NSU-Prozess


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Tageszusammenfassung, 341. Tag, 26.1.17 Tauziehen um Gutachter geht weiter

Auch heute musste die Hauptangeklagte mehrere Tiefschläge einstecken. Gegen den Willen ihrer Verteidigung fuhr der Senat mit der Befragung ihres psychiatrischen Gutachters Henning Saß fort, der Beate Zschäpe erneut als manipulativ schilderte. Und dann setzten ihr auch noch die Nebenkläger mit einem Beweisantrag zu.

Von: Thies Marsen

Stand: 26.01.2017 | Archiv

Forensischer Psychater Henning Saß | Bild: picture-alliance/dpa

Die Zschäpe-Verteidigung versucht seit Wochen, Saß' psychiatrisches Gutachten zu verhindern, zu verzögern und anzugreifen - denn es ist entscheidend dafür, ob Zschäpe am Ende nicht nur zu einer hohen Haftstrafe, sondern eventuell auch zu einer anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wird.

Am Dienstag hatte bereits Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert versucht, zentrale Aussagen des Gutachtens infrage zu stellen, wobei sich sogar die Angeklagte selbst zu Wort gemeldet hatte. Am Mittwoch wollten ihre anderen Anwälte erreichen, dass der Gutachter seine persönlichen Notizen offenlegt bzw. zum Prozess mitbringt, um anhand dieser Tag für Tag des inzwischen fast vier Jahre dauernden Prozesses durchzugehen. Bis dahin, so die Forderung der Verteidiger, müsse die Befragung von Saß ausgesetzt werden. Der Vorsitzende Richter Manfred Richter fuhr am Donnerstag jedoch einfach mit der Befragung fort und ließ sich auch durch den Protest der Zschäpe-Anwälte nicht beirren.

Saß ging daraufhin ausführlich auf die Beobachtungen ein, die er in fast vier Jahren Prozess von der Hauptangeklagten und ihren Gemütslagen gemacht hat. Diese reichten von verschlossen, angespannt und resigniert über freundlich, zugewandt und aufmerkam bis hin zu durchsetzungsfähig, kämpferisch und manipulativ.

Hat Zschäpe gelogen?

Die Nebenklage schickte sich am Nachmittag an, ein weiteres Detail aus Zschäpes Einlassungen zu widerlegen. Die Hauptangeklagte hatte in ihrer schriftlichen Erklärung ausgesagt, dass sie am 26.Januar 1998 - dem Tag des Untertauchens des Trios - von ihrem Freund Uwe Böhnhardt den Auftrag bekommen habe, eine angemietete Garage anzuzünden, die den dreien als Bombenwerkstatt und Lager für Propaganda-Material diente. Laut Zschäpe habe sie die Tat jedoch nicht ausgeführt, da sich Unbeteiligte in der Nähe der Garage aufgehalten hätten, die gefährdet worden wären. Die Nebenklage will nun jedoch beweisen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Polizei und Feuerwehr vor Ort war - Zschäpe also die Unwahrheit gesagt hat.

Chefsache Wohlleben

Bereits am Vormittag hatte zudem ein Staatsschutzbeamter der Jenaer Polizei ausgesagt und dabei ein interessantes Detail ausgeplaudert. Er könne über die früheren Aktivitäten des Angeklagten Ralf Wohlleben nichts aussagen, so der Beamte, denn um diesen habe sich ausschließlich der Leiter der Jenaer Kripo kümmern dürfen: "Wohlleben war Chefsache." Eine Aussage, die einen Nebenklage-Vertreter zu der Nachfrage veranlasste, inwiefern denn dabei auch das Landesamt für Verfassungsschutz eingebunden gewesen sei.

Der langjährige Neonazi-Aktivist Wohlleben wollte den dabei mitschwingenden Verdacht, er habe mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet, auf keinen Fall auf sich sitzen lassen und stellte noch am Nachmittag einen Antrag, um zu beweisen, dass er nicht Chefsache gewesen sei. Außerdem stellte die Wohlleben-Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen Norbert Leygraf, der den Mitangeklagten Carsten S. begutachtet hat. Leygraf sei nicht objektiv, so die Wohlleben-Verteidigung. Denn er sei davon ausgegangen, dass die Mitglieder der Neonazi-Organisationen Kameradschaft Jena und Thüringer Heimatschutz rechtsextrem gewesen seien. Bereits gestern hatten Wohllebens Anwälte den NSU-Prozess zum wiederholten Male unverhohlen für Nazi-Propaganda genutzt. so hatten sie die Befragung eines Demoskopen beantragt, um zu beweisen, dass den Deutschen angeblich der "Volkstod" drohe. Zahlreiche anwesende Opferanwälte verließen daraufhin aus Protest den Saal.


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