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Hans Herrmann NS-Bürgermeister und CSU-OB

Wie ist Hans Herrmann zu bewerten? Im Auftrag von Alt-Oberbürgermeister Hans Schaidinger nahmen Prof. Bernhard Löffler von der Uni Regensburg und Stadtheimatpfleger Werner Chrobak Leben und Wirken von Hans Herrmann unter die Lupe.

Von: Thomas Muggenthaler

Stand: 24.11.2014 | Archiv

Hans Herrmann | Bild: Stadt Regensburg, Bilddokumentation

"Ein wirklich fundiert ausgearbeitetes und einigermaßen vollständiges Gutachten" sei ihnen nicht möglich, betonen Bernhard Löffler und Werner Chrobak in ihrer 17-seitigen Stellungnahme, "die gründliche wissenschaftliche Analyse von Person, Karriere und Lebenswerk Hans Herrmanns nach heutigen methodischen Standards ein Forschungsdesiderat". Dennoch arbeiten sie wesentliche Punkte des Wirkens von Hans Herrmann heraus. Die folgenden Angaben sind dem Gutachten Löffler/Chrobak entnommen, außer es ist ausdrücklich eine andere Quelle zitiert.

Weimarer Republik: Vom Student zum zweiten Bürgermeister

Hans Herrmann wird 1889 in Regensburg geboren, studiert in Regensburg, München und Würzburg, tritt während des Studiums in eine katholische Studentenverbindung ein und wird 1918 Mitglied der katholisch-konservativen Bayerischen Volkspartei, eine Art CSU-Vorläuferin. Herrmann absolviert 1919/1920 die Staatsprüfungen für den gehobenen Justiz- und Verwaltungsdienst in München und beginnt seine Laufbahn bei der Stadt Regensburg. Mitte 1920 wird er Rechtsassessor, 1922 berufsmäßiger Stadtrat, 1925 rechtskundiger zweiter Bürgermeister.

NS-Zeit: Hans Herrmann bleibt im Amt

Hans Herrmann kandidiert bei der letzten halbwegs freien Reichstagswahl am 5. März 1933 für die BVP und wird für den Wahlkreis Niederbayern/Oberpfalz in den Reichstag gewählt. Dort stimmt er wie die anderen Abgeordneten von BVP und Zentrum am 23. März 1933 für das sogenannte Ermächtigungsgesetz, das Adolf Hitler mit umfassenden Machtbefugnissen ausstattete. Im März 1933 übernehmen die Nationalsozialisten auch die Macht im Regensburger Rathaus. Oberbürgermeister Otto Hipp von der BVP wird aus dem Amt gejagt. Von 1933 bis 1945 fungiert der Arzt und SS-Mann Otto Schottenheim (NSDAP) als Oberbürgermeister. Hans Herrmann bleibt als zweiter Bürgermeister im Amt.

Für NS-Bürgermeister Schottenheim "unentbehrlich"

Hans Herrmann wird zunächst Opfer der nationalsozialistischen Maßnahmen gegen die früheren parteipolitischen Gegner. Am 21. Juni 1933 findet bei allen BVP-Mitgliedern eine Hausdurchsuchung statt, auch bei ihm. Am 26. Juni wird er in Schutzhaft genommen, am gleichen Tag aber noch wegen einer Nierenkolik in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder eingeliefert und von dort am 5. Juli 1933 entlassen.

Doch Hans Herrmann ist bis Kriegsende zweiter Bürgermeister und wird Beamter auf Lebenszeit. Für Oberbürgermeister Schottenheim sei er als Fachmann "unentbehrlich" geworden, schreiben Löffler/Chrobak. Sie sprechen von einem "gegenseitig guten Auskommen" und nennen als Beleg eine lobende Ansprache Herrmanns auf Schottenheim bei einem Feier im Vorzimmer des Oberbürgermeisters am 21. März 1934.

Hans Herrmann tritt am 1. Mai 1935 in die NSDAP ein und wird förderndes Mitglied der SS. Als zweiter Bürgermeister ist er bei der Umsetzung großer Projekte beteiligt. Bei der Ansiedlung des Flugzeugherstellers Messerschmitt im Stadtwesten, der bis dahin größten Industrieansiedlung in der Geschichte Regensburgs, führt er die Grundstücksverhandlungen.

Stolz auf umstrittenes Nazi-Vorzeigeprojekt

Hans Herrmann kurz vor seinem Tod unter der Gedenktafel in der heutigen Konradsiedlung.

Auch beim Bau der sogenannten Schottenheim-Siedlung, der heutigen Konradsiedlung, einem nationalsozialistischen Vorzeigeprojekt in Regensburg, wirkt Herrmann aktiv mit. Der Bau dieser Siedlung war ideologisch begründet, argumentiert Dr. Helmut Halter in seiner Doktorarbeit "Regensburg unterm Hakenkreuz" (Regensburg 1994). Um die Wohnungsnot zu lindern, wäre der Bau von Mietwohnungen sinnvoller gewesen, schreibt Halter. Hans Herrmann bekräftigte seine Übereinstimmung mit der Haltung des damaligen Oberbürgermeisters Schottenheim in diesem Punkt noch kurz vor seinem Tode. Der Autor Robert Werner weist in einem Beitrag für "regensburg-digital" am 25. Oktober 2014 darauf hin, dass sich Herrmann bei einem Siedlerfest unter einer Gedenktafel fotografieren ließ, die sich heute im Stadtmuseum befindet und die Inschrift hatte:

"Vor 25 Jahren am 17. September 1933 wurde an dieser Stelle auf den Fluren des Gutshofes 'Harthof' vom ehemaligen Oberbürgermeister der Stadtgemeinde Regensburg und Arzt DR. OTTO SCHOTTENMHEIM und seinem engsten Mitarbeiter, dem heutigen Oberbürgermeister HANS HERRMANN diese Siedlung begonnen. Gott gebe weiterhin seinen Segen, Regensburg, den 1. August 1959"

Inschrift einer Gedenktafel in der ehemaligen Schottenheim-Siedlung

Herrmann verkauft Synagogen-Grundstück mit Gewinn

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Die Stadtverwaltung ist in der NS-Zeit auch am Terror gegen die jüdische Bevölkerung beteiligt. Als die Juden gezwungen werden, ihre Häuser zu verkaufen, war die Stadt "als Genehmigungsbehörde in jedem Einzelfall in die Arisierung von Wohngebäuden eingeschaltet", schreibt Halter. Hans Herrmann hat in der NS-Zeit als führender Beamter der Stadt mit der Ausgrenzung, Enteignung und Verfolgung der Juden zu tun. In der so genannten Reichskristallnacht, dem antisemitischen Pogrom vom 9. November 1938, brennt auch in Regensburg die Synagoge. Nach dem Brand geht das Grundstück, auf dem die Synagoge stand, 1940 in den Besitz der Stadt über. Hans Herrmann erwirbt es zum Preis von 40 Reichsmark pro Quadratmeter. Josef Grünhut hatte als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde 50 Reichsmark verlangt. Herrmann verkauft das Grundstück mit Gewinn an die Regensburger Volksbank für 48 RM pro Quadratmeter weiter. Nach dem Urteil von Helmut Halter war Herrmann ein "abgebrühter Grundstückshändler", der "im Interesse der Stadtverwaltung manche Notlage ausnützte – nicht nur die der Jüdischen Gemeinde, als sie gezwungen war, das Gelände der abgebrannten Synagoge zu verkaufen."

Während des Zweiten Weltkriegs liefen bei Bürgermeister Herrmann alle zivilen und militärischen Planungen zusammen. 1942 bekam er auf Antrag von Schottenheim von Adolf Hitler das "Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse" verliehen.

Kriegsende und Befreiung: "Mitläufer"

Nach dem Einmarsch der US-Armee am 27. April 1945 amtiert er, von den Amerikanern eingesetzt, vom 30. April 1945 bis zum 11. Juni 1945 als "kommissarischer erster Bürgermeister"“, wird auf Weisung der Amerikaner im August 1945 aber als früheres NSDAP-Mitglied seines Amtes enthoben. Oberbürgermeister Gerhard Tietze verwendet sich im August 1945 bei den Amerikanern für die Wiedereinstellung Herrmanns. Der Antrag hatte allerdings keinen Erfolg.

"Als Katholik, der seine Gesinnung stets offen und unerschrocken bekannte, ist er ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Ideen und Methoden geblieben"

Gerhard Tietze, Oberbürgermeister von 1945-1946

Bischof: "Sein Verbleiben im Amt hat viel Schlimmes verhindert"

Im Entnazifizierungsverfahren setzen sich Bischof Michael Buchberger und der ehemalige KZ-Häftling und Gründer der "Mittelbayerischen Zeitung" Karl Esser (SPD) für Herrmann ein. Buchberger nennt Herrmann "einen der angesehensten und verdienstvollsten Beamten der Stadt". Er habe Herrmann 1933 gebeten, "auf seinem Posten auszuharren", lässt Buchberger in seinem Namen einen Geistlichen in der ersten Spruchkammerverhandlung am 24. August 1946 erklären. "Bei Herrmann", heißt es in dieser Erklärung, "haben Hunderte Rat und Hilfe gefunden in schwierigen Lagen. Ich selbst und das bischöfliche Ordinariat haben bei ihm immer Verständnis und Unterstützung gefunden. Durch sein Verbleiben im Amt hat er viel Schlimmes verhindert und viel Gutes vor dem Zugriff der Partei bewahrt."

Mitläufer oder Belasteter?

In der ersten Instanz gibt es zwei Anklageschriften: In der ersten wird er als "Mitläufer" eingestuft, in der zweiten Anklageschrift aber als "Hauptschuldiger" - er hatte zunächst seine SS- Fördermitgliedschaft verschwiegen. Die Spruchkammer stuft Herrmann in dieser ersten Instanz schließlich am 27. August 1946 als "Belasteten" ein, als aktiven Nationalsozialisten. Die Berufungskammer sieht Herrmann in milderem Licht und erklärt ihn am 4. Februar 1947 zum "Mitläufer". Die Militärregierung akzeptiert das nicht und legt in einem "Non-Concurrence-Bescheid" Einspruch ein. Daraufhin kommt der Fall vor den Kassationshof in München, der am 4. Februar 1947 allerdings das Urteil "Mitläufer" bestätigt.

Herrmann darf aber keinen führende Stellung in der Stadt mehr ausüben und wird am 16. Juli 1948 in den Ruhestand versetzt. Er wird dann, auch in Teilzeit, für kirchliche Arbeitgeber wie den Diözesan-Caritasverband tätig und macht sich als Rechtsanwalt selbständig.

Wie Phönix aus der Asche: CSU-OB und MdL

Hans Herrmanns Karriere ist nach 12 Jahren im Dienste der Nazis nicht zu Ende. Er startet neu, in und mit der CSU. Er wird Bezirksvorsitzender für Niederbayern/Oberpfalz und kandidiert mit den Slogans "Ein Leben für Regensburg" und "Für ein christliches Regensburg" für das Amt des Oberbürgermeisters und gewinnt die Wahl. Am 30. März 1952 wird Hans Herrmann mit 52,1 Prozent gewählt und wird vier Jahre später am 18. März 1956 mit einer noch deutlicheren Mehrheit von 62,5 Prozent wieder gewählt. Von 1954 bis 1958 vertritt Hans Herrmann die CSU auch im Bayerischen Landtag. Im Maximilianeum sitzt Herrmann nicht mehr, als er am 20. August 1959 stirbt, aber noch immer als Oberbürgermeister im Regensburger Rathaus.

Arisierer und/oder Mitläufer?

Wie ist die Karriere von Hans Herrmann heute zu bewerten? War er während des Nationalsozialismus Hauptschuldiger, aktiver Nationalsozialist oder nur Mitläufer? Hat Hans Herrmann es auch und gerade angesichts seiner Leistungen vor und nach der NS-Zeit verdient, dass nach ihm eine Schule benannt ist?

Löffler/Chrobak fällen kein Urteil. Doch sie kommen zu der Auffassung, dass Herrmann im Dritten Reich auch Teil der Funktionselite der Stadt war. "Das ist die Schattenseite von Herrmann, die Schattenseite des Mitläufers", so Werner Chrobak  zum Bayerischen Rundfunk.

Hans Herrmann - Biographie (nach Löffler/Chrobak)

26. Januar 1889: geboren in Regensburg.
1910: Abitur, Studium in Regensburg, München und Würzburg.
1919/1920: Staatsprüfungen für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst in München. Ab Mitte 1920 Ratsassessor bei der Stadt Regensburg.
1. Januar 1925: im Alter von 35 Jahren rechtskundiger zweiter Bürgermeister der Stadt, unter Oberbürgermeister Otto Hipp von der Bayerischen Volkspartei (BVP).
Ab 1918: Mitglied der Bayerischen Volkspartei (BVP), wird bei der Reichstagswahl am 5. März 1933: für den Wahlkreis Niederbayern/Oberpfalz in den Reichstag gewählt.
26. Juli 1933: Schutzhaft und Einlieferung ins Krankenhaus, am 5. Juli entlassen.
1. Mai 1935: Eintritt in die NSDAP, später förderndes Mitglied der SS.
Bis Kriegsende Zweiter Bürgermeister unter OB Otto Schottenheim (NSDAP).
30. März 1952: Wahl zum Oberbürgermeister (CSU) der Stadt Regensburg mit 52,1 Prozent
18. März 1956: Wiederwahl mit 62,5 Prozent
1954 bis 1958: Landtagsabgeordneter
20. August 1959: Hans Herrmann stirbt


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