreich, Belgien, Finnland, Niederlande, ...

  • Antwort von Wolf, Sonntag, 02.Oktober, 17:55 Uhr

    Sie haben falsche Zahlen,es geht um 1300 Flüchtlinge für die Orban bereits eine Zusage gegeben hat, ansonsten haben sie sowas von Recht.

  • Antwort von Wolf, Sonntag, 02.Oktober, 18:14 Uhr

    @brunzstein,
    Auch diese Zahlen sind falsch,es gibt in Ungarn so gut wie keine Asylbewerber,die wurden nach Deutschland durchgereicht. Immer schön bei der Wahrheit bleiben gell. Wenn es nach EU Recht ginge müsste man tausende nach Ungarn zurückzuführen,aber das möchte man den Flüchtlingen nicht zumuten,kann ich gut verstehen.

  • Antwort von Johanna , Sonntag, 02.Oktober, 18:52 Uhr

    @MaFi
    Rauswurf ist gar nicht mal nötig - einfach ganz schnell den Geldhahn zudrehen, das wäre die beste Lösung.

  • Antwort von Erich, Sonntag, 02.Oktober, 19:06 Uhr

    Da die Mainstream-Medien immer wieder das „Feindbild Ungarn“ bemühen, wenn es darum geht, die Flüchtlingspolitik des ungarischen Ministerpräsidenten Orban schlecht zu machen, sollen einige Argumente präsentiert werden, die das Handeln Ungarns in anderem Licht erscheinen lassen.

    Nach Ungarn kamen heuer bis Ende September15 mehr als 291.000 Asylwerber, von denen etwa 176.000 einen Asylantrag in Ungarn gestellt haben. Der Zuwachs verlief in den letzten Jahren sprunghaft: Im Jahr 2012 waren es 2.000 Asylwerber, 2013 bereits 19.000 und im Jahr 2014 insgesamt 30.000. Damit gehört Ungarn gemessen an der Bevölkerungszahl zu den am meisten belasteten Mitgliedstaaten der EU.

    Monatelang versuchte die ungarische Regierung vergebens, die europäischen Partner auf die Flüchtlingswelle durch die Balkanroute aufmerksam zu machen. Deswegen war sie gezwungen, selbst zu agieren und eine provisorische Sperre zu errichten.

  • Antwort von Leo Bronstein, Sonntag, 02.Oktober, 19:38 Uhr

    >Sie haben falsche Zahlen,es geht um 1300 Flüchtlinge f. d. Orban bereits e. Zusage gegeben hat, ansonsten haben sie sowas v. Recht.<

    V. d. 160.000 Flüchtlingen bei d. es um d. Abkommen zur Umverteilung ging sind erst 5.651 Flüchtlinge innerhalb d. EU umverteilt worden.
    Was wiederum d. Schluss zulässt, dass nicht nur Ungarn, sondern auch d. anderen beteiligten Staaten wenig Interesse an d. Umverteilung zeigen.

    .
    >Auch diese Zahlen sind falsch,es gibt in Ungarn so gut wie keine Asylbewerber,<

    Richtig: Ungarn hat so gut wie keine islamischen gläubigen Flüchtlinge.

    .
    >d. wurden nach Deutschland durchgereicht.<

    Haben Deutschland u. Ungarn e. gemeinsame Grenze?

    .
    >Wenn es nach EU Recht ginge müsste man tausende nach Ungarn zurückzuführen,aber d. möchte man d. Flüchtlingen nicht zumuten,kann ich gut verstehen.<

    Lt. Dublin-II Abkommen muss e. Asylsuchender in d. Mitgliedstaat, d. er zuerst betreten hat, seinen Asylantrag stellen.
    .. grenzt Ungarn ans Mittelmeer?

Truderinger, Sonntag, 02.Oktober 2016, 15:49 Uhr

6.

Scheindemokratische Zustimmungsrituale sind der beste Beleg für das Abgleiten in die Autokratie. Man muss schon sehr verblendet sein, wenn man das für Demokratie hält!

  • Antwort von wm, Sonntag, 02.Oktober, 16:29 Uhr

    @Truderinger

    Ist die BRD unter Merkel etwa nicht in die Autokratie abgeglitten?

  • Antwort von Wolf, Sonntag, 02.Oktober, 17:58 Uhr

    @wm,
    Die BRD nicht, Bayern schon,siehe Abstimmung Riedberger Horn, da macht sich die CSU Mehrheiten wie es grad passt.

  • Antwort von Andrea, Sonntag, 02.Oktober, 18:06 Uhr

    Also bisher habe ich noch niemals ne SMS von Frau Merkel bekommen, mit einer Aufforderung zu einer Wahl zu gehen. Von der Aufforderung, eine ganz bestimmte Entscheidung zu treffen, ganz zu schweigen. Denn laut Artikel auf ARD hat Orban nicht nur SMS verschickt, sondern auch aufgefordert, mit "Nein" zu stimmen.
    Da muss man schon extrem viel Fantasie aufwenden, um Frau Merkel damit zu vergleichen.

  • Antwort von Leo Bronstein, Sonntag, 02.Oktober, 18:19 Uhr

    @ Truderinger
    >>Scheindemokratische Zustimmungsrituale sind der beste Beleg für das Abgleiten in die Autokratie. Man muss schon sehr verblendet sein, wenn man das für Demokratie hält!<<

    .
    Nach Ihrem Argument wäre die Schweiz eine lupenreine Diktatur.
    (Wo lernen Sie solche tollen Ausdrücke wie scheindemokratische Zustimmungsrituale?
    TAZ, linksunten, ...? Trotzdem entstehen bei mir deswegen keine Neidgefühle.)

  • Antwort von Truderinger, Sonntag, 02.Oktober, 18:29 Uhr

    @wm: Nächstes Jahr wird gewählt und dann können Sie und Ihre Kameraden ja versuchen, die Groko abzuwählen. Aber bitte akzeptieren Sie auch dann das Resultat, wenn die Blaubraunen nicht die Macht ergreifen.

  • Antwort von Truderinger, Sonntag, 02.Oktober, 18:40 Uhr

    Naja Leo, jetzt stellen Sie sich weniger eloquent dar als sie sind! Die Schweiz mit Ungarn zu vergleichen, ist dann aber doch ein wenig gewagt. Dort gibt es nichts, was mit Orbans Jobbik-Faschisten vergleichbar wäre. Übrigens die TAZ lese ich nie. Ist mir nämlich viel zu linkspopulistisch. Wie weit man selber nach Rechts abgedriftet ist, erkennt man, wenn man mich für einen Linken hält. Ich gebe aber zu, ich würde eher die Linkspartei als die Blaubraunen wählen.

  • Antwort von wm, Sonntag, 02.Oktober, 19:36 Uhr

    @Trudl

    Da haben Sie den Brüller des Tages von sich gegeben!
    Wohin fliehen Sie mit ihren Kameraden,falls es Ihnen Im Merkelland zu heiß wird?

Inge, Sonntag, 02.Oktober 2016, 15:16 Uhr

5. Orban ist ein europäischer Held

Er rettet Europa vor dem Untergang!

  • Antwort von Wolf, Sonntag, 02.Oktober, 18:02 Uhr

    Wie sangen die Stranglers: no more heroes anymore, auf solche "Helden" kann Europa gut verzichten, aber Ungarn kann auf Europa nicht verzichten.

  • Antwort von Johanna, Sonntag, 02.Oktober, 18:45 Uhr

    Also wenn Orban so ein Held für Sie ist, dann würde ich an Ihrer Stelle doch schnell die Koffer packen und nach Ungarn "rübermachen", da fühlen Sie sicher wohler beim Europa-Retter als hier in der BRD. Und da haben Sie auch keine "Lügenpresse" zu fürchten, da Ihr "Held" ja die Presse kontrolliert - und wenn mal wieder das Internet abgeschaltet wird, was soll's. Also: gute Reise - aber bitte ohne Rückfahrkarte, falls Sie doch feststellen sollten, dass in Ungarn bei Ihrem "Helden" nicht alles so toll ist wie Sie sich das schönfärben.