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Drohende Zerschlagung Gnadenfrist für Tengelmann

Eigentümer Karl-Erivan Haub hat die Pläne zur Zerschlagung von Tengelmann für zwei Wochen ausgesetzt. In dieser Zeit wollen Tengelmann, Edeka, Rewe und die Gewerkschaft Verdi einen letzten Versuch unternehmen, doch noch eine einvernehmliche Lösung im Streit um die Supermarktkette zu finden.

Von: Ulrich Trebbin

Stand: 23.09.2016

Tengelmann-Tüte | Bild: pa/dpa/Rolf Vennenbernd

Wenn diese Verhandlungen allerdings scheitern, dann will der Eigentümer sofort mit dem Einzelverkauf der Filialen beginnen. Das könnte das Aus für Tausende von Arbeitsplätzen bedeuten. Weil sich die Lage des Unternehmens zunehmend verschlechtert, hätte der Ausverkauf der Supermarktkette nach Haubs Worten eigentlich schon in der kommenden Woche beginnen sollen. Der Kaufvertrag mit Edeka sollte aufgekündigt werden, und die ersten Angebote für die Filialen in der Vertriebsregion Nordrhein sollten eingeholt werden.

Erste Fortschritte

Davon will Haub jetzt erstmal absehen. Damit ruhen auch die für einen solchen Schritt erforderlichen Sozialplanverhandlungen. Der Grund für die Frist: Am Donnerstagabend ist bei einem Krisengipfel mit den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und dem Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske überraschend Bewegung in die seit Monaten verhärteten Fronten gekommen. Die Handelschefs verständigten sich, zeitnah eine "tragfähige, gemeinsame Lösung" für die angeschlagene Supermarktkette zu finden - im Interesse aller Beteiligten und der Beschäftigten.

"Ich bin dankbar, dass der 'Runde Tisch' zustande gekommen ist, und hoffe, dass noch eine Lösung im Sinne unserer Mitarbeiter gefunden werden kann. Sollten die Bemühungen um eine Umsetzung der Ministererlaubnis jedoch erfolglos sein, wird der Vertrag mit Edeka enden und wir werden in die Einzelverwertung gehen."

Karl-Erivan Haub, Tengelmann-Chef.

Finanzielle Misere

Zu diesem Zeitpunkt werde sich die Inhaberfamilie dann auch aus dem Aufsichtsratsgremium von Kaiser's Tengelmann zurückziehen, kündigte er an. Haub betonte, die Lage verschlechtere sich durch die nun seit fast zwei Jahren andauernde Hängepartie immer mehr: "Kundenzahlen und Umsätze sinken und das Geschäft bricht zunehmend weg." Die Folge sei ein dramatischer Anstieg der monatlichen Verluste und die Verschlechterung der Unternehmenssubstanz. Kaiser's Tengelmann habe deshalb nicht die Zeit, eine Klärung der umstrittenen Fragen auf dem Rechtsweg abzuwarten.

Mitarbeiter hoffen

Bei den Beschäftigten keimt Hoffnung auf eine Rettung von Kaiser's Tengelmann in letzter Minute. Der Berliner Betriebsratsvorsitzende Volker Bohne sagte, er setze nach wie vor auf eine Komplettübernahme des Konzerns durch Edeka, "weil es die einzige Möglichkeit ist, alle Arbeitsplätze zu erhalten". Branchenprimus Edeka sowie Kaiser's Tengelmann hatten die Fusion vor etwa zwei Jahren beschlossen. Doch das Bundeskartellamt legte sein Veto ein, weil es Wettbewerbsbehinderungen und Preiserhöhungen befürchtete. Zwar hebelte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) das Zusammenschlussverbot über eine sogenannte Ministererlaubnis aus. Doch gelang es Rewe und Markant mit einer Klage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, die Umsetzung der Ausnahmegenehmigung vorläufig zu stoppen.

Ministererlaubnis

Eine Ministererlaubnis wird nur sehr selten beantragt - und noch seltener erteilt: Von den bisher 22 Anträgen wurde in nur neun Fällen eine solche Sondergenehmigung vergeben. Und die jüngste Erlaubnis ist für den Bundeswirtschaftsminister von Anfang an ein Ärgernis. Platzt die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch Branchenprimus Edeka, geht es auch um die Rolle Sigmar Gabriels. Der weist jede Mitverantwortung von sich und sagt, er würde aus heutiger nichts anders machen. Als Gabriel Mitte März die Fusion von Edeka und Tengelmann unter strengen Auflagen erlaubt - gegen den Willen der Wettbewerbshüter - , attackiert den Minister die Opposition, und der Edeka-Konkurrent Rewe kündigt an, beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde einzulegen. Die Richter stoppen den Deal.
Außerdem ist der Beschluss des Ersten Kartellsenats eine Ohrfeige für den Vize-Kanzler. Dass jetzt Tausende Mitarbeiter mit Bangen auf die kommenden zwei Wochen schauen, ist wohl kaum Gabriel anzulasten. Die Schuldigen seien eher in den beteiligten Unternehmen zu suchen, heißt es in der Branche. Die Misere sei vor allem Folge des bisherigen Managergebarens und persönlicher Abneigungen auf einem umkämpften Markt. Für den SPD-Chef dürfte es aber noch manch unangenehme Frage geben.


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