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Jugendliche und Salafismus Wie kann man der Radikalisierung vorbeugen?

Immer mehr Jugendliche suchen Anschluss in salafistischen Kreisen. Bei der Fachtagung „Extrem und religiös?“ in München haben Sozialarbeiter gestern diskutiert, wie man Jugendliche am besten vor Radikalisierung schützt.

Von: Johannes Reichart

Stand: 06.10.2016

Salafismus | Bild: picture-alliance/dpa|Oliver Berg

Referent Moussa Al-Hassan Diaw zeigt den Teilnehmern einen Ausschnitt aus einem Gewaltvideo. Es stammt von einer deutschsprachigen Salafistengruppe. So will der österreichische Pädagoge bei der Fachtagung in München demonstrieren, wie Islamisten junge Männer ködern.

Junger Mann auf dem Weg zu einer Salafistenkundgebung

Ehre, Glaube und der Weg ins Paradies, diese Schlagworte kommen immer wieder vor. Darum sei es bei der Präventionsarbeit wichtig, dass man muslimischen Jugendlichen, die der Ideologie noch nicht anhängen, aufzeigt, dass Salafisten mit ihrer Gewaltbotschaft nicht für den Islam stehen.

"Bei denen, die schon davon betroffen sind, auch weil sie etwas suchen, das ihnen Halt gibt, da ist es wichtig, zu zeigen, dass Religion ganz andere Erzählungen anbietet, als die, die sie jetzt bei dieser speziellen Gruppe oder von diesem speziellen Menschen präsentiert bekommen."

Moussa Al-Hassan Diaw, Diplompädagoge und Islamismusforscher

Diaw zeigt den Jugendlichen beispielsweise Stellen aus dem Koran, in denen der Schutz von Kirchen und Synagogen explizit gefordert wird. Oder er erzählt ihnen, dass die ersten Muslime bei einem christlichen Herrscher, König Negus von Äthiopien, Zuflucht und Schutz bekamen. Einsichten, das zwar bei vielen Salafisten abprallen, aber doch sehr wichtig in der Prävention sein können, meint Moussa Al-Hassan Diaw, der auch Gründer des Netzwerks „Sozialer Zusammenhalt“ in Österreich ist.

Innerislamische Debatte nötig

Deutlich wurde bei der Tagung der israelisch-arabische Psychologe Ahmed Mansour: Für Mansour, der selbser Muslim ist, ist der Islam selbst gefragt, etwas gegen die hetzerischen Botschaften der Salafisten zu tun:

Ahmad Mansour

"Wir brauchen eine innerislamische Debatte, eine mutige, ehrliche Debatte, die in der Lage wäre, Islamverständnisse zu schaffen, die mit radikalen Tendenzen nichts zu tun hat. Wenn man immer wieder mit diesen reaktionären, konservativen Verbänden arbeitet, dann wird sich nichts ändern. Wir werden immer wieder nach Anschlägen hören, das hat mit dem Islam nichts zu tun."

Ahmed Mansour, Psychologe und Autor

Salafisten oft bessere Sozialarbeiter

Verschleierte Frauen bei der Kundgebung eines Islamistenpredigers

Vor einem Publikum, in dem fast ausschließlich Sozialarbeiterinnen sitzen, sagt Mansour offen: Er bedauere es, aber leider seien die Salafisten oftmals die besseren Sozialarbeiter. Sie gehen gezielt auf abenteuerlustige und psychisch-labile Jugendliche zu, denn diese seien am besten zu manipulieren. Darum müsse sich das Bildungssystem in Deutschland ändern, die Lehrer besser ausgebildet werden im Umgang mit Schülern, die plötzlich radikale Gedanken aussprechen. Es ist die emotionale Nähe der Salafisten zu den Jugendlichen, die in der professionellen Jugendarbeit zu oft fehle:

"Die sind emotional. Es ist leider so, dass die Mehrheit der Sozialarbeiter ganz andere Leben führen. Dass die Jugendlichen und ihre Welten für sie unbekannt sind, und das führt dazu, dass die nicht in der Lage wären, diese Jugendlichen zu erreichen. Und das ist natürlich hochproblematisch."

Ahmed Mansour, Psychologe und Autor

Ahmed Mansour hat tausende Chats von islamistischen Radikalen ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass oft Jugendliche angelockt wurden, die in der Schule diskriminiert oder zuhause von der eigenen Familie alleingelassen wurden. Auch das Versprechen der Dschihadisten, dem interessierten jungen Mann sofort eine Ehefrau zur Verfügung zu stellen, lockt Jungs an, die Probleme mit ihrer Sexualität hätten.

Frühzeitige Prävention

Wie kann man den Jugendlichen eine Alternative aufzeigen, das besprachen die Jugendarbeiter bei der späteren Diskussion. Für die Organisatorin der Tagung, Manuela Sauer vom Referat Grundsatzfragen des Kreisjugendrings, ein wichtiges Anliegen, selbst wenn es noch keine Massen an salafistischen Jugendlichen in Bayern gibt:

"Wie erkenne ich denn beispielsweise eine Radikalisierung, wie kann ich damit umgehen, und vor allen Dingen, wie kann ich denn präventiv arbeiten. Das Wichtige war für uns, uns darüber aufklären zu lassen, also nicht darauf zu warten, dass Jugendliche hier in München oder Bayern nach Syrien ausreisen wollen, sondern schon sehr, sehr viel frühzeitiger mit der Prävention zu beginnen."

Manuela Sauer, Referat Grundsatzfragen Kreisjugendring München


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Nautilus, Donnerstag, 06.Oktober 2016, 20:22 Uhr

5. Vorbeugen wäre eben besser gewesen.

Indem man keine Muslime mehr aufnimmt und keine Hassprediger mehr duldet.

Wanda , Donnerstag, 06.Oktober 2016, 19:37 Uhr

4. Verständnis

- Streicheleinheiten und notfalls ein energisches "Du, Du Du" mit erhobenem Finger wirken Wunder...

Erich, Donnerstag, 06.Oktober 2016, 12:14 Uhr

3. Wir schaffen das!

Mit Nachsicht und Verständnis. Wir holen nochmal ein paar hunderttausend, damit wir das auch ganz besonders gut beweisen können. Immer rein, nicht raus damit! Wir sind ein buntes Land. Außerdem benötigen wir ganze Unmengen an Fachkräften.

  • Antwort von Wanda, Freitag, 07.Oktober, 15:07 Uhr

    Genau ! Und woher kommen die Fachkräfte ? Aus Syrien, aus der Türkei, aus Afghanistan, aus Afrika, aus dem Irak...

Anna, Donnerstag, 06.Oktober 2016, 11:05 Uhr

2. Radikalisierung

Wenn nicht immer gesagt wird, der Islam ist friedlich und nicht überall auf Muslime Rücksicht genommen wir, ist die "Luft" raus. Bist du wegen einer Krankheit nicht in der Lage bestimmte LM zu essen, ist es dein Problem. Hier in Deutschland wird wegen der Religion Geschachtet und das darf nicht sein! Wie soll ein Jugendlicher unterscheiden, wie weit eine Religion geht, die schon im 18´ten Jahrhundert den Amerikanern das Töten der Ungläubigen erklärt hat. Oder war das auch wieder ein Übersetzungsfehler? Komisch?! Leider haben viele Jugendliche keine richtigen Werte mehr. Alles ist nur noch kurz hipp und wenn eine Religion ständig vor der Nase herläuft und augenscheinlich zu gehört wird, sind sie dabei wie in einer Sekte. Eine Sekte stellt sich auch wie der Islam über das Gesetz.

waldler, Donnerstag, 06.Oktober 2016, 09:37 Uhr

1. Österreich kann´s scheinbar, Deutschland nicht

"...meint Moussa Al-Hassan Diaw, der auch Gründer des Netzwerks „Sozialer Zusammenhalt“ in Österreich ist"
Irgendwie habe ich in der letzten Zeit immer öfters den Eindruck, daß man in Österreich viele Dinge einfach pragmatischer angeht und nicht so verkrampft wie bei uns.
Da kommt ein muslimischer Österreicher zu uns und kann uns sagen wie man es macht, bzw. machen könnte.
Wir dagegen wägen ab, debattieren, erstellen Studien, debattieren wieder und nichts geschieht.
Das ist jetzt nicht nur bei diesem Thema so.
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  • Antwort von Erika, Donnerstag, 06.Oktober, 13:48 Uhr

    Liest sich gut, ist aber nicht unbedingt so klasse. Gerade Österreich hat 2015 ungebremst Migranten durchgewinkt ( mit Wegweisern ) Das ist ein nicht wegzuredender, unsolidarischer Punkt. Und... immer mehr Länder verweigern weitere Aufnahme, nicht nur Ungarn !!! Dort hat Obama eben nicht den längeren Hebel. Denn nach wie vor werden wir "angewiesen" zu tun, was Amerika genehm ist. Leider wird das viel zu wenig zur Kenntnis genommen.