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Untersuchung des US-Kongresses Bezahlt der Kreml Europas Rechte?

London und Washington nehmen die Vorwürfe äußerst ernst, wonach der Kreml systematisch rechtsgerichtete, EU-feindliche Parteien in Europa unterstütze. Britische Regierungsvertreter sprechen von einem "neuen Kalten Krieg".

Von: Clemens Verenkotte

Stand: 29.01.2016 | Archiv

Blick auf den Moskauer Kreml am Fluss Moskwa mit den Kuppeln mehrerer Kathedralen und der Südfassade des Groߟen Kremlpalastes. | Bild: picture-alliance/dpa/Jens Kalaene

Der US-Kongress lässt vom Chef der National Intelligence, James Clapper, offiziell untersuchen, wie die Finanzströme zwischen Moskau und den europäischen Parteien im rechten Lager verlaufen – rückwirkend, seit 2006. So steht es im Absatz 338 des Haushaltsgesetzes für die US-Geheimdienste für 2015/16, das der Kongress im Juni letzten Jahres verabschiedet hat.

Die Befürchtung: Russlands Führung fördere gezielt rechtsradikale bis rechtsextremistische Parteien in der EU mit dem Ziel, die europäischen Staaten zu schwächen und deren politischen Systeme und Gesellschaften zu zerstören.

Bisher kein eindeutiger Nachweis

Es gilt, einen klaren Unterschied zu machen: Zwischen der politisch-ideologischen Nähe europakritischer bis – feindlicher Parteien zum Kreml, die sich belegen lässt, und einem eindeutigen Nachweis der Finanzierung dieser Gruppierungen durch die russischen Dienste, der derzeit nicht zu führen ist.

So sympathisierten 2014 nach Angaben des ungarischen Policy Research Institutes Political Capital 15 der 24 einflussreichsten rechtsgerichteten Parteien in Europa offen mit Russland – im Europäischen Parlament verfügen diese Parteien über einen Stimmenanteil von 20 Prozent, die eine russische Außenpolitik unter Putin unterstützen.

Pro-russischer Block im Europäischen Parlament?

Formt sich derzeit ein "pro-russischer Block" im Straßburger Parlament, wie der "Economist" befürchtet? Prominenteste Partei: Der Front National (FN) von Marine Le Pen. Für ihren "Frankreich raus aus der NATO"-Kurs wird sie von der russischen Regierung ebenso geschätzt wie für ihre offene Verachtung der Europäischen Union. Als der FN im November 2014 von der in Moskau ansässigen "Ersten Tschechisch-Russischen Bank" einen Neun-Millionen-Euro-Kredit erhielt, versicherte die Parteichefin, keine andere Wahl gehabt zu haben, da französische Banken nicht an der Kreditvergabe interessiert gewesen seien.

Zum Kreis der pro-russischen Rechtsparteien in Europa gehören unter anderem die ungarische Jobbik, die bulgarische Ataka, die italienische Lega Nord, der belgische Vlaams Belang, die griechische Chrysi Avgi ("goldene Morgenröte").

Gemeinsamkeit: EU- und fremdenfeindlich

Was sie ideologisch-politisch verbindet und für den Kreml attraktiv macht? Deren lautstarke Ablehnung der EU (die als "Bedrohung der nationalen Souveränität" bezeichnet wird), das offen fremdenfeindliche Element in diesen Parteien (muslimische Einwanderer seien der "Grund für den Verlust nationaler Werte"), die teilweise offene Bewunderung für den Kremlchef.

Jede weitere Krise, von der Staatsschuldenkrise zur jetzigen Flüchtlingskrise, bewirkt in den jeweiligen EU-Ländern eine Stärkung des Anti-Europa-Lagers. Der Zuwachs des rechtspopulistischen und –radikalen Stimmenpotentials bei den Wahlen von Österreich bis Großbritannien ist ganz im Sinne des Kremls, der an einer langfristigen Schwächung der europäischen politischen Systeme nachhaltig interessiert ist.


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