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Stationen einer politischen Karriere Otto Schily wird 85

Jurist, RAF-Anwalt, früherer Bundesinnenminister und ein "grüner Liberaler in der SPD" – so sieht sich Otto Schily selber. Der Jurist feiert heute seinen 85. Geburtstag.

Von: Arne Meyer-Fünffinger

Stand: 20.07.2017 | Archiv

Otto Schily | Bild: picture-alliance/dpa

Sein überliefertes Zitat "in meinem Ministerium kann jeder tun, was ich will", ist inzwischen legendär und spiegelt die Persönlichkeit eines Mannes, der in der politischen Landschaft der Bundesrepublik wohl einzigartig ist.

In seiner jahrzehntelangen politischen Karriere hat Otto Schily mehrfach beweisen, dass er Ausdauer hat, unerbittlich sein kann und hart – anderen gegenüber, aber auch sich selbst. Als er fast auf den Tag genau vor zwölf Jahren als Zeuge im Bundestags-Untersuchungsausschuss geladen ist, der die Visa-Vergabepraxis an mehreren deutschen Botschaften und Konsulaten untersucht, liest der damalige Bundesinnenminister ein fünfstündiges Eingangsstatement vor. Ohne Pause. Jahre später, im NSU-Untersuchungsausschuss, wiederholt sich das. Schily redet Stunde um Stunde, trinkt mehrere Flaschen Wasser. Eine Pause? Nein.

Jura und Politik statt Musik

Kein Zweiter Spitzenpolitiker in Deutschland hat, was sein politisches Spektrum angeht, einen so langen Weg hinter sich wie der am 20. Juli 1932 in Bochum geborene Schily. Sein ursprünglicher Plan hat mit Politik nichts zu tun. "Ich wollte gerne Dirigent werden, ich war immer mit der Musik sehr verbunden, und dann habe ich aber doch erkannt, dass mein Talent nicht ausreicht", sagt Schily.

Deswegen entscheidet er sich für ein Jura-Studium in München und Hamburg. Anfang der 60er Jahre folgt die Gründung einer Kanzlei. In den 70ern vertritt Schily währen der Stammheim-Prozesse die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin – "was nichts etwa damit zu tun hat, dass ich selber diese Auffassung teile, sondern mich durchaus davon abgrenze", erklärt er.

Erst Grünen-Mitglied, dann Wechsel zur SPD

Seine politische Heimat werden zunächst die Grünen, für die Schily von 1983 an im Bundestag sitzt. Ein Realo, der für eine Koalition mit der SPD streitet. Und, damals auffällig in der Partei: Schily trägt Dreiteiler. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele erinnert sich später, "dass er vom Auftreten her, mit Anzug und Weste, vielleicht nicht das damalige Idealbild der neuen ökologischen Bewegung darzustellen schien, das war eigentlich immer so. Auch bei der außerparlamentarischen Opposition Ende der 60er Jahre hat er diese Erscheinung sehr gepflegt."

1998-2005 Bundesinnenminister: "Otto-Katalog" und gescheitertes NPD-Verbot

1990 wechselt Schily zur SPD, ist von 1994 bis 1998 Bundestagsfraktionsvize und Innenexperte der Sozialdemokraten. 1998 gewinnt Rot-Grün die Wahl, Gerhard Schröder wird Bundeskanzler, Schily Innenminister. "Ja, ich bin sehr stolz darauf, der erste sozialdemokratische Innenminister nach dieser langen Zeit in Deutschland zu sein", gibt Schily zu. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA bringt der Ressortchef ein umfangreiches gesetzliches Sicherheitspaket auf den Weg – halb bewundernd, halb spöttisch "Otto Katalog" genannt.

Nach der Bundestagswahl 2005 muss Schily sein Amt abgeben – mit negativen Folgen für die SPD, wie heutige Umfragen zeigen. Denn seitdem hätten die Sozialdemokraten niemanden mehr, der für ähnlich kompetent beim Thema „innere Sicherheit“ gehalten wird, so Demoskopen. Allerdings fallen in Schilys Amtszeit auch bittere Niederlagen und Erfahrungen – das gescheiterte NPD-Verbot, die NSU-Mordserie.

"Überzeugter Europäer"

Heute ist Schily wieder als Anwalt tätig, mit Büro in Berlin-Mitte. Und er mischt sich weiter ein in die politische Diskussion, bekennt vor wenigen Wochen in einem ARD-Interview, nach den Folgen der Trump-Präsidentschaft gefragt, er sei mehr denn je überzeugter Europäer: „Und die Antwort meiner Überzeugung ist, dass wir uns in Europa noch stärker zusammenfinden müssen.“


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