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Streit mit Kroatien Das Tauziehen um die Auslieferung

Mutmaßliche jugoslawische Mord-Auftraggeber von Morden in Deutschland mussten jahrzehntelang kaum etwas befürchten. Im Kalten Krieg profitierten sie von diplomatischen Rücksichtnahmen. Später schützte sie Kroatien vor der Auslieferung - bis zu dessen EU-Beitritt.

Stand: 03.08.2016 | Archiv

24. Januar 2014, Flughafen München: Der ausgelieferte Josip Perkovic (Mitte) wird in Handschellen abgeführt | Bild: Kontrovers; Bayerischer Rundfunk

Gemeinsame Recherchen der BR-Redaktion "Kontrovers" und der Deutschen Welle haben ergeben, dass bundesdeutsches Innen- wie Außenministerium bereits Ende der 1970er-Jahre wussten, dass der jugoslawische Geheimdienst in Deutschland zahlreiche Morde beging.

Das bestätigten der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und Klaus von Dohnanyi, Ex-Staatsminister im Auswärtigen Amt, gegenüber "Kontrovers". Die Taten seien nur hinter den Kulissen angesprochen, aber nicht öffentlich thematisiert worden. Man wollte in Zeiten des Kalten Krieges das strategisch wichtige und blockfreie Jugoslawien, das immer wieder als Vermittler zwischen West und Ost fungierte, nicht verärgern.

"Eine Politik der schmutzigen Hände."

Klaus von Dohnanyi, Ex-Staatsminister im Auswärtigen Amt

"Das war ein Angriff auf unsere Souveränität."

Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister

Gern gesehener Gast in der Bundesrepublik: Tito (hier rechts neben Bundeskanzler Willy Brandt im Oktober 1970 auf Schloss Röttgen bei Bonn)

Die mutmaßlichen Auftraggeber in den Reihen des Geheimdienstes konnten somit unbehelligt in Jugoslawien oder später in Kroatien leben. Auch von den Behörden des 1991 unabhängig gewordenen Landes hatten sie kaum etwas zu befürchten. So wohnte der jetzt in München angeklagte Josip Perkovic jahrelang unter seinem Namen in der Pantovcak-Straße 194a in der kroatischen Hauptstadt Zagreb.

2005: Deutschland verlangt Auslieferung

In diesem Haus im Norden von Zagreb wohnte Josip Perkovic jahrelang unbehelligt.

2005 begann die deutsche Justiz, vor allem der Generalbundesanwalt, sich darum zu bemühen, Licht ins Dunkle zu bringen. So sollte endlich der Fall des 1983 im oberbayerischen Wolfratshausen ermordeten kroatischen Dissidenten Stjepan Djurekovic geklärt werden. Als Strippenzieher vermutete die Bundesanwaltschaft Josip Perkovic und Zdravko Mustac, Ex-Führungsfiguren des jugoslawischen Geheimdienstes SDS. Doch Kroatien sperrte sich mit der Begründung, man liefere seine Bürger grundsätzlich nicht aus.

Doch keine "Lex Perkovic"

Dieses Argument entfiel eigentlich mit dem EU-Beitritt des Adriastaates am 1. Juli 2013. Denn Rechtshilfe ist innerhalb der Europäischen Union verpflichtend. Doch kurz vor dem Stichtag verabschiedete das Parlament in Zagreb ein umstrittenes Gesetz, das die Auslieferung von Kroaten auf Straftaten begrenzte, die nach dem August 2002 begangen wurden. Kritiker sprachen schon von einer "Lex Perkovic", die die alte Geheimdienstgarde ungeschoren davonkommen lasse. Es keimte der Verdacht auf: Der kroatische Präsident und die Regierung wollten die Ex-Agenten schützen, weil die zu viel Unangenehmes über Kroatiens Politik-Elite wissen. Außerdem ist Perkovic' Sohn Sicherheitsberater des amtierenden kroatischen Präsidenten.

Doch Perkovic und Mustac nützte das am Ende alles nichts. Der Druck aus Brüssel wurde zu groß, nach scharfem Protest und Sanktionsdrohungen wurde das Gesetz wieder zurückgenommen. Perkovic wurde im Januar 2014 nach Deutschland ausgeliefert, Mustac im April.


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