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Baustart des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs Meilenstein mit Misstönen

Sechs Jahre nach Baubeginn des hoch umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 wurde heute die Grundsteinlegung für den neuen Tiefbahnhof gefeiert. Ein Meilenstein für die Bahn. Deren Chef Rüdiger Grube überging bei seiner Rede die Pfiffe und Buh-Rufe am Rande. Er sprach von einem "großen Geschenk" an die baden-württembergische Landeshauptstadt.

Stand: 15.09.2016

Stuttgart 21-Gegner bei der Grundsteinlegung | Bild: picture-alliance/dpa

Grube erklärte, Stuttgart erhalte dadurch zusätzliche Flächen in einer Größenordnung von etwa einem Quadratkilometer. Wenn das Projekt fertig sei, werde es viele begeistern. Millionen Fahrgäste würden von kürzeren Reisezeiten, neuen Direktverbindungen und erweiterten Angeboten profitieren. Grube bezeichnete das Projekt außerdem als "unumkehrbar". Am Rande der Veranstaltung gab es seitens rund 150 Projektgegnern neue Proteste gegen das Projekt - auch wegen der hohen Kosten.

Politprominenz sagte ab

Die Einladungen für den Festakt zur Grundsteinlegung waren schon Anfang Juli versandt worden. Trotzdem konnten sich viele Politiker den heutigen Termin nicht einrichten. Absagen kamen sowohl von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), als auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Ebenfalls verhindert waren Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der Landesvorsitzende der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl. Selbst Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) musste sich entschuldigen lassen.

Statt mit viel Politprominenz aus der ersten Reihe wurde dem neuen Tiefbahnhof nun mit Stellvertretern, wie dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Norbert Barthle (CDU) und Stuttgarts erstem Bürgermeister, Michael Föll (CDU), der große Bahnhof gemacht.

"Die Absagen [der Grünen] sind auch deshalb erschreckend, weil sie zeigen, dass auch heute noch kein Miteinander in diesem Projekt erreicht ist."

Architekt Christoph Ingenhoven

Christoph Ingenhoven, der Architekt des ehemals prestigeträchtigen Bahnhofprojekts, zeigte sich vorab sauer. "Das ist für mich unverständlich", sagte er, denn der Festakt sei ein wichtiger Schritt in einem staatlich subventionierten Großprojekt, das die Zustimmung der Volksvertreter und auch direkt der Bevölkerung bekommen habe. Ingenhoven sieht die Absage als Beleg, dass es politischen Entscheidungsträgern noch immer an der notwendigen Sachlichkeit beim Thema Stuttgart 21 mangele.

Etappen eines Großprojekts

Die Grünen hatten das Milliarden-Projekt in der Tat von Anfang an kritisch gesehen. Letztlich war ihre Haltung zu Stuttgart 21 neben der Atomkatastrophe von Fukushima einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die Grünen 2011 im Ländle von der Opposition auf die Regierungsbank wechseln konnten. Nach der Volksabstimmung im November 2011, bei der die Stuttgart 21-Gegner mit 41,2 Prozent unterlagen, hatten sich die Grünen eigentlich mit dem Weiterbau arrangiert. Nicht nur sie: Es war generell immer stiller geworden um Stuttgart 21. Statt Tausender Gegner zogen jeden Montag nur noch Hunderte durch die Straßen der Landeshauptstadt.

Kostenexplosion?

Im Juli flammte der Protest jedoch erneut auf, als durchsickerte, dass das Projekt statt der offiziell veranschlagten 6,5 Milliarden Euro bis zu zehn Milliarden Euro kosten könnte. Außerdem sei die Finanzierung der Mehrkosten völlig ungeklärt. Die Deutsche Bahn hatte die Medienberichte zurückgewiesen und erklärt, das Projekt innerhalb des Finanzierungsrahmens bauen zu wollen. Trotzdem gingen wieder Tausende auf die Straße.

Die Befürchtungen der Stuttgart 21-Skeptiker wurden gestern indirekt bestätigt. Der Bundesrechnungshof übergab dem Bundestag seinen Prüfbericht zum Bahnvorhaben Stuttgart 21. In diesem nimmt er das Bundesverkehrsministerium in die Pflicht. Weil das Ressort von Alexander Dobrindt eine begleitende Überwachung des Großprojektes ablehne, könnten "bedeutende finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt" entstehen, resümieren die Finanzkontrolleure.

"Deshalb hält es der Bundesrechnungshof für dringend geboten, dass das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur als wichtiger Zuwendungsgeber künftig seine Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten beim Projekt Stuttgart 21 konsequent ausschöpft."

Bundesrechnungshof

"Grabsteinlegung" statt Grundsteinlegung

Kein Wunder, dass die Bahnhofsgegner den heutigen Termin von Grundsteinlegung in "vorgezogene Grabsteinlegung" umbenannten.

Dabei sollte diese der symbolische Startschuss für den Bau des unterirdischen Durchgangsbahnhofs sein. 1996 hatte der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven den Wettbewerb um den besten Entwurf gewonnen. Eine 400 Meter lange und 80 Meter breite Betonplatte in zwölf Metern Tiefe soll die Basis für die künftigen Gleise und Bahnsteige bilden. Der Beton dafür - insgesamt 5.000 Kubikmeter - wird in einer Stärke von 1,20 bis 2,50 Meter aufgetragen. 27 Lichtaugen sollen das Sonnenlicht unter die Erde bringen. Die ersten Züge sollen nach offizieller Ankündigung Ende 2021 durch den neuen Tiefbahnhof rollen.

Seit 2010 wird gebaut. Nahezu 20 der 59 Kilometer Tunnelstrecke unter der Stadt sind bereits gegraben oder vorgetrieben, auf der Neubaustrecke nach Ulm sind es nach Angaben der Bahn weitere 32 von 61 Tunnel-Kilometern. Eine Röhre vom Nordkopf des künftigen Hauptbahnhofs in Richtung Stadtteil Bad Cannstatt ist fast fertig, nur 250 Meter der etwa 2,5 Kilometer fehlen noch.


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Udo Pablitschko, Freitag, 16.September 2016, 13:21 Uhr

20. Schau´mer mal...


BER läßt grüssen !

Ich denke, dass viele Freunde und Befürworter dieses Monsterprojekts, und auch der größte Tei der BR-Kommentatoren -biologisch bedingt- ,
die Inbetriebnahme sowieso nicht erleben werden....

Deshalb, GANZ COOL bleiben!

  • Antwort von Thomas Borchert, Freitag, 16.September, 19:11 Uhr

    Udo - You save may Day!

Bahnfahrer, Freitag, 16.September 2016, 12:19 Uhr

19. Fundamentalopposition...

ist immer einfach und erspart einem auch, sich mit Fakten auseinandersetzen zu müssen. Es möge sich ein jeder mal ausmalen, in welcher Welt wir leben würden, wenn sich die durchsetzen würden, die immer aus Prinzip gegen alles sind: Straßen, Bahnhöfe, Startbahnen, Stromleitungen...
Wer meint, heutzutage ohne eine vernünftige Infrastruktur auszukommen, soll sich irgendwo auf der Welt ein Plätzchen suchen, wo es das alles nicht gibt und dort glücklich werden.
Außerdem: Hauptsache ist doch, daß der neue Durchgangsbahnhof möglichst schnell fertig wird.
Denn die große Mehrheit der Bahnfahrer auf dieser Strecke fährt nicht NACH Stuttgart sondern nur DURCH Stuttgart, was im Moment durch den alten Sackbahnhof überproportional viel Zeit kostet.

  • Antwort von Bürger, Freitag, 16.September, 12:47 Uhr

    Das Zauberwort heißt ''Vernünftige Infrastruktur''. Stuttgart 21 ist alles andere als Vernünftig. Das der Schrägbahnhof überhaupt genehmigt wurde, ist ja schon ein Wunder. Aber auch bei diesem Projekt wird es Gewinner geben. Die Stuttgarter leider nicht.

  • Antwort von Tom, Freitag, 16.September, 13:00 Uhr

    Überproportional viel Zeit im Sackbahnhof Stuttgart? Das war einmal als die Lokomotiven noch umrangiert werden mußten. Und das war auch das Argument als man vor gefühlten 100 Jahren mit den Planungen für einen Durchgangsbahnhof begonnen hat.
    Mittlerweile ist die Zugtechnik so weit, daß der Zug binnen drei bis fünf Minuten den Bahnhof Stuttgart wieder verläßt. Er steht also nicht länger als in Augsburg, Ulm oder sonst wo. Längere Wartezeiten sind fahrplanbedingt, das heißt es wird auf Anschlußzüge gewartet oder auf eine Streckenfreigabe. Das wären teuer erkaufte Sekunden, wenn das das einzige Argument ist, welches die jahrzehntelange Planung überlebt hat.
    Also lieber Bahnfahrer: Erst mal den Fahrplan studieren oder die Strecke einfach mal selber fahren und nicht einfach alles nachplappern was in alten Prospekten steht.

  • Antwort von Bahnfahrerin, Freitag, 16.September, 13:44 Uhr

    Sie machen es sich schön einfach. Alle, die etwas dagegen haben, sind "Fundamentalopposition". Dann müssen vor allem Sie sich nicht mehr mit Einzelheiten oder gar Fakten beschäftigen.
    Sie sind heute nicht der Einzige, der sich durch Nichtwissen auszeichnet, aber dazu viel Meinung hat. Sonst wüssten Sie, dass es gerade im Fall von S21 um berechtigte inhaltliche Fragen ging und nicht einfach nur um ein paar Proteste "aus Prinzip".
    Was Sie wollen, nämlich schneller durchfahren, ist keineswegs gewährleistet. Momentan dauert das ein paar MInuten, ich möchte aber nicht wissen, was sein wird, wenn vor dem ICE eine S-Bahn zuckeln wird. Das war nur einer der Kritikpunkte.

Johnny LikeWise , Freitag, 16.September 2016, 11:42 Uhr

18. S21 Baustart

Die besorgten Bürger des grünroten Protestlagers projizieren ihre Ängste vor Veränderung auf ein Verkehrs-Tiefbau-Projekt und gefallen sich in der Rolle der Zukunftsverweigerer und Technologiefeinde. Gewolltes wie Wachstum, erhöhtes Verkehrsaufkommen mit Europa und der ganzen Welt, Konkurrenzfähigkeit, Integration bleiben so auf der Strecke. Die Vernunft wurde spätestens bei der letzten Landtagswahl begraben. eins

  • Antwort von BaWü, Freitag, 16.September, 12:54 Uhr

    Erhöhtes Verkehrsaufkommen? Sie waren noch nie in Stuttgart. Stuttgart einer der dreckigsten Städte Deutschlands. Tägliches Verkehrschaos, Für dieses Bahnprojekt hat man auch noch hunderte uralte Bäume gefällt. Und das Beste, wer kann fährt mit allem, bloß nicht mit der Bahn.

  • Antwort von Schorsch, Freitag, 16.September, 13:12 Uhr

    Schon komisch wenn dieser Pfusch als Zukunft bezeichnet wird. Passt aber bestens zum Gesamtbild unserer Republik. Der Berliner Flughafen BER läuft wohl auch unter Zukunft. Die ganze Welt lacht.

wolli31, Freitag, 16.September 2016, 11:42 Uhr

17. stuttgart21

Da kann man schön sehen welche Demokraten die "GRÜNEN" sind !
Die Mehrheit hat nicht so abgestimmt wie die ewigen Besserwisser und Verhinderer es haben wollten , schon ist man pikiert und beleidigt .
Von Herrn Kretschmann hatte ich bisher eine gute Meinung . Aber er traut sich offensichtlich nicht die grüne Basis gegen sich aufzubringen .
wolli31
PS : ein gewisser Herr Ulbricht sagte einmal : " Was Demokratie ist , das bestimmen wir !!!"

  • Antwort von Paul, Freitag, 16.September, 13:13 Uhr

    Keiner hätte die Absicht einen Bahnhof zu bauen. Mal sehen was es wird.

Niko, Freitag, 16.September 2016, 11:32 Uhr

16. Unsere Politiker,

zeigen einmal mehr Ihren wahren Charakter. Es mag ja sein, dass der Eine oder Andere tatsächlich wichtigere Termine hat, aber ich vermute, bei den Meisten sind diese nur vorgeschoben.
Zumindest bei den Befürwortern des Projektes dürfte eine Teilnahme nicht in Frage gestellt werden. Von den Anderen dürfte man als Bürger wenigstens Ehrlichkeit erwarten und keine faulen Ausreden.

  • Antwort von Münchner Realist, Freitag, 16.September, 11:48 Uhr

    Wichtig ist doch das Herr Oettinger, Herr Mappus, Herr Strobl u.s.w. kommen. Die Bahnbosse werden auch kommen. Dobrindt als verantwortlicher Minister, wird es sich noch überlegen Die Immobilienhaie werden auch vor Ort sein. Diejenigen die das alles bezahlen müssen, sind bei solchen Veranstaltungen nicht erwünscht. So viel Ehrlichkeit muss sein.