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Kleider machen Leute Jogginghose "Deutsches Reich"

Menschen drücken sich über Mode und Kleidung aus. Interessen, Vorlieben, Zugehörigkeiten spiegeln sich in der Kleidung wieder. Dabei unterscheidet sich die rechtsextreme Szene nicht von anderen Szenen. Im Gegenteil: Gerade die große Anzahl von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat zur Entstehung einer breiten szenetypischen Mode beigetragen.

Von: Kai Brinckmeier

Stand: 09.01.2014 | Archiv

Symbolbild: Mann mit Baseballmütze und Sonnenbrille | Bild: colourbox.com; Montage:BR

In den 1970er- und 1980er-Jahren waren Neonazis in der Öffentlichkeit nicht selten leicht an ihrer Kleidung zu erkennen: Sie orientierte sich an den Uniformen der NSDAP und ihrer Unterorganisationen (Braunhemd, Koppel, Krawatte usw.) oder entstammte der Jugendkultur der Skinheads. Entstanden war sie im Großbritannien der 1960er-Jahre. Skinheads wollten sich in ihrer Mode von anderen Jugendszenen absetzen. Sie orientierten sich an einem proletarischen Kleidungsstil, der ihre Zugehörigkeit zur britischen "working class" untermauerte. Dazu zählten vor allem eng sitzende umgeschlagene Jeans, robustes Schuhwerk wie die berühmten Doc-Martens-Stiefel, Fred-Perry-Poloshirts, auffällige Hosenträger und Bomberjacken. Beliebt waren letztere vor allem als Witterungsschutz, weil in der Szene der Roller (engl. "Scooter") einen hohen Stellenwert besaß. Als sich in den 1970er-Jahren Teile der Skinhead-Szene nach rechts radikalisierten, behielten deren Mitglieder den Stil weitestgehend bei.

Phase 1: Auf der Suche nach der passenden Mode

Neonazi-Skinheads in Bomberjacken

Die Mode der rechtsextremen Szene hat sich bis heute in mehreren Phasen entwickelt. Die Übernahme des Skinhead-Stils hatte das öffentlichkeitswirksame Bild des Neonazis in den 1980er-Jahren weitgehend gefestigt. Nach der Wiedervereinigung schwoll die rechtsextreme Szene in Deutschland zwar an, aber nicht jedem gefiel der Kleidungsstil der Skinheads. Parallel wurden in den 1990er-Jahren außerdem zahlreiche Symbole der Szene verboten. Dies bedeutete: Um der eigenen Gesinnung Ausdruck verleihen zu können, ohne rechtlich belangt zu werden, mussten modische Alternativen her. Dies waren populäre Modemarken, deren Markennamen oder -symbole umgedeutet wurden: Fred-Perry-Poloshirts wurden weiterhin getragen, weil das Markenlogo einen Ährenkranz zeigt, der an Gestaltungsmerkmale nationalsozialistischer Vorbilder erinnert. Neben Marken wie "Pit Bull" oder "New Balance" ist auch die Marke "Lonsdale" beliebt, weil die mittleren vier Buchstaben "NSDA" als Anspielung auf "NSDAP" verstanden werden können. Lonsdale und andere unpolitische Marken wehren sich bis heute gegen das negative "Nazi"-Image.

Phase 2: Die Kollektion der Neonazis

Im Laufe der 1990er- und 2000er-Jahre entstanden schließlich szenetypische Hersteller, die sich in ihrem Design einerseits an den populären Marken orientierten, andererseits aber die in Szene inzwischen gebräuchlichen Codes und Symbole adaptierten. Marken wie "Masterrace", "Consdaple" (conNSDAPle), "Midgards Söhne", "Hate-Hate" oder "Nordic Spirit" produzieren nahezu die ganze Palette üblicher Kleidungsstücke - für Männer genauso, wie für Frauen und Kinder. Das Angebot reicht vom Babylatz "Wikinger" über den Bestseller, die Jogginghose "Deutsches Reich" bis hin zu Jeans mit Runenaufdruck. Für die Männer werden Boxershorts mit dem Aufdruck "White Power" und einem stilisierten Spermium oder Poloshirts mit Reichsadler angeboten. Die Frau von Welt entscheidet sich zwischen dem Top mit dem Aufdruck "Odin statt Jesus" und der Unterwäsche mit einer aufgedruckten "88", die für "Heil Hitler" steht. Ein weiterer Bestseller ist das Männer-T-Shirt mit dem Aufdruck "Vize-Weltmeister 1945 Wir kommen wieder". Vertreter zivilgesellschaftlicher Institutionen warnen seit langem davor, dass sich bei Jugendlichen Modetrends durchsetzen, die sich stilistisch einer rechtsextremen Ästhetik annähern. Von der besonderen Betonung des "Nordischen" profitiert die inzwischen populäre Marke "Thor Steinar". Sie ist unpolitisch, schafft aber durch Symbolik und Begriffswahl eine Nähe zur rechten Szene.

Phase 3: Expansion

Die Stärke der rechtsextremen Szene, unpolitische Jugendkulturen für sich zu gewinnen, zeigt sich am Hip Hop. Eigentlich trennen rechte Ideen und den US-amerikanischen Hip Hop Welten. Doch im Laufe der 2000er-Jahre ist rechtsextremer Hip Hop nicht nur zu einem gängigen Propagandamittel avanciert. Vielmehr hat sich der modische Stil durchgesetzt: Man trägt Sneaker, Baseball-Mützen mit Aufdruck, dicke Hosen usw. Mit "Rizist" ist inzwischen auch eine eigene Marke entstanden, die mit Schriftzügen und Logos im Graffiti-Style am rechten Rand der Hip-Hop-Szene fischt. Hooligans, Black und Death Metal sind nur einige wenige weiter Subkulturen, deren Mode in den vergangenen Jahren in der rechten Szene gängig war.

Phase 4: Aus Links wird Rechts

Als Reaktion auf die zahlreichen Verbote rechter Organisationen in den vergangenen Jahren haben sich die sogenannten "Autonomen Nationalisten" in der Szene etabliert. Sie orientieren sich an den linksautonomen Gruppierungen der 1980er-Jahre. Dahinter steckt die Idee, sich antiamerikanische, antikapitalistische und antisemitische Strömungen der extremen Linken zu eigen zu machen. Sie werden in der Mode aufgegriffen und umgedeutet. Dementsprechend sind nun Kleidungsstücke, Symbole und Accessoires verbreitet, die ursprünglich der autonomen Szene entstammen: In Anlehnung an den "Schwarzen Block" dominieren schwarze Cargohosen, Kapuzenpullover und Jacken. Auch Palästinenser-Halstücher, antikapitalistische Symbole wie Portraits von Che Guevara, Sonnenbrillen und die Musik von Bands wie "Ton, Steine, Scherben" oder den "Toten Hosen" gehören zur Ausstattung.

Die Zukunft wird zeigen, welcher modische Trend als nächstes von den Rechten vereinnahmt wird.


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