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Olympia in Rio Stadt der Gewalt

Keine Frage, Rio de Janeiro bietet eine tolle Kulisse für die Sommerspiele. Doch Tatsache ist auch: Die brasilianische Metropole ist eine der gefährlichsten Städte der Welt. Alleine 2015 gab es in Rio mehr als 1.500 Tote nach Gewaltverbrechen, wie eine Auswertung von BR Data ergab. Julio Segador berichtet.

Von: Julio Segador

Stand: 28.07.2016

Ein Polizeieinsatz in einer Favela in Rio de Janeiro (Archivbild) | Bild: picture-alliance/dpa

Ein Protest der besonderen Art: Um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen hinzuweisen, begrüßen Rios Polizisten die Touristen am internationalen Flughafen mit den Worten: “Willkommen in der Hölle”. Auf einem großen Banner stellen sie die Frage: Wussten Sie, dass 2016 in Rio bereits 54 Polizisten getötet wurden? Die Zahl ist schon überholt. Es sind bereits 62 Polizisten, die in der Olympiastadt ums Leben gekommen sind. Rios Polizei hat einen lebensgefährlichen Job, den sie unter zweifelhaften Bedingungen ausüben muss. Polizisten wie – nennen wir ihn João da Silva, er will anonym bleiben - sind frustriert.

"Die Kollegen arbeiten quasi ohne Lohn. Das monatliche Gehalt bleibt oft aus. Die Versprechungen, die abgegeben werden, werden nicht eingehalten. Und ich rede jetzt gar nicht von den vielen Morden an Polizisten alleine in Rio de Janeiro durch die kriminellen Banden. Die bringen uns regelrecht um."

João da Silva, Polizist

Amnesty spricht von "vorolympischen Säuberungen"

João da Silva gehört der Polícia Militar an, der militarisierten Polizei, die selbst kräftig austeilt. Denn die Gewalt an Polizisten ist nur die eine Seite der Medaille. Die Sicherheitsbehörden schlagen hart zurück. Es ist Teil des Krieges, der in manchen Vierteln Rios seit Jahren herrscht. Amnesty International spricht sogar von vorolympischen Säuberungen in den Favelas, den Armenvierteln. Alleine im Mai seien 40 Personen in den Favelas erschossen worden. Im Juni kamen 32 weitere dazu. Und es ist klar auszumachen, gegen wen die Polizei meist vorgeht, berichtet Renata Neder von Amnesty International.

"Die Polizei handelt bei einem jungen Weißen aus dem vornehmen Stadtteil Ipanema komplett anders als bei einem schwarzen Kid aus einer Favela. Die Gewalt ist unterschiedlich verteilt. Die Polizei ist in den Favelas viel gewalttätiger."

Renata Neder, Amnesty International

Sicherheit als größte Herausforderung bei den Spielen

Alleine 2015 gab es in Rio mehr als 1.500 Tote nach Gewaltverbrechen. Aktuelle Zahlen, die die Datenjournalisten des Bayerischen Rundfunks zusammengetragen haben. Die Sicherheitslage ist für den Zeitraum der Olympischen Spiele die wohl größte Herausforderung. 88.000 Polizisten und Soldaten werden in Rio patroullieren, doppelt so viele wie bei Olympia in London. Dass Sportler, Funktionäre und Touristen in Gefahr sein werden, dürfte eher unwahrscheinlich sein, meint Sicherheitsexperte Ignacio Cano.

"Während der Spiele wird alles voller Polizisten sein, bis hin zur Nationalgarde. Sie werden an allen Sportstätten patroullieren, ebenso in den touristischen Zonen. Wer zu den Spielen nach Rio kommt wird keine Probleme haben, außer der Alltagskriminalität, die es in jeder Großstadt gibt."

Ignacio Cano, Sicherheitsexperte

Postkartenidylle verdrängt tatsächliche Situation

Die Frage wird sein, wie geht es nach den Spielen weiter mit der Sicherheit in Rio? Schon jetzt gilt die sogenannte Befriedung der Favelas zum Teil als gescheitert, die UPP-Sondereinheiten haben mit Härte und Gewalt oftmals die Drogenbanden verdrängt, doch nun geht das Geld aus. Polizist João da Silva ist besorgt: "Es war bisher relativ einfach, durch Geldspritzen Sondereinheiten in Rio zu stationieren. Aber was wird nach den Spielen sein? Wenn Rio nicht mehr im internationalen Fokus liegt? Wir sind über diese allgemeine Situation viel besorgter als über die Olympischen Spiele."

Rio de Janeiro bildet eine tolle Kulisse für die Sommerspiele, die in wenigen Tagen beginnen. Die Postkartenidylle verdrängt indes die tatsächliche Situation. Rio ist schlicht eine der gefährlichsten Städte der Welt. Darunter leiden werden vor allem Rios Bürger – nach den Spielen.


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