NSU-Prozess


9

Tageszusammenfassung, 346. Tag, 14.02.2017 Eigentor der Zschäpe-Verteidigung

Wie verhält sich Beate Zschäpe in ihrer Untersuchungshaft? Um diese Frage könnte es demnächst im NSU-Prozess gehen. Ihr Anwalt Hermann Borchert kündigte einen entsprechenden Beweisantrag an – und schoss nebenbei ein veritables Eigentor.

Von: Thies Marsen

Stand: 14.02.2017 | Archiv

Der Anwalt der Hauptangeklagten Zschäpe, Hermann Borchert | Bild: picture-alliance/dpa|Peter Kneffel

Noch immer läuft im NSU-Prozess die Befragung des Psychiaters Prof. Henning Saß, der ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zu Beate Zschäpe erstellt hat. Von diesem hängt es maßgeblich ab, ob das Gericht in seinem späteren Urteil eine besondere Schwere der Schuld feststellen oder im Anschluss an die Haft Sicherungsverwahrung anordnen wird. Ob Beate Zschäpe also womöglich für immer hinter Gitter muss.

Justizbeamte als Zeugen?

Frauengefängnis München-Stadelheim

Im Rahmen der Befragung des Zeugens meldete sich heute auch zum wiederholten Mal ihr Wunschverteidiger Herrmann Borchert zu Wort. Er wollte von Saß unter anderem wissen, ob dieser denn auch Zschäpes Gefangenenakte aus der Untersuchungshaftanstalt München-Stadelheim für sein Gutachten ausgewertet habe. Saß verneinte das.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl gab Borchert schließlich bekannt, dass er bis Mittwoch früh einen Beweisantrag vorbereiten wolle, und seine Ausführungen deuten darauf hin, dass er wohl eine Bedienstete oder einen Bediensteten des Gefängnisses als Zeugen laden will – mutmaßlich, um Zschäpes gute Führung in Untersuchungshaft zu belegen und sie somit als weitgehend harmlos und ungefährlich darzustellen.

Ein Manöver, das nach hinten losgeht

Die Bemühungen, seine Mandantin zu entlasten, wurden jedoch konterkariert von den folgenden Fragen des Verteidigers. Borchert zitierte nämlich aus einem Gutachten des Münchner Psychiaters Norbert Nedopil, das bislang nicht in den Prozess eingebracht worden war.

Dr. Norbert Nedopil

Nedopil hatte Zschäpe im Frühjahr 2015 untersucht, als sie sich in einer schweren psychischen Krise befand und deshalb mehrfach Prozesstage abgesagt werden mussten. Im Gegensatz zu Saß, dem Zschäpe jegliches Gespräch verweigerte, stand die Angeklagte damals Nedopil Rede und Antwort. Auf Drängen ihrer Altverteidiger, mit denen sie sich mittlerweile überworfen hat, wurde das Gutachten bislang nicht im Prozess thematisiert. Das tat nun heute ausgerechnet ihr Neuverteidiger Borchert.

Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer nutzte die Gelegenheit, beantragte eine Kopie des 17-seitigen Gutachtens und zitierte anschließend fast schon genüsslich aus den Ausführungen Nedopils. Sie belegen in vielem genau das, was Prof. Saß bislang nur schlussfolgern konnte aus der Beobachtungen der Angeklagten.

Die Fassade zu wahren, ist belastend

Beate Zschäpe

Etwa, dass sie sich bewusst hinter ihrem Laptop versteckt, dass sie den Prozess zwar als große Belastung empfindet, aber damit nicht etwa meint, dass es für sie belastend sei, mit den schrecklichen Taten des NSU konfrontiert zu werden, sondern, dass sie ständig gezwungen sei, die Fassade zu wahren.

Und Zschäpe schilderte gegenüber Psychiater Nedopil ausführlich, wie sie versucht, ihre Anwälte anzuleiten und zu kontrollieren – was dem Selbstbild Zschäpes, die sich in ihren schriftlichen Erklärungen vor Gericht als abhängig und unmündig dargestellt hat, diametral widerspricht. Ein Manöver, das zur Entlastung Zschäps dienen sollte, hat sie nun also womöglich erst recht belastet.

Glücklose Verteidiger

Wenig erfolgreich hatten zuvor schon Zschäpes Altverteidiger agiert. Schon seit Anfang Dezember haben diese versucht, mit diversen Anträgen und taktischen Manövern die Befragung von Prof. Saß zu verzögern. Heute versuchten sie, seine wissenschaftliche Expertise in Zweifel zu ziehen. Zunächst befragten sie den Sachverständigen intensiv zu den wissenschaftlichen Grundlagen seiner Untersuchung.

Immer wieder wollten Zschäpes Rechtsanwälte Wolfgang Stahl und Anja Sturm wissen, welche Kriterien der Psychiater für sein Gutachten angelegt hat und wie er das getan hat – mit dem unterschwelligen Ziel, Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Gutachtens zu säen. Doch Professor Saß, einer der renommiertesten forensischen Sachverständigen überhaupt, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und antwortete stets souverän.


9

Kommentieren

Andreas B., Mittwoch, 15.Februar 2017, 09:26 Uhr

1. Stellen Sie Korrekturleser ein?

Ich bin nun wirklich keiner dieser "GEZ-ist doof weil ich zahlen muss-Schreier" aber wenn ich in einem 1-seitigen Bericht öffentlich rechtlicher Medien gleich 3 Fehler finde, frage ich mich schon was mit dem Geld passiert... Vielleicht wäre es ratsam, dass Sie zumindest einen Teil davon in ordentlich ausgebildete Korrekturleser investieren um den Anforderungen an Ihre Qualitätskontrolle gerecht zu werden. Wir reden ja hier nicht von einem kleinen Blog im Internet sondern vom BR...

  • Antwort von Redaktion BR24, Mittwoch, 15.Februar, 10:19 Uhr

    Vielen Dank für Ihren Hinweis. Wir haben die Fehler ausgebessert.

    Mit freundlichen Grüßen aus der BR24-Redaktion

  • Antwort von Annette Kahnert, Mittwoch, 15.Februar, 20:13 Uhr

    Wer im Glashaus sitzt...
    @Andreas B.
    Zeile eins: ein Kommafehler
    Zeile zwei: Zahlen bis neun werden ausgeschrieben
    Zeile zwei: ein Kommafehler
    Zeile drei: ein Kommafehler
    Zeile vier: ein Kommafehler.
    Ich zähle in Ihren vier Zeilen fünf Fehler. Soviel zu der von Ihnen thematisierten "Qualitätskontrolle"!