NSU-Prozess


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Nach neuen DNA-Erkenntnissen Wie es im NSU-Prozess weitergeht

Ja, es ist spektakulär, dass eine DNA-Spur des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt in dem Waldstück entdeckt wurde, in dem die Leiche der 2001 verschwundenen Peggy in diesem Sommer gefunden worden war. Dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass der NSU-Prozess in München deshalb neu aufgerollt wird.

Von: Ina Krauß und Andrea Herrmann

Stand: 14.10.2016

NSU-Prozess | Bild: picture-alliance/dpa

Vor dem Münchner Oberlandesgericht geht es nicht um den Fall Peggy, sondern um die kaltblütigen Morde an neun Migranten und einer Polizistin, die dem NSU zur Last gelegt werden. Nicht Uwe Böhnhardt, der 2011 von Uwe Mundlos erschossen wurde, steht vor Gericht, sondern Beate Zschäpe, das einzige überlebende Mitglied des mutmaßlichen NSU-Terror-Trios. Darum wird der DNA-Fund kaum unmittelbare Auswirkungen auf den NSU-Prozess haben, sagt Gerichtssprecherin Andrea Titz:

"Grundsätzlich ist es ja so, dass Gegenstand jedes Strafverfahrens nur das ist, was einer Anklage zugrunde liegt, das heißt, dieser Fall, der jetzt bekannt geworden ist oder eine mögliche Verbindung, hat jetzt keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Verfahren, weil der Mordfall Peggy K. nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist."

 Andrea Titz, Sprecherin Oberlandesgericht München:

Verunreinigung wenig wahrscheinlich

Noch ist nicht klar, ob Uwe Böhnhardt etwas mit dem Mord an der neun Jahre alten Peggy zu tun hatte. Die Ermittler können noch nicht ausschließen, dass die DNA-Spur auf eine Verunreinigung zurückgeht. BKA-Chef Holger Münch hält dies allerdings für wenig wahrscheinlich. Sollte sich ein Zusammenhang ergeben, würde das für die Opfer im NSU-Verfahren eine Wende bedeuten.

Denn bisher konnten an keinem der Tatorte des NSU DNA-Spuren von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Zschäpe festgestellt werden. Für Barbara John, die Ombudsfrau der NSU-Opfer, bedeutet der DNA-Fund darum ein großes Fragezeichen, das die ohnehin vorhandenen Fragezeichen nur noch größer mache.

"Es wird immer undurchschaubarer, das ist etwas, was für die Opfer – das weiß ich aus vielen Gesprächen - nicht so überraschend kommt, weil sie ohnehin finden, dass eine Aufklärung dieser Mordserie nicht nur auf sich warten lässt, sondern möglicherweise gar nicht erfolgen wird, und das ist besonders traurig für sie."

Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des NSU-Terrors

Nebenklage-Anwalt: Neuer Beweisantrag ohne Auswirkungen

Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler, der mehrere Opferfamilien im NSU-Prozess vertritt, appellierte an Beate Zschäpe, zur Aufklärung beizutragen. Mit einem Beweisantrag will er mögliche Verstrickungen des NSU in Kindesmissbrauch aufklären. Auf einem Computer von Beate Zschäpe, der im Brandschutt der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden worden war, befanden sich Dateien mit kinderpornografischem Inhalt. Daimagüler will herausfinden, wer die Dateien geladen und wer den Computer benutzt hat. Nebenklage-Vertreter Yavuz Narin erwartet abseits dieses Beweisantrags zunächst keine Auswirkungen auf den NSU-Terror-Prozess.

"Wenn sich allerdings weitere Hinweise auf eine Mittäterschaft oder Mitwisserschaft von Beate Zschäpe ergeben sollten, dann könnte sich dies ändern. Allerdings ist es jetzt viel zu früh, eine entsprechende Aussage zu treffen."

Yavuz Narin, Nebenklage-Anwalt NSU-Prozess

Zu früh für Antworten

Viel zu früh – oder zu spät – ist es auch für eine Einschätzung, ob Uwe Böhnhardt nicht doch etwas mit dem Mord an dem neunjährigen Bernd B. zu tun hatte. Die Leiche des Jungen wurde 1993 am Saale-Ufer in Jena gefunden, neben einem Boots-Motor von Böhnhardt-Kumpel Enrico T. Im Zuge der Ermittlungen hatte dieser Enrico T. Uwe Böhnhardt des Mordes an dem Jungen bezichtigt.

Im Prozess erschien Enrico T. allerdings als wenig glaubwürdig. Er soll dem Trio geholfen haben, die Ceska, die wichtigste Mordwaffe des NSU, zu beschaffen. Der Mordfall in Jena soll nun neu aufgerollt werden. Doch sollten sich neue Zusammenhänge ergeben, so dürfte der Fall Peggy wohl kaum Teil des NSU-Prozesses werden. Das würde das Mammutverfahren endgültig sprengen, so Gerichtssprecherin Andrea Titz.


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