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CSU-Nachfolgedebatte Machtkampf mit offenem Ausgang

Auch wenn Seehofer noch fast zwei Jahre bayerischer Ministerpräsident bleiben will – die ersten entscheidenden Weichenstellungen werden bereits in wenigen Wochen vorgenommen. Seehofer selbst will dabei den Takt vorgeben – folgt ihm seine Partei?

Von: Sebastian Kraft

Stand: 31.10.2016 | Archiv

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und der bayerische Finanzminister Markus Söder | Bild: picture-alliance/dpa/Sven Hoppe

Vor zwei Wochen im Bayerischen Landtag war wieder einer der Momente, wo man spürte, wie die beiden Alphatiere der CSU miteinander rangen. Regierungserklärung zum Länderfinanzausgleich. Seehofer tritt ans Rednerpult und feiert seine eigene Leistung, Bayern ab 2020 mit über eine Milliarde Euro jährlich zu entlasten. Die Fraktion klatscht artig.

Seehofer oder Söder?

Während Seehofer redet, sitzt Söder auf der Regierungsbank, tippt nervös mit seinen Schuhen, als Seehofer zu Dankesrede ansetzt: „Ich möchte deshalb auch allen danken…“ Er erwähnt viele – nur einen nicht: Seinen Finanzminister. Ausgerechnet Markus Söder, der für entscheidende Weichenstellungen auf dem Weg zur Einigung die Vorarbeit geleistet hat. Das fällt auch der Opposition auf, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Volkmar Halbleib ruft dazwischen, Seehofer gibt den Überraschten: "Auf Aufforderung, Markus, einen tiefen Dank an den bayerischen Finanzminister."

Politisches Theater

Danach folgt eine Mischung aus denkwürdigem und absurdem Theater. Die Fraktion klatscht und klatscht – länger als bei der Rede Seehofers. Der bayerische Ministerpräsident versteht sofort, wie gefährlich diese Situation für ihn jetzt werden könnte und geht vom Rednerpult zu Söder, fordert ihn mit einer Handbewegung zum Aufstehen auf, reicht ihm die Hand und lässt sich so indirekt mitbeklatschen. Es sind solche Kleinigkeiten, die trotz zur Schau gestellter Harmonie nicht überdecken können, wie hinter den Kulissen um die Zukunft der CSU gerangelt wird. Vor allem seit Seehofer ankündigte:

"Ich wäre bereit, mein Amt als Parteivorsitzender nächstes Jahr zur Verfügung zu stellen, um unsere personelle Basis zu verbreiten und in Berlin ein Stück mehr Durchschlagskraft zu bekommen."

Horst Seehofer am 24.10.2016

Söders Dilemma

Den Parteivorsitz abgeben und selbst bis 2018 bayerischer Ministerpräsident zu bleiben, das ist Seehofers Plan. Seinen Rivalen und heißesten Anwärter auf die Nachfolge, Finanzminister Markus Söder hat er damit in ein Dilemma manövriert: Denn Söder machte nie einen Hehl daraus, dass er von Seehofer eigentlich beide Ämter übernehmen, aber dafür nicht nach Berlin will.

"Ich persönlich bin in Bayern und bleibe in Bayern und ich glaube, dass die Bürger hier mich auch sehr gerne sehen. Ich schließe das komplett aus."

Markus Söder, 07.09.2016 im Münchner Presseclub

Seit Jahren reist Söder durch Bayern, eine Art Dauerwahlkampf, um Seehofer als bayerischen Ministerpräsidenten zu beerben. Wenn er jetzt ablehnt nach Berlin zu wechseln, birgt das für ihn eine große Gefahr, sagt ein langjähriger CSU-Beobachter:

"Da gäbe es schon Herausforderungen und Chancen. Und das gemeinsam, Chance und Herausforderung, nicht zu sehen, wäre natürlich schon ein Grund ihm vorzuwerfen, nicht an das Gesamtwohl der Partei, sondern nur an sich selbst zu denken."

Heinrich Oberreuter, Politikwissenschaftler

Seehofers Plan

Söders parteiinterne Gegner, die wenig überraschend Seehofers Freunde sind, haben erkannt, wie genial Seehofers Schachzug einer Ämtertrennung im Geschachere um die Nachfolge genutzt werden kann. Dass Seehofer jahrelang eigentlich genau die gegenteilige Auffassung vertrat und seit 2008 selbst beide Ämter in Personalunion inne hat – geschenkt. Neben Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt preist am Montag am Rande der Vorstandssitzung auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Vorzüge der Ämtertrennung: Ministerpräsident in München, Parteivorsitz in Berlin.

"Ich halte das für eine strategisch gute Überlegung und unterstütze das nachdrücklich. Koalitionsausschüsse haben auch Gewicht in den vergangenen Jahren gewonnen. Sie werden durch die Parteivorsitzenden geführt. Deswegen ist es konsequent und richtig zu sagen, dass der Parteivorsitzende der CSU zukünftig einen Platz in Berlin haben sollte."

Alexander Dobrindt

Söder, dem diese Äußerungen über sein Netzwerk natürlich sofort zu Ohren gekommen sind, kontert: "Wie wir uns dann irgendwann aufstellen mit Ämtern – da kann ich nur jedem raten, der das diskutiert – das hinten anzustellen."

Seehofers Joker

Bleibt die Frage, wer außer Söder nach Berlin gehen würde. Realistisch ist nach wie vor nur ein Name: Joachim Herrmann, Seehofers Joker. Herrmann selbst schweigt zu diesen Planspielen und fühlte sich am Rande der Vorstandssitzung sichtlich unwohl, als ihm diese Fragen gestellt wurden.

"Jetzt warten wir mal ab, welche Vorschläge der Parteivorsitzende (Seehofer) macht und dann werden wir uns das alles in Ruhe anschauen."

Joachim Herrmann

Als noch mehr Nachfragen kamen, frotzelte sich Herrmann aus der Situation heraus: "Gibt es auch ernsthafte Fragen?“ und war dann sichtlich erleichtert, als ihn eine Journalistin nach dem Reichsbürger-Problem bei der bayerischen Polizei fragte. Endlich wieder durch Sachpolitik glänzen – Herrmanns Paradedisziplin. Alles weitere lässt der Mittelfranke auf sich zukommen.

Kein offener Machtkampf

Seehofer machte am Montag klar: Er selbst will im ersten Quartal 2017 Vorschläge machen, wer für ihn nach Berlin gehen und damit dann wohl auch den Parteivorsitz übernehmen soll. Die entscheidende Frage ist nur, ob die Partei ihm weiter folgt. Denn ein geordneter – oder wie Seehofer sagt: „organischer“ – Übergang ist in der CSU-Historie eher die Ausnahme. Und Seehofers Ankündigung, Macht abzugeben, kann ihn auch schwächen. Auf der anderen Seite weiß er aber aus den Lehren des Stoiber-Sturzes 2007: Streit und ein offener Machtkampf schadet am Ende der CSU – das diszipliniert wiederum alle. Auch Söder.


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