NSU-Prozess


6

Bombe in der Kölner Keupstraße NSU-Prozess: Der Anschlag nach dem Anschlag

Neben seinen gezielten Morden verübte der NSU auch mindestens drei Bombenanschläge. Heute kamen im Rahmen der Nebenklage-Plädoyers im NSU-Prozess zwei Opfer des schwersten Attentats zu Wort: des Anschlags in der Kölner Keupstraße.

Von: Thies Marsen

Stand: 28.11.2017 | Archiv

Das Gerichtsgebäude für das Amtsgericht, das Landgericht I und II in München, das Oberlandesgericht und die Staatsanwaltschaft in München | Bild: picture-alliance/dpa

Möglichst viele Menschen töten und verletzen, eine ganze Straße in Schutt und Asche legen und die Menschen, die darin wohnen in Angst und Schrecken versetzen – das war das Ziel des Nagelbombenanschlags, den der NSU am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße verübte, die vor allem von türkischen Migranten bewohnt wird.

Behörden ermittelten in falsche Richtung

Nach dem Bombenattentat in der Keupstraße (09.06.2004).

Wie durch ein Wunder kam niemand zu Tode, doch 22 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Zwei von ihnen haben heute im Münchner NSU-Prozess das Wort ergriffen und dabei deutlich gemacht, dass sie sich nicht nur von den Neonazis angegriffen fühlten, die das Attentat verübten, sondern auch vom Staat und seinen Behörden. Denn obwohl die Polizei sofort nach der Tat davon ausging, dass es sich um eine terroristische Tat gehandelt hat, wurde dieser Ermittlungsansatz kurz darauf weitgehend revidiert und praktisch nur noch gegen Anwohner der Keupstraße selbst ermittelt.

Wer diesen Umschwung konkret veranlasste, ist bis heute unklar. Den Ton aber gab der damalige Bundesinnenminister Otto Schily vor, kritisiert heute Anwalt Berthold Fresenius, der einen der Keupstraßen-Anwohner vertritt: "Er trägt eine Mitverantwortung, indem er zu einem sehr frühen Zeitpunkt, ohne dass das sachlich begründet war, einen terroristischen Anschlag in Zweifel zog und von einem kriminellen Milieu sprach."

Opfer kritisieren Behörden

Was dann folgte bezeichnen die Keupstraßen-Anwohner selbst als Anschlag nach dem Anschlag. Die Polizei ermittelte gegen Anwohner und Geschäftsleute, schürte Misstrauen in den Familien und in der ganzen Straße und sorgte so bei vielen für eine nachhaltige Traumatisierung.

Ausführlich schilderten die zwei Anwohner heute, wie sehr sie und ihr Umfeld von den rassistisch gefärbten Ermittlungen der Behörden zu leiden gehabt hätten. Und einer von ihnen betonte: Wie hoch das Urteil gegen Beate Zschäpe und ihre Mitkämpfer ausfallen werde, sei nicht entscheidend. Es gehe darum, die Hintergründe des NSU aufzuklären.


6