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Rechtsextremismus in Bayern Neonazi-Szene im Umbruch

Die rechte Szene in Bayern formiert sich neu. Das geht aus dem Halbjahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes hervor. Demnach hat der Verbot der Gruppierung "Freies Netz Süd" die Neonazis nur vorübergehend geschwächt.

Von: Jan Müller-Raith

Stand: 05.08.2014 | Archiv

Eine Bayernkarte wird durch Silhouetten von Menschen überschattet | Bild: Montage: BR

Im Juli machte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ernst. Er verbot das "Freie Netz Süd" (FNS), eine der ehemals größten, kameradschaftsübergreifenden, neonazistischen Netzwerke im Freistaat. Die Behörden hatten beim FNS unter anderem eine Nähe zur Programmatik des NS-Regimes festgestellt. Ein inhaltliches Konzept mit dem Titel "Nationaler Sozialismus - Wer wir sind und was wir wollen", das bei Durchsuchungen gefunden worden war, entsprach teilweise wörtlich dem 25-Punkte-Programm der NSDAP.

Dem Verbot waren viele Monate der Forderungen und Appelle von Seiten der Nazi-Gegner vorausgegangen, den Umtrieben des FNS ein Ende zu machen. Die Rechtsextremen waren daher seit Langem vorbereitet. Bereits Wochen vor dem offiziellen Verbot durch die Behörden hatten sie etwa ihre Homepage stillgelegt und ihre Aktivitäten verlagert.

Ein Ende der braunen Umtriebe? Sicher nicht

Seit knapp einem Jahr suchen die Neonazis im Freistaat nach Alternativen, nach neuen Organisationsformen, um etwa mit neugegründeten Parteien neue Strukturen zu schaffen. Fakten schufen sie dann lange vor dem FNS-Verbot, etwa mit der Partei "Der III. Weg", in der sich neben den bisherigen Aktivisten auch Martin Wiese betätigt, der bereits mehrfach wegen neonazistischer Delikte verurteilt worden war, unter anderem wegen eines geplanten Bombenanschlages bei der Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum in München.

Laut bayerischem Verfassungsschutz hat die Partei bereits in ganz Bayern Stützpunkte gegründet. In Nürnberg/Fürth, München, Hochfranken/Vogtland, Augsburg/Schwaben und in Ostbayern soll "Der III. Weg" bereits aktiv sein. Dessen Mitgliederzahl werde derzeit auf rund 60 Personen geschätzt. Innenminister Herrmann kündigte bei der Vorstellung des Halbjahresberichts des Verfassungsschutzes denn auch an, man werde "aufmerksam beobachten, ob und wie die Betroffenen versuchen werden, sich in Reaktion auf das Verbot neu aufzustellen".

Hintergrund: "Der III. Weg"

Parteilogo "Der III. Weg" | Bild: Der III. Weg

Logo der Neonazi-Partei "Der III. Weg"

"Der III. Weg" wurde am 28. September 2013 in Heidelberg gegründet und versteht sich als Alternative zur NPD. Die neue Partei vertritt einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus, was sie insbesondere auch für ehemalige Aktivisten des FNS attraktiv macht. Das Programm der Partei greift Elemente des NSDAP-Programms auf. So wird etwa die Erhaltung und Entwicklung der "biologischen Substanz des Volkes" gefordert. In Bayern wurden bereits selbsterklärte "Stützpunkte" gegründet, am 25. Januar der "Stützpunkt Hof", der wenig später der "Stützpunkt Hochfranken/Vogtland" umbenannt wurde. Am 23. März folgte der "Stützpunkt München" und am 29. März der "Stützpunkt Nürnberg-Fürth". Ein bundesländerübergreifender Stützpunkt ist seit dem 17. Mai der "Stützpunkt Augsburg/Schwaben". Am 21. Juni gründeten die Rechtsextremen den "Stützpunkt Ostbayern". Die jeweiligen Initiatoren dieser Stützpunktgründungen sind Rechtsextremisten aus dem Umfeld des FNS, die "Stützpunkte" entsprechen weitgehend den bisherigen geographischen Aktionsschwerpunkten des FNS.

Dem Verfassungsschutz zufolge ist noch nicht absehbar, "ob sich die neuen Stützpunkte nachhaltig etablieren werden". Hierfür müssten Mitglieder der Neonaziszene die neuen Strukturen annehmen. Die Erfahrung aber habe gezeigt, dass viele Neonazis sich als sogenannte "Freie Nationalisten" verstehen und eine informelle Organisation in "Freien Kameradschaften" ohne Parteibindung bevorzugen.

Rechts wird es eng

"Der III. Weg" ist aber nicht die einzige Gruppierung, die rechts mitmischt. Der Verfassungsschutz bestätigt auch die Aktivität einer weiteren Partei, die seit einiger Zeit versucht, in Bayern Fuß zu fassen. "Die Rechte" gründete im ersten Halbjahr 2014 erstmals Strukturen in Bayern.

Am 20. April, dem Jahrestag des Hitler-Geburtstags, gründete sich ein Kreisverband der Partei unter Vorsitz des Münchner Neonazis Philipp Hasselbach. An der Veranstaltung in einer Gastwirtschaft im Münchner Osten nahmen auch Mitglieder der rechtsextremen "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) und der NPD teil, darunter Karl Richter, Detlef Wacker und Roland Wuttke sowie der unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestrafte Sascha Krolzig. Bislang haben sich den Verfassungsschützern zufolge rund zehn Münchner Rechtsextremisten dem Kreisverband angeschlossen.

Hintergrund: "Die Rechte"

Logo der rechtsextremen Partei "Die Rechte"

"Die Rechte" wurde im Mai 2012 in Hamburg auf Initiative des langjährigen Neonazi-Aktivisten Christian Worch gemeinsam mit ehemaligen Funktionären der Deutschen Volksunion (DVU) gegründet, die den Zusammenschluss der DVU mit der NPD im Jahr 2011 ablehnten. Das Parteiprogramm lehnt sich an das der DVU an und enthält unter anderem die Forderung nach einer Korrektur der "Abtrennung der deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße". Ein Großteil der Parteimitglieder stammt laut Verfassungsschutz aus der  Neonaziszene. So entstand etwa im Sommer 2012 der Landesverband Nordrhein-Westfalen nach den dortigen Verboten neonazistischer Kameradschaften. Zur Europawahl wurde die Partei nicht zugelassen. Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen gelang ihr der Einzug in die Stadträte von Dortmund und Hamm. Aktuell unterhält die Partei sechs Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. In Bayern gibt es derzeit nur den Kreisverband in München, einen Landesverband gibt es nicht.

Die Selbstdemontage beginnt bereits

Mit einer gewissen Erleichterung konnten die Verfassungsschützer in ihrem Halbjahresbericht vermelden, dass sich die neurechten Organisationen wie so oft bereits im frühen Stadium beginnen, selbst zu zerlegen. Zwar verstehen sich der NPD-Aktivist Karl Richter, die für die rechtsextreme "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) im Münchner Stadtrat sitzt und "Der Rechte"-Aktivist Philipp Hasselbach recht gut, innerhalb der Szene ist Hasselbach offenbar aber schon jetzt weitgehend isoliert.

Das Verhältnis von Hasselbach zu früheren FNS-Aktivisten und zum Münchner Stützpunkt des "III. Wegs" ist demnach ablehnend. Aufgrund des Vorwurfs, er habe Gelder der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) unterschlagen, ist Hasselbachs Ruf dem Verfassungsschutz zufolge dauerhaft beschädigt. Maßgebliche Szeneprotagonisten sprechen ihm eine führende Rolle in der rechtsextremistischen Szene ab. Dies zeigte sich erst kürzlich, als bei einer Veranstaltung der "Rechten" an eine benachbarte Hauswand geschmiert wurde: "Hasselbach = Judenschwein".

Neonazi-WG in Obermenzing ist Geschichte

Am Rande bestätigte Innenminister Herrmann die Auflösung der Neonazi-WG im Münchner Stadtteil Obermenzing. Die rechtsextremistische Wohngemeinschaft in dem der Öffentlichkeit als "Braunes Haus" bekannt gewordenen Einfamilienhaus löste sich Ende Mai auf. Seit Anfang Dezember 2012 hatte die Münchner Neonaziszene das Haus am westlichen Stadtrand als zentralen Treffpunkt genutzt. Mit der Aufgabe des Hauses habe die neonazistische Szene, so der Verfassungsschutz, "einen ihrer wichtigsten Anlaufpunkte" verloren.


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