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Umweltschutz in Bayern Wie viel Mensch verträgt die Natur?

Urlaubsland Bayern - etwa 16 Millionen Feriengäste haben im vergangenen Halbjahr den Freistaat besucht, das sind über fünf Prozent mehr als im Jahr davor. Gerade in den Nationalparks sollte die Natur an erster Stelle stehen - doch genau die sind auch die größten Besuchermagnete. Der Druck auf die empfindliche Hochgebirgsnatur nimmt zu.

Von: Christian Riedl, Max Muth

Stand: 06.08.2016

Nationalpark Berchtesgaden: Obersee | Bild: BR/Christian Riedl

"In der Zwischenzeit kann's Wetter gar nicht so schlecht sein, dass nicht ein Haufen Leut' daherkommen. Die Leut' sind auf dem Weg, die haben ihre Touren geplant, die haben überall gebucht ... Da kann's noch so schlecht sein, die sind halt waschlnass. Aber jetzt mit der neuen Technik, mit dem Trockenraum, da geht das verhältnismäßig gut!"

Hüttenwirt der Wasseralm Horst Schöllmoser

Der Weg auf die Wasseralm im Nationalpark Berchtesgaden ist nichts für Gehfaule, mindestens zwei Tage sollte man für die Tour einplanen. Aber wer es dennoch wagt, der wird mit einem beeindruckenden Gebirgspanorama belohnt: Kleine Bäche durchziehen die fast flache, von den mächtigen Gipfeln des Steinernen Meers und des Hagengebirges umringte Hochfläche, dazu die urigen Hütten. Kühe gibt es auf der 1.423 Meter hoch gelegenen Wasseralm in der Röth längst nicht mehr – dafür ist sie zu abgelegen.

Seit fast 50 Jahren ist die Hütte an die Berchtesgadener Alpenvereinssektion verpachtet. Mitten in der Kernzone des Nationalparks, wo die Natur eigentlich sich selbst überlassen sein sollte, übernachten jedes Jahr rund fünfeinhalbtausend Bergwanderer: eine Gratwanderung zwischen Naturschutz und Tourismus.

"Es ist uns klar, dass man an solchen Zentren gewissen Sachzwängen ausgesetzt ist. Um diese Besucherzahlen zu bewältigen, braucht es eine gewisse Infrastruktur, das heißt, die Leute müssen sich irgendwo waschen können, sich versorgen können. Dass damit natürlich auch Hubschrauberflüge verbunden sind, die wiederum die Natur belasten ist uns klar, nur fällt uns im Moment keine andere Lösung ein."

Nationalpark-Wegereferent Lenzi Köppl

Mehr Umweltschutz durch Naturerlebnis?

Es ist durchaus im Interesse des Nationalparks, möglichst viele Urlauber in die Region zu locken. Gerne verweist man dort auf die Zahlen: 1,6 Millionen Besucher jährlich sorgen für 90 Millionen Euro Umsatz – die Region freut sich über rund 50 Millionen Gewinn, der Nationalpark gibt mehr als 570 Menschen im Berchtesgadener Land Arbeit. Außerdem ist man hier der Meinung, dass das Naturerlebnis bei den Besuchern zu mehr Verständnis für den Naturschutz führen kann.

"Der Nationalpark ist kein Museum, das man nur durch eine Käseglocke anschauen darf, sondern den darf man auch erleben!"

Nationalpark-Wegereferent Lenzi Köppl

Um dennoch die sensible Hochgebirgsnatur zu schonen, setzt die Nationalparkverwaltung auf Besucherschwerpunkte. Davon liegen ohnehin die meisten in den Tälern, zum Beispiel der Königssee. Trotzdem: rund fünf Prozent der Nationalparkbesucher, immerhin rund 80.000 Personen im Jahr sind im Hochgebirge unterwegs.

Die "Hauptschlagader" ist dabei der Weg durch das Steinerne Meer von der Gotzenalm über die Wasseralm zum Kärlingerhaus. Die Tour ist laut Köppl die beliebteste, bekannteste und vermutlich meist begangene Hochgebirgsdurchquerung in den Ostalpen.

Der Alpenverein ist in der Zwickmühle           

Auf den langen Wegen zwischen Kärlingerhaus, Wasseralm und Gotzenalm trifft man tagsüber gar nicht so viele Bergwanderer. Doch auf den Hütten konzentriert sich eben das Geschehen - und bringt auch den DAV in eine Zwickmühle, gibt Sektionschef Beppo Maltan zu. Schließlich ist Alpenverein gleichzeitig Bergsport- und Naturschutzverband.

"Wir achten die Natur, weil nur wenn wir die Natur achten, können wir sie auch erhalten. Unsere Schutzhütten in diesem Gebiet haben den Vorteil, dass wir die Biwakierer aus dem Gebiet rausbringen. Denn die können sehr viel kaputt machen."

DAV Sektionschef Beppo Maltan

Das neue Lager in der Wasseralm

Mit dem eigenen Reservierungssystem könne der Alpenverein zudem Besucherströme gut kontrollieren. Auf der Wasseralm wurden Waschräume gebaut, eine moderne Energieversorgung mit Solar und Rapsölkraftwerk und eine Biokläranlage. Jeden Dienstag fliegt der Hubschrauber, bringt Lebensmittel auf die Hütte – und fliegt Abfälle samt der festen Bestandteile des Abwassers ins Tal. Ein Kompromiss eben – zwischen Alpentourismus und Naturschutz.

Keine Maßstäbe für eine Begrenzung

"Man könnte sagen, wenn die Besucherströme in die ökologisch sensiblen Bereiche im Hochgebirge noch mehr werden, müssen wir die Besucherzahlen begrenzen. Nur ist die Frage: Für diese Begrenzung gibt es keine rechtlichen Handhabe, keine Werkzeuge, und es fehlen auch die Maßstäbe. Wo macht man den Schluss? Das geht nicht."

Nationalpark-Wegereferent Lenzi Köppl

Doch der Druck wächst, weiß DAV-Sektionschef Beppo Maltan, die Berge sind einfach in Mode. Deswegen nimmt er Bergwanderer und auch seinen Alpenverein in der Pflicht. Vor allem der Wildwuchs an Tourenvorschlägen müsse begrenzt werden.

"Jeder meint, wenn er irgendwo mal gegangen ist, muss er dann irgendwas ins Internet stellen. Das macht keinen Sinn. Meist sind's dann eh noch falsche Wege."

DAV-Sektionschef Beppo Maltan


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Endfünfzigerin, Samstag, 06.August 2016, 15:25 Uhr

5. Spruch meiner Oma: "Geduldige Schafe passen haufenweise in einen Stall."

Die Natur verträgt sehr viele Besucher! Also solche Wanderer, wie wir das aus unserer Jugend kennen, die sich plaudernd und die Landschaft genießend zu Fuß auf ausgewiesenen Pfaden betätigten. Die die während der Rast angefallenen Abfälle niemals achtlos in die Landschaft warfen. Sogar ab und an einkehrten, um den regionalen Anbietern ein Auskommen zu sichern. Genau aus diesem Grund ist unsere Bergwelt auch in aller Welt als sehenswert geschildert worden und es hieß nicht umsonst "Deutschland ist wunderschön"! Mittlerweile sind wir ja bei der Sauberkeit an die achte Stelle gerutscht, wie ich letztens las; also landschaftlich gesehen. In den Städten sind wir wohl noch weiter zurück gefallen. Eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit unseren Werten ist leider unübersehbar,. Dabei sollte sich jeder Bürger bewusst sein, die Natur zu achten und für die Nachkommen so zu erhalten. Ich denke auch, wir Ansässigen wissen es zu schätzen. Aber leider wird Deutschland immer bevölkerungsreicher.

  • Antwort von Barbara, Samstag, 06.August, 15:46 Uhr

    Sie sagen es: Deutschland ist das bevölkerungsreichste Land in der EU. Eine Überfüllung verträgt das Land nicht! Man kann nicht von München bis Garmisch alles zubetonieren und Wohnungen bauen! In der Bibel heißt es, ihr sollt die Erde erfüllen, aber nicht überfüllen! Denn bei einer Überfüllung kann keiner mehr leben!

  • Antwort von Macburgerisierjng der Gesellschaft, Sonntag, 07.August, 09:49 Uhr

    Wo wird denn heute noch Rücksichtnahme gelehrt und gelebt?
    Weder in den Familien noch in Lehranstalten, noch sonstwo.
    Schauen Sie sich doch nur mal an, was auf den Straßen los ist. Jeder kennt nur sich und jeder ist sich selbst der Nächste.
    Wer beschäftigt sich denn überhaupt noch mit dem eigenen Umfeld? Jeder glotzt nur noch auf seinen mobilen Bildschirm.
    Und dazu kommen noch die Amibuden mit ihrem Einwegverpackungsfrass. Die machen Geld mit dem Versauen der Umweltu der Staat schaut sich das ungeruehrt an. Es ist doch bodenlos!

  • Antwort von Barbara, Sonntag, 07.August, 13:10 Uhr

    Wer glotzt auf seinen "mobilen Bildschirm"? Viele Leute haben weder einen "mobilen Bildschirm" noch einen Fernseh-Anschluß! Trotzdem besitzt die Medien-Industrie, sprich GEZ, die Dreistigkeit, Fernsehgebühren auch von Leuten ohne TV-Bildschirm abzukassieren! Die Medien gerieren sich in einer Dreistigkeit, als hätten sie alle Macht der Welt gepachtet!

Robert Eibl, Samstag, 06.August 2016, 13:59 Uhr

4. mit dem MTB zur Gotzenalm

man sollte sich vielleicht nicht den heißesten Tag des Jahres aussuchen, ausreichend Flüssigkeit mitnehmen, dann kann man auch mal nachmittags vom Jenner zur Gotzenalm mit dem Radl - OK, ein paar Wege muss man dann doch das MTB schieben. Wenn man Glück hat, sieht man ein paar tolle Schmetterlinge (ich sag aber jetzt nicht welche... die erholen sich m.E. seit 30 Jahren im Berchtesgadener Land, obwohl sie seit über hundert Jahren deutschlandweit oft ausgerottet wurden, allerdings auch durch Sammler)

Schorsch, Samstag, 06.August 2016, 12:54 Uhr

3. … und macht Euch die Erde untertan …

Schöner als »Naturfreund« im ersten Kommentar kann man das Elend der Natur in diesem überbevölkerten Land nicht beschreiben. Es werden Nationalparks angelegt, in die Horden von Städtern einfallen, anstelle einen großen Zaun darum zu ziehen und den Zutritt zu verbieten, um der übrig gebliebenen Tier- und Pflanzenwelt einen Rückzugsraum und Schutz vor Mensch und Haustier zu bieten.

Schuld an der Misere ist die aktuelle Wirtschaftstheorie des ungebremsten Wachstums, zu der noch niemand eine Alternative gefunden hat. Anstelle es zu begrüßen, daß die Zahl der Einwohner in diesem Land sinkt, werden seit Jahren neue Menschenmassen für gesteigerten Konsum ins Land geholt. Und alle Parteien begrüßen dies, ganz speziell die angeblichen Umweltschützer der GrünInnen-Partei ("...") Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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  • Antwort von Barbara, Samstag, 06.August, 15:05 Uhr

    "macht euch die Erde untertan"? Wirklich? Steht das so in der Bibel? Nein, Sie müssen schon die Bibel genau lesen, denn es heißt: "Wachset und mehret euch und ERFÜLLET die Erde und macht euch die Erde untertan! Wobei die Erfüllung der Erde keine Ausbeutung und keine Überfüllung verträgt! Wer also die Erde überfüllt und ausbeutet, der sündigt gegen sich selbst, gegen die Natur und gegen Gott!

Hirmschnalz, Samstag, 06.August 2016, 11:12 Uhr

2. Riedberger Horn

Man sollte vor allem Neubauten in Schutzgebieten unterlassen!
Was die Bayerische Staatsregierung und die Gemeinden Balderschwang und Untermaiselstein am Riedberger Horn vorhaben, ist ein Verbrechen!

Naturfreund, Samstag, 06.August 2016, 10:50 Uhr

1. Regelung notwendig

Solange wir unsere schützenswerte Natur als reines Freizeitareal begreifen, in dem jeder machen kann was er will, wird es damit weiter bergab gehen. Seriöser Naturschutz sieht anders aus. In vielen Ländern dürfen Nationalparks nur mit Genehmigungen betreten werden; für Verstöße wie wildcampen, Müllentsorgung etc. gibt es empfindlche Strafen. Man sollte sich endlich einmal ernsthaft überlegen, was in Bayern die Natur überhaupt noch wert ist, wenn ihre wirtschaftliche Ausbeutung stets an erster Stelle steht. Aber erst, wenn die letzte Blume zertrampelt und der letzte Luchs verschwunden ist...

  • Antwort von Hans, Samstag, 06.August, 11:52 Uhr

    Naturfreund,
    die Natur ist eines unserer höchsten Güter -- weil es noch ein Stück Freiheit den Menschen bietet! Gesundheit, Fröhlichkeit und bei offenen Augen kann man die Schönheit in allen Teilen unseres Landes bewundern. Deshalb ist höchste Zeit, dass Verstöße jeglicher Art unter scharfer Strafe gestellt werden.
    Ihre Aussage mit der wirtschaftlichen Ausbeutung möchte ich ganz besonders unterstreichen. Der Alpenbereich hat dadurch sehr viel vom großartigen Reiz verloren.

  • Antwort von Josefine, Samstag, 06.August, 15:55 Uhr

    Kenne die Wasseralm seit ca. 50 Jahren - meine Lieblingsalm war sie lange Zeit und fast jährlich oben - aber was jetzt dort stattfindet ist ein Frevel, ein Egoismus und eine Rücksichtlosigkeit, der aber leider nicht Einhalt geboten wird, da brauchts dann auch noch diese Artikel!!: In der Dämmerung macht sich das "Hüttenvolk" (nicht alle) auf mit Stirnlampen, Warmbildkameras und Wanderstecken und bevölkert wie wildgewordene Glühwürmchen die herrliche - normalerweise - stille Almfläche, auf der jahrzehntelang Hirschkühe und Hirsche durchgezogen sind (jetzt Vergangenheit!)- . Selbst Hüttenfenster werden dann geöffnet, um den "Hirschen zuzurufen" (alles persönlich erlebt). Die Problematik ist mir bewusst, müssen es aber dann noch 2 Neubauten in der höchsten Schutzzone des Nationalparks sein?

  • Antwort von Brain 09, Samstag, 06.August, 16:04 Uhr

    Naturfreund und Hans bringen es auf den Punkt Mir blutet das Herz, wenn ich von Würzburg aus am Main entlang spaziere oder auch mal die umliegende Wälder wie Spessart Steigerwald etc besuche und all den Unrat sehe der überall rumliegt oder angeschwemmt wird!Was Jahr für Jahr wohl auch zunimmt! Ich denke hier muß unsere Staatsregierung viel Härter durchgreifen und Übeltäter bestrafen! Es ist bedauerlich das unsere "Wegwerfgesellschaft" nicht einmal mehr soviel Anstand besitzt mitgebrachtenMüll wieder wegzräumen oder mitzunehmen! Es fängt ja schon damit an, das Hunde überall Hinkacken dürfe! Am besten sind dann noch die "Naturliebhaber" mit Stöpseln in den Ohren und Smartphon vor der Nase! Da frag ich mich schon warum sie überhaupt in die Natir gehen!? Arme Gesellschaft! Ich denke unsere Natur verträgt schon einiges man muß nur sorgsam mit Ihr umgehen! Und einfach wieder lernen Rücksicht zu nehmen! Dann funktioniert es auch!