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OEZ drei Monate danach Die Folgen des Amoklaufs

Der Münchner Amoklauf eines jungen Mannes im Juli versetzte die Landeshauptstadt eine Nacht lang in einen Ausnahmezustand - und veränderte die Stadt. Auch am Olympia-Einkaufszentrum, wo neun Menschen starben, ist heute - knapp drei Monate danach - nichts mehr so, wie es einmal war.

Von: Lisa Wurscher

Stand: 12.10.2016

Blumen vor dem Eingang des Olympia-Einkaufszentrums in München | Bild: picture-alliance/dpa/Matthias Balk

Es grenzt an ein Wunder, dass der 31-jährige Familienvater Faruk noch am Leben ist. Sein Obststand lag mitten in der Schusslinie des Täters.

"Ich dachte, jemand schießt wegen eines Streits oder Eifersucht, oder vielleicht nur in die Luft. Ich hätte nie gedacht, dass der Täter erst bei McDonald's schießt und dann rauskommt und in meine Richtung schießt."

Faruk, Obsthändler

Er muss sein Trauma verarbeiten – und sein Geschäft läuft seither schlecht. Die Einnahmen reichen nicht einmal aus, um die Kosten zu decken. Selbst die Stammkunden aus der Nachbarschaft meiden diese Straße. Faruk hat den Münchner Amoklauf zwar überlebt, aber drei Monate später steht seine Existenz auf dem Spiel – und er ist nur einer von vielen.

McDonald's-Filiale komplett umgebaut

Es ist der 22. Juli, kurz vor 18.00 Uhr: Nur wenige Meter vom Obststand entfernt eröffnet Ali David S. das Feuer auf Passanten. Unmittelbar zuvor hatte er in einer McDonald's-Filiale fünf Jugendliche ermordet. Der Konzern hat den Tatort mittlerweile komplett umgebaut, neue Mitarbeiter eingestellt. Alle Spuren sind beseitigt. Vergangenen Sonntag wurde der Laden wieder eröffnet. Nichts soll mehr daran erinnern, dass die Bluttat hier ihren Anfang nahm – und dennoch: Vergessen ist das nicht.

Menschen meiden die Straße

Auch in einem kleinen Döner-Laden, direkt neben McDonald's, ist der Alltag noch längst nicht wieder eingekehrt. Eine Woche lang wurde die Straße von der Polizei abgesperrt, danach konnte die Chefin ihr Geschäft wieder aufmachen. Vor dem Amoklauf war das ein guter Standort. In Stoßzeiten standen die Kunden an der Ausgabe Schlange. Jetzt kommt nur noch hin und wieder jemand vorbei. Gleich gegenüber, auf der anderen Straßenseite, ist die Erinnerung an die Morde noch so nah. Hier liegen Blumen, Tafeln und Kerzen für die Opfer.

"Viele Anwohner, die hinter dem Olympia-Einkaufszentrum wohnen, möchten die Hanauer Straße nicht mehr benutzen. Sie möchten die Blumen und Kerzen nicht mehr sehen. Damit meine ich nicht, dass sie weggeräumt werden müssen, aber die Leute möchten sie einfach nicht mehr sehen. Es ist schon genug Tragödie."

Faruk, Obsthändler

Leere Gänge im Einkaufszentrum

Über dem Olympia-Einkaufszentrum liegt der Amoklauf noch Wochen danach wie ein unsichtbarer Schatten. 56.000 Quadratmeter, fast 150 Läden – früher herrschte hier dichtes Gedränge, jetzt sind die Gänge leer. Neun Menschen haben ihr Leben verloren. Den ganzen Tag über ist ein Sicherheitsdienst im Gebäude unterwegs. Die ständige Präsenz der Wachleute soll Sicherheit vermitteln. Normalität können aber auch sie nicht herstellen.

Eine Statistik über den Besucherrückgang seit dem Amoklauf gibt es noch nicht. Braucht es aber auch nicht, um festzustellen, dass wenig los ist. Große Ketten können den Umsatzeinbruch noch eher verkraften. Für Einzelunternehmen aber ist der wirtschaftliche Schaden enorm.

"Die Umsätze brechen weg und die Personalkosten sind die gleichen. Da musst als Unternehmer schauen, wo du bleibst. Das ist die bittere Pille, die man da schlucken muss. Es gibt da keinen Fonds, der einen rettet. Die Versicherung zahlt auch nicht. Das ist nicht versicherbar. Auf dem Umsatzeinbruch, also dem Verlust, bleibt man selber sitzen. Das ist das Problem."

Peter Eppinger, Inhaber einer Saftbar

Viele Angestellte haben gekündigt

Seit der Tat sei sie viel schreckhafter, erzählt Katarina, die im OEZ Massagegeräte verkauft. Jedes laute Geräusch erregt ihre Aufmerksamkeit. Das geht nicht nur ihr so. Inzwischen wurden sogar Luftballons im Center verboten. Ein schwieriger Arbeitsplatz.

"Ich war selber auch ziemlich fertig danach. Man versteht das schon, wenn die Leute nicht arbeiten können. Auch, dass viele gegangen sind. Ich finde das normal. Ich finde das irgendwie menschlich, dass die Leute es nicht packen."

Teresa, Verkäuferin

Viele Mitarbeiter aus den Läden im Einkaufszentrum haben gekündigt oder sich versetzen lassen. Peter Zehentner vom Krisen-Interventions-Team und seine Kollegen waren nach der Tat fast rund um die Uhr im Einsatz.

"Neben der psychischen Belastung der Betroffenen kommen wirtschaftliche Probleme hinzu. Viele Menschen sind krank geschrieben, oder können gerade nicht mehr arbeiten. Gerade Selbständige fallen dann aus vielen wirtschaftlichen Bezügen, d.h. wir haben auch Menschen, die jetzt wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Die Stadt München, die Sozialbürgerhäuser, haben sehr viel Arbeit damit, diese Menschen aufzufangen und zu schauen, wie können sie am besten versorgt und wirtschaftlich stabilisiert werden, damit sie nicht zwischen die Raster fallen."

Peter Zehentner, Traumahilfezentrum München

Sicherheit oder persönliche Freiheit

In einem Autohaus in der Nähe des Einkaufscenters hatte die Münchner Polizei am Tatabend ein improvisiertes Pressezentrum eingerichtet. Für Pressesprecher Marcus da Gloria Martins ist es "tatsächlich ein komisches Gefühl, am OEZ wieder vorbeizufahren". Seine Antwort auf die Frage, ob man Einkaufscenter sicherer machen könne:

"Ich finde, allles, was wir da an Freiheiten aufgeben, ist ein Triumph für die, die uns Angst machen wollen. Deshalb: Öffentliche Orte sicherer zu machen ginge, aber nur mit einem ganz, ganz hohen Preis im Bereich der persönlichen Freiheiten."

Marcus da Gloria Martins


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Daisy Morris, Samstag, 15.Oktober 2016, 14:51 Uhr

2. Vorsicht ist besser!

Er wurde nicht zum Opfer aber sein Obststand läuft schlechter!
Die Leute bleiben wohl deshalb weg, weil sie sich sagen: es ist nicht gut, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Und das OEZ ist erwiesenermaßen so ein falscher Ort. Es wird sehr viel Zeit brauchen damit darüber Gras wächst.
Vor dem Amoklauf war das OEZ ein Ort wo man im wahrsten Sinne des Wortes sehen konnte: München ist bunt. Für einige war es wohl auch zu bunt. In diesem Sinne ist das Wegbleiben der Kundschaft eine Abstimmung mit den Füßen gegen dieses bunte München. Ich gehe auch nicht mehr hin.

N. Schöttl, Mittwoch, 12.Oktober 2016, 17:36 Uhr

1. mehr Polizei?

Mehr Polizei bedeutet auch mehr Waffen. Doch so wie Ärzte nur Menschen sind, so sind auch Polizisten nur Menschen. Nicht jeder hat immer einen guten Tag. Streit unter Kollegen, Familienangehörigen, Kindern etc. Durch mehr Kameras, durch mehr Streifenbeamte oder ähnlichen wird man die Orte daher nicht grundlegend sicher machen können. Man muss daher sich an die unangenehmen Fragen herantasten und sich bewusst machen, wie jemand denn solch eine Tat nur verüben kann? Mobbing und soziale Ausgrenzung dürften dabei wesentliche Aspekte sein. Wer möchte denn schon auf Dauer nie dazu gehören? Wenn man die Spuren von solchen Amokläufen beseitigen möchte, dann ist dabei die gesamte Gesellschaft gefragt. Das Umdenken muss dabei in den Köpfen erfolgen. Derzeit kann man davon leider nichts bemerken. Egal ob Flüchtlingskrise oder Umweltthemen. Längst hat sich Land auf und Land ab Egoismus breit gemacht. Oder hat schon mal jemand z.B. an das Finanzsamt eine Spende überwiesen?

  • Antwort von Johanna , Mittwoch, 12.Oktober, 18:21 Uhr

    Liebe Frau Schöttl,
    Guter Kommentar !
    Leider sind hier selten objektive Beiträge zu lesen. Bei manchen Schreibern habe ich das Gefühl, dass sie so voller Frust und Hass sind, dass sie kurz vor einer inneren Explosion stehen und somit auch eine Gefahr darstellen. Wenn ich da manchmal lese "man sollte denen einen Denkzettel verpassen", "hoffentlich trifft das nächste Attentat einen Politiker" - da werden teilweise sogar mehr oder weniger konkret Namen genannt und Anschläge auf sogenannte "Gutmenschen" erwünscht - also ich habe da starke Bedenken, wie das noch weiter geht.

  • Antwort von Kreuther, Mittwoch, 12.Oktober, 18:44 Uhr

    und wenn das angedachte Umdenken nicht klappt, wovon auszugehen ist, dann gibt es also weitere Vorfälle mit denen sog. Gutmenschen scheinbar gut leben können. Als Realist sehe ich das anders. Überlegte Maßnahmen gebe ich dem Vorzug gegenüber verträumten Vorstellungen; eben um solchen Vorkommnissen das Wasser abzugraben und Menschenleben zu erhalten.

  • Antwort von Schorsch, Mittwoch, 12.Oktober, 20:30 Uhr

    Kreuther: Den Gutmenschen wie Johanna, Trudl und Schöttl und deren Geschwafel und Getüddel haben wir doch die ganze Malaise zu verdanken. Gäbe es deren Getue nicht, wären die Fremden doch alle schon längst wieder weg. Die Linken seit Schmidt sind daran schuld und die suhlen sich auch noch öffentlich in ihrer Gutheit.

  • Antwort von Truderinger, Mittwoch, 12.Oktober, 21:20 Uhr

    Na also und wie bestellt kommt einer der berüchtigsten Wutmenschen, nämlich der Schorsch, daher und setzt normale rechtschaffene Bürger auf eine Stufe mit Amokläufern. Die Wahrheit ist eher, dass einer wie er mit verantwortlich ist für den Amoklauf des AfD-Anhängers im OEZ.

  • Antwort von Truderinger, Mittwoch, 12.Oktober, 21:30 Uhr

    Was auch immer ein Gutmensch ist, solange es mich von den Schorschens dieser Welt unterscheidet, empfinde ich es als Ritterschlag. Ach ja und übrigens: Der Amokläufer war ein hier geborener Deutsch-Iraner mit Vorliebe für AfD und Pegida. Falls ihr also weitere Anschläge verhindern wollt, überlegt euch lieber, was ihr absondert und wozu es andere kranke Geister inspiriert!

  • Antwort von Gorgy, Mittwoch, 12.Oktober, 22:56 Uhr

    @Schorsch

    Sie demonstrieren eindrucksvoll, wie sehr Sie und viele andere Leute von ihrem eigenen begrenzten Horizont ausgehen und denken. In der Tat befreit Sie das für eine breitere, tiefere Verantwortung. Das muss man ihnen zugestehen. Aber haben Sie jemals auch von anderen Perspektiven aus Problemlösungen bedacht?
    Oder den Versuch unternommen?

  • Antwort von Leo Bronstein, Mittwoch, 12.Oktober, 23:20 Uhr

    @ Truderinger
    >>Ach ja und übrigens: Der Amokläufer war ein hier geborener Deutsch-Iraner mit Vorliebe für AfD und Pegida. Falls ihr also weitere Anschläge verhindern wollt, überlegt euch lieber, was ihr absondert und wozu es andere kranke Geister inspiriert!<<

    .
    Ach ja und übrigens: In Deutschland wird nicht die Staatsbürgerschaft allein auf Grund der Geburt in Deutschland verliehen. Das schiitische Mobbingopfer mit deutschem Pass hatte Abneigung gegenüber seine sunnitischen Mobbingtätern.

    Falls sie also weitere derartige Anschläge verhindern wollen, sollten wir uns lieber überlegen, wie wir mit derartigen Mobbingtätern umgehen sollten.

  • Antwort von Malocha, Donnerstag, 13.Oktober, 00:11 Uhr

    Komm jerad von da Schicht, kurz hier reinjeschaut.
    Also N.Schöttl, wenn de Gnädigste de Frage stellt, ob jemand schon ne Spende ans Finanzamt überwiesn hat, dann jehnse doch selba mit bestem Beispiel vorane. Überhaupt, wat für ne Frage? Ans Finanzamt!? Natürlich! Jeden Monat zahle icke. Wird mir jeden Monat automatisch abjezogn. Ihne nich?
    Keen Sterbenswörtchjen von ihne wegn da Opfer, de traumatisiert sine!
    Überweisn se doch dene ne Spende, oda glaubn se, dat de Kostn für de Therapie alle de Krankenkasse zahlt?

    Un ibrigns - icke bin stolz auf meen Dialekt!

  • Antwort von Beschwerdefreier, Donnerstag, 13.Oktober, 14:16 Uhr

    Psychische Trauma gab und gibt es immer wieder. Man denke an Eschede. Keiner wollte mehr ICE fahren. Man denke an Hijacking von Flugzeugen oder Flugzeugabstürze, auch German Wings. Aber alles ist längst vergessen oder bewältigt. Nur nicht für die unmittelbaren Opfer und Angehörigen.
    Das OEZ sollte sich einen neuen Namen geben und einige Veränderungen vornehmen. Das hilft möglicherweise für die Leute vorort, belastenden psychischen "Ballast" abzuwerfen.
    Rational gedacht weiß jeder, Sicherheit hat seinen Preis. Einen sehr hohen und eigentlich nicht gewünschten Preis, nämlich auch den der Freiheit. Herr Martins kennt die Gegensätze sehr genau. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
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