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TU-Präsident Wolfgang Herrmann "Ich wollte meine Jahre nicht verblödeln"

Kein anderer Hochschulpräsident ist so lang im Amt wie Wolfgang A. Herrmann. Er führt die TU München seit 20 Jahren. Selbstbewusst treibt er neue Entwicklungen voran. Doch nicht immer lief alles glatt.

Von: Gerhard Brack

Stand: 02.10.2015 | Archiv

Prof. Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TUM | Bild: BR

An seinen Amtsantritt erinnert sich Wolfgang A. Herrmann noch ganz genau: Daran, wie ihm die Amtskette umgehängt wurde und an das Gefühl, das er dabei hatte:

"Das Gefühl, dass ich meine jungen Jahre in diesem Amt nicht verblödeln möchte, sondern für die Hochschule etwas bewegen möchte: Das war das Gefühl, das ich hatte, und die Zuversicht, dass das schon klappen wird."

Wolfgang A. Herrmann

Es hat geklappt. 47 Jahre alt war Wolfgang Herrmann damals – und er glänzte durch vieles, aber nicht durch Bescheidenheit. Wie man gerade auf ihn kam?

"Die Antwort lag nahe: Ich war als junger Dekan im betulichen Senat immer sehr aufmüpfig, ich habe kritisch die Berufungsvorschläge kommentiert und habe gelegentlich zusammen mit Studenten die Assistenten-Berufungsvorschläge zu Fall gebracht."

Wolfgang A. Herrmann

Ein gebrochener Schwur

Seine Zeit hat Wolfgang Herrmann hervorragend für die TU genutzt. Dabei hatte er zunächst gar keine Lust, in die Verwaltung zu gehen und habe sich zuerst geschworen, als er gewählt wurde, zunächst nur eine Amtsperiode bleiben. Doch daraus wurden fünf Amtsperioden. Dass Wolfgang Herrmann Hochschullehrer wurde, war ihm vielleicht in die Wiege gelegt:

"Ich komme ja aus wunderschönen Verhältnissen. Ich komme aus einem niederbayerischen Dorf, wo mein Vater Lehrer war und wir Kinder sind in einem Schulhaus aufgewachsen; was Schöneres gibt es eigentlich nicht."

Wolfgang A. Herrmann

Fernseher und Telefon gab es im Elternhaus nicht, aber dafür Chemiebaukästen im Schulhaus, mit denen er als Kind experimentierte.

Lust an der Veränderung

Die Lust am Experimentieren blieb ihm sein Leben lang. Zunächst als Chemieprofessor und schließlich auch als Präsident der TU München, der seine Hochschule zum Erfolg bei der Exzellenzinitiative führte:

"Da kann man sagen: auf die Exzellenzinitiative bin ich schon stolz. Wir waren ja eine der ersten drei Universitäten, die dort überhaupt erfolgreich waren 2006, und die einzige technische Universität in Deutschland, die vom ersten Tag bis heute dabei ist – die einzige!"

Wolfgang A. Herrmann

Herrmann baute die Interdisziplinarität der Hochschule deutlich aus:

"Häufig entsteht das wirklich Interessante an den Schnittstellen zwischen den klassischen Disziplinen. Das heißt, man muss hier die disziplinären Stärken zueinander führen."

Wolfgang A. Herrmann

Fakultäten wurden umbenannt, ausgebaut, umorganisiert, neu gegründet – und das gegen erhebliche Widerstände und Proteste. In Garching entstand ein neuer Campus. Und hinter allen Veränderungen steckte das Ziel, wissenschaftlich erfolgreicher zu werden:

"Unsere neueste Veränderung ist ja die Integration der Sozial- und Geisteswissenschaften, ganz allgemein der Humanwissenschaften in das Portfolio einer modernen technischen Universität. Ich bin überzeugt davon, dass wir nur modern bleiben, wenn wir den gesellschaftlichen Rückbezug der komplexer werdenden Technik wirklich schaffen."

Wolfgang A. Herrmann

Der Beinahe-Minister

Im Jahr 2001 wäre Herrmann um ein Haar bayerischer Verbraucherschutzminister unter Edmund Stoiber geworden. Doch Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung kamen dazwischen und verhinderten Herrmanns Karriere als Politiker.

"Im Nachhinein sage ich: ‚Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.‘ Augustinus. Das war ein Glück für mich, dass es nicht geklappt hat letztlich. Das war ein großes Glück! Denn was wäre denn aus mir geworden? Vermutlich hätte ich sehr schnell am Kabinettstisch mit verschiedenen Mitgliedern angefangen zu streiten, wie ich mich kenne, weil ich mich vermutlich für sehr viel mehr als nur für Verbraucherschutz zuständig gefühlt hätte."

Wolfgang A. Herrmann

Die Wirtschaft versteht der TU-Präsident gut für seine Uni zu nutzen. Derzeit werden 3.000 Doktorandenstellen an der TU von der Wirtschaft finanziert. Darin liegt auch eine Gefahr:

"Die Wissenschaft sollte nicht die verlängerte Werkbank der Wirtschaft werden."

Wolfgang A. Herrmann

Vermutlich kann Herrmann als TU-Präsident mehr für das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft erreichen, als wenn er in die Politik gegangen wäre.


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