NSU-Prozess

Das braune Netz

NSU-Prozess Das braune Netz

Stand: 19.04.2014

 Der Angeklagte Carsten S., der die Tatwaffe "Ceska 83" verkauft haben soll | Bild: picture-alliance/dpa, Montage: BR

Fünf der Morde, die auf das Konto des NSU gehen sollen, wurden in Nürnberg und München verübt. Konnte er seine Taten ohne lokale Unterstützer und Kontaktleute verüben? Auch wenn die Anklage im NSU-Prozess kein braunes Netzwerk erkennen will, vielfältige Verbindungen der Terrorzelle - zum Beispiel nach Bayern - gab es.

Im NSU-Prozess geht die Bundesanwaltschaft nach wie vor davon aus, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bei der Mordserie im Wesentlichen alleine gehandelt hätten, allenfalls mit Hilfe einer Handvoll Unterstützer. Ein braunes Netzwerk rund um die Zwickauer Terrorzelle soll es laut Anklage aber nicht gegeben haben.

Im NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags waren jedoch Zweifel an dieser Version zu hören. So zeigte sich der Ausschussvorsitzende Franz Schindler überzeugt: "Die späteren NSU-Täter waren wohl keineswegs abgeschottet, sondern konnten auf ein engmaschiges Netz von Unterstützern - auch in Bayern - zugreifen."

Mundlos' Kontaktliste

Ausschnitt aus Mundlos' Konktaktliste, die die Polizei 1998 fand.

In der Tat scheint es vielfältige Verbindungen des NSU nach Bayern gegeben zu haben. So fand die Polizei 1998 - kurz nach dem Abtauchen des Trios - in dessen Jenaer Bombenwerkstatt eine Liste in einem Rucksack von Mundlos. Sie enthielt unter anderem den Namen Matthias Fischer. Der fränkische Neonazi ist bis heute eine der Führungsfiguren der bayerischen Szene. Außerdem fand sich auf der Liste eine Telefonnummer, die die Ermittler dem Gasthof "Tiroler Höhe" zuordnen konnten, einem ehemaligen Neonazi-Treff in Nürnberg.

In den 1990er-Jahren sollen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe an Aufmärschen von Rechtsradikalen unter anderem in München und Aschaffenburg oder bei einem Neonazi-Kiesgrubenfest bei Straubing teilgenommen haben, wie das Münchner antifaschistische Archiv a.i.d.a. dokumentierte.

André K. als Zeuge im NSU-Prozess

Einer, der Böhnhardt und Mundlos aus gemeinsamen Zeiten in der Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" kannte, ist André K., der auch schon als Zeuge im NSU-Prozess geladen war. Der Neonazi aus Jena hatte nach Recherchen des BR-Magazins "Kontrovers" auch gute Verbindungen zur bayerischen Neonazi-Szene. André K. wohnte lange im sogenannten "Braunen Haus", einem ehemaligen Neonazi-Zentrum im Jenaer Stadtteil Lobeda. Rechtsextreme aus Thüringen trafen sich dort mit Gesinnungsgenossen aus Franken.

NSU-Morde: Hilfe für Ortskenntnisse?

Mord im Hinterhof: die ehemalige Änderungsschneiderei des Nürnberger Opfers Abdurrahim Özüdogru

Waren die Verbindungen des NSU auch nützlich für die Mordserie an Kleinunternehmern, die ihm zugeschrieben wird? Es musste ja eine gewisse Ortskenntnis vorhanden gewesen sein angesichts diverser Schauplätze in München, Nürnberg, Dortmund, Hamburg, Kassel und Rostock. Woher wussten die Thüringer Neonazis zum Beispiel so genau, dass sich die Nürnberger Änderungsschneiderei von Abdurrahim Özüdogru in einem Hinterhof befand? Oder woher erfuhren sie vom Münchner Theodoros Boulgarides, der erst zwei Wochen vor seiner Ermordung einen Schlüsseldienst eröffnet hatte?

Solidaritätsbekundungen für NSU-Angeklagte

Erhält Solidaritätsbekundungen von bayerischen Neonazis: NSU-Angeklagter Ralf Wohlleben.

Mundlos und Böhnhardt sind längst tot, der NSU existiert nicht mehr. Die bayerische Neonazi-Szene zeigt dennoch immer wieder Solidarität mit Zschäpe und dem Mitangeklagten Ralf Wohlleben, einem ehemaligen NPD-Funktionär und mutmaßlichen NSU-Unterstützer. So wurde auf der Münchner Maximilianstraße "Freiheit für Wolle" (gemeint ist Wohlleben) skandiert. Ein entsprechendes T-Shirt trug auch schon der als Rechtsterrorist verurteilte Martin Wiese, ein Schwergewicht der bayerischen Neonazi-Szene.

Autor: Ernst Eisenbichler