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Szenarien für den Syrien-Krieg Wie der IS besiegt werden könnte

Arabische Analytiker sind sich einig darin, dass es richtig ist, die Terrormiliz IS ins Visier zu nehmen. Sie sagen aber auch: Luftschläge allein werden nicht reichen.

Von: Björn Blaschke

Stand: 09.12.2015 | Archiv

Syrischer Junge wischt den Boden - neben ihm liegt ein Toter | Bild: picture-alliance/dpa

Sarkies Na'oum ist Kolumnist der Zeitung An-Nahar. Er gilt als einer der Syrien-Kenner des Libanon.

"Eine militärische Intervention ist notwendig. Und zwar mit mindestens 100.000 Soldaten. Wer mit dem IS Schluss machen will, braucht 100.000 Soldaten mindestens, die voll ausgestattet sind - mit allen Waffengattungen und die unterstützt werden aus der Luft. Innerhalb eines Monats würden sie den IS schlagen, aber sie brauchen mindestens 18 Monate um in einer Haus-zu-Haus Operation mit dem IS aufzuräumen. In Syrien und im Irak"

Sarkies Na'oum, Kolumnist

Eine Ansicht, die der Irakischer Politologe Faleh Abdul-Jaber teilt.

"Ich denke, es sollte eine amerikanisch-russische Übereinkunft sein. Dabei würden wahrscheinlich die Differenzen mit Russland wegen der Ukraine eingefroren. Die Sanktionen gegen Russland aufgehoben. Und dann gemeinsame Bodentruppen"

Faleh Abdul-Jaber

Je weniger Staat, desto mehr IS

Aber: Wer den IS bekämpfen will - und Szenarien für die Zukunft Syriens durchspielt - darf eine Frage nicht außer Acht lassen: Was hat das Erstarken der Terrororganisation überhaupt möglich gemacht - in Syrien, im Irak oder wie jüngst in Libyen? Die Antwort ist auf eine Formel zu bringen: Je weniger Staat, desto mehr IS. Das heißt: Der IS kann dort am besten Fuß fassen, wo staatliche Institutionen versagen, wo die Gesundheitsversorgung zum Beispiel unzureichend ist, die Schulen schlecht sind, wo Korruption herrscht.

Krieg gegen die eigenen Bürger

Der IS kann Anhänger gewinnen, wenn eine Regierung die Bevölkerung verliert: sie vernachlässigt oder gar bekriegt. Wie zum Beispiel in Syrien, wo das Regime Fassbomben, Milizen und Geheimdienstler gegen die eigenen Bürger einsetzt. Das bedeutet aber auch, dass der IS jetzt zwar bombardiert werden kann. Und morgen noch mehr. Und, dass es übermorgen vielleicht sogar zu einer großen Bodenoffensive kommt - unter Beteiligung von Russland und den USA. Aber solange an den politischen Umständen nichts geändert wird, können Terroristen getötet werden, aber die Ideologen, denen sie folgen, werden immer wieder erstarken. Der IS ist lediglich ein schreckliches Symptom. Man muss an seine Ursache! Und das bedeutet, dass jetzt einmal mehr prinzipielle Fragen beantwortet werden müssen.

Wie soll ein Ende des Krieges in Syrien erreicht werden?

Sollte mit Bashar al-Assad verhandelt werden, wie es die Russen wollen? Obwohl er ursächlich für mindestens 200.000 Tote verantwortlich ist? Oder sollte nicht mit Assad verhandelt werden? Was die USA bevorzugen würden. Direkte Gespräche mit Assad wären keinesfalls erstaunlich, weil sie im Interesse all jener lägen, die Angst vor weiteren Flüchtlingen haben. Oder davor, dass die Hauptstadt Damaskus in die Hände militanter Islamisten fällt - denen des IS oder Al-Kaidas.

Es braucht eine gemensame Syrien-Linie

Assad, das weiß jedoch jeder, kann keinesfalls langfristig ein Partner sein. Wer eine Partnerschaft mit Assad und seinen bewaffneten Einheiten eingeht, wird bei einem großen Teil der Syrer Hass provozieren. Innerhalb des Regimes sind jedoch durchaus Köpfe, die Assads Rolle übernehmen könnten. Zumindest mittelfristig. So oder so: Für einen Kampf gegen den IS muss jedenfalls eine gemeinsame Syrien-Linie her; eine, die die USA und Russland, Saudi-Arabien und der Iran, aber auch die Euopäer vertreten können - und nicht zuletzt die Syrer. Der libanesische Syrien-Kenner Sarkies Naoum dämpft jedoch mögliche Erwartungen.

"Denken Sie nicht, dass es eine Lösung gibt in dem Zeitraum, in dem Präsident Obama noch im Amt ist! Das ist vorbei. Und in der Zeit, die er noch im Amt hat, wird er die USA bestimmt nicht in einen großen Bodenkrieg verwickeln. Das wird dem neuen Präsidenten überlassen. Daher sage ich: Es zeichnet sich erst einmal keine Lösung am Horizont ab"

Sarkies Na'oum Kolumnist der Zeitung An-Nahar


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