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Weg mit dem Wegwerfen Schweden will Steuern für Reparaturen senken

Schweden ist nicht nur umweltbewusst, sondern mitten in einer regelrechten Recycling-Revolution. Damit wirbt das Land international – und das nicht zu Unrecht. Jetzt will die Regierung Reparaturen billiger machen.

Von: Carsten Schmiester

Stand: 12.10.2016

Mann säubert den Rahmen eines Fahrrads | Bild: picture-alliance/dpa/Ulrich Baumgarten

Immer mehr Pfandflaschen bleiben im Kreislauf, Lebensmittel werden nicht einfach weggeworfen, sondern zu Biogas gemacht, spezielle Lastwagen fahren durch die Städte, um kaputte Elektrogeräte einzusammeln. Jetzt kommt der nächste Schritt. Die rot-grüne Regierung macht Reparaturen billiger, die entsprechende Umsatzsteuer soll von 25 auf zwölf Prozent gesenkt werden, damit es künftig weniger kaputte Wegwerfgeräte, -schuhe oder -kleider gibt.

"Das ist doch ein toller Vorschlag, weil wir umdenken müssen, wenn es darum geht, wie wir Sachen und Produkte benutzen. Ich glaube,  es ist besser, Qualitätsprodukte auf dem Markt zu haben, die dann auch repariert werden können. Das schont die Ressourcen und schafft Arbeitsplätze im ganzen Land."

Åsa Romson, grüne Ex-Umweltministerin aus Schweden

Gut, dass auch die Finanzministerin das so sieht. Magdalena Andersson hat schon das sprichwörtliche "grüne" Licht gegeben, die Verabschiedung des Gesetzes ist also so gut wie sicher. Und auch, dass der Staat dann nach Schätzungen jährlich umgerechnet knapp 30 Millionen Euro weniger Umsatzsteuern  einnimmt. Plus noch einmal etwa 20 Millionen Euro weniger, weil man hier demnächst die Reparaturkosten auch von der Einkommenssteuer absetzen kann. Es lohnt sich trotzdem, glaubt Romson, auch für den Staat.

"Wir hoffen, dass dadurch mehr Unternehmen zu 'weißen' Unternehmen werden, weil wir die Schwarzarbeit eindämmen. Das würde die Produktentwicklung ebenfalls günstig beeinflussen. Die Leute kaufen dann vielleicht eher ein haltbares Fahrrad, das man reparieren kann, anstatt eines billigen Fahrrads, das man nach einem Jahr wegwirft, wenn der Winter kommt und es rostet."

Magdalena Andersson, schwedische Finanzministerin

Johan ist Fahrradmechaniker und -verkäufer. Er arbeitet bei "Jarla Cykel & Sport" in Stockholm. In seiner Werkstatt ist heute nicht viel los. Aber das dürfte sich dann ja wohl bald ändern.

"Ja, das klingt sehr gut, besonders weil die Fahrradindustrie jedes Jahr wächst. Dabei gibt es – noch – immer weniger Handwerker. Aber wir brauchen Reparaturaufträge, auch als zusätzliche Einnahmequelle. Also finde ich das Gesetz sehr gut. Es bringt mehr Arbeitsplätze und fördert das Fahrradfahren."

Johan, Fahrradmechaniker und -verkäufer in Stockholm

In Schweden fahren immer mehr Menschen das ganze Jahr über mit dem Fahrrad.

Aber könnte das Gesetz nicht auch einen negativen Effekt haben? Wenn die Schweden ihre Sachen künftig eher reparieren lassen und sie länger behalten, geht dann nicht der Absatz neuer Waren zurück, in Johans Fall also der neuer Räder? Das glaubt er nicht: "Fahrradverkäufe steigen stetig an. Und Stockholm baut immer mehr Fahrradwege aus und streut Salz im Winter. Immer mehr Menschen fahren also das ganze Jahr über Fahrrad", gibt der Fahrradverkäufer zu bedenken.

Gut fürs Geschäft also und gut für die Umwelt. Aber die Sache hat einen Haken: Um die Umsatz- und Einkommensteuer-Mindereinnahmen auszugleichen und um neue Recycling-Anlagen bauen zu können, soll es eine "Chemiesteuer" geben auf Geräte, in denen schwer zu entsorgende Flüssigkeiten oder Materialien verwendet werden, also Kühlschränke oder Computer. Sie soll mit etwa 200 Millionen Euro gut vier Mal so viel bringen, wie der Reparatur-Nachlass kostet. Von einem grünen Geschenk kann also keine Rede sein.


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Lotti, Mittwoch, 12.Oktober 2016, 10:08 Uhr

2. Kann sich D mal ein Beispiel nehmen

Die Vorreiterrolle im Umweltschutz geht in Deutschland mehr und mehr verloren. Hätten wir doch auch mal wieder eine rot-grüne Regierung. So gut wie die jetzigen Stümper wären die allemal.

EMGI , Mittwoch, 12.Oktober 2016, 08:04 Uhr

1. gute Idee

Eine gute Idee. Flankierend könnten etwa die Autoproduzenten ihre Produkte so gestalten, dass nicht schon nach etwa 200.000 km Schluss ist. Ein solches Ende ist heute schon geradezu vorprogrammiert. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Allerdings Fahrradfahren im Winter in D? Eher nicht, da liegt auf dem Fahrradweg dann oft der Schnee, der von der Fahrbahn der Autos dorthin geschoben wurde. Und in Nebenstraßen, die nicht geräumt werden, ist das ein massives Sicherheitsrisiko. Da spendet Trost nur, dass der Winter jetzt eh meist ausfällt.

  • Antwort von wm, Mittwoch, 12.Oktober, 09:37 Uhr

    @Emgi
    Sind die Fahrradwege nicht mit Schnee zugeschoben,rumpelt der Radfahrer auf,von Baumwurzeln angehobene Radwege.

  • Antwort von Lotti, Mittwoch, 12.Oktober, 10:06 Uhr

    Haben die Schweden nicht noch mehr Schnee als wir? Radfahren im Winter geht schon, mache ich regelmäßig.