NSU-Prozess


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30. Verhandlungstag "Eine grausliche Situation"

Am 29. August 2001 wurde in München der Lebensmittelhändler Habil Kilic erschossen - mutmaßlich von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. "Eine grausliche Situation" sei das gewesen, sagte ein Zeuge, der damals einkaufen wollte - und Kilic in einer Blutlache liegend fand.

Stand: 31.07.2013 | Archiv

Wo Habil Kilic erschossen wurde: Lebensmittelgeschäft in der Bad Schachener Straße in München-Ramersdorf | Bild: picture-alliance/dpa

Der türkischstämmige Familienvater Kilic war das mutmaßlich vierte Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU. Zunächst war vor dem OLG eine ehemalige Kundin des Ladens als Zeugin geladen. Sie wollte damals in dem Geschäft im Stadtteil Ramersdorf einkaufen - und fand Kilic mit schwersten Schussverletzungen. Zuerst habe sie nur ein blubberndes Geräusch gehört, wie von einer Kaffeemaschine, so die Zeugin. "Dann habe ich den Mann voll Blut am Boden gesehen." Kilic habe wohl noch gelebt, schilderte die Zeugin.

Keine Überlebenschance

Ein Rechtsmediziner erklärte vor dem OLG, dass Kilic maximal wenige Minuten überlebt haben könne. Er sei aber wohl nicht mehr bei Bewusstsein gewesen. Zwei Kugeln hatten ihn im Kopf getroffen: eine im Gesicht und eine im Hinterkopf. Das sei der tödliche Fangschuss gewesen, erklärte der Sachverständige: "Auch wenn ein neurochirurgisches Operationsteam direkt daneben gestanden hätte, wäre diese Verletzung nicht überlebbar gewesen", so der Rechtsmediziner.

Zwei Männer mit Fahrrädern

Gerichtsreporter-Tagebuch

Alf Meier | Bild: BR zum Artikel 30. Verhandlungstag Regelrechte Hinrichtung

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Wahrscheinlich kurze Zeit später sah eine Zeugin zwei Männer, die mit schwarzen Fahrrädern davongefahren seien. Sie hätten "sehr gepflegt ausgesehen", meinte die Frau aus der Nachbarschaft, "kurze, dunkle Haare, schwarzer Radldress". Ermittler gehen davon aus, dass es sich um Böhnhardt und Mundlos handelte. Die Zeugin erkannte aber die beiden nicht wieder.

"Riesige Blutlache"

Später hörte das Gericht noch einen Postboten, der auch kurz nach dem Anschlag in dem Geschäft war. "Ich dachte, ich könnte irgendwie helfen, aber es war eine grausliche Situation. Der Mann hat aus dem Gesicht geblutet, aus Nase und Mund, irgendwie war da nur eine riesige Blutlache", schilderte der 48-Jährige die Situation.

"Mord neben Polizeirevier"

Weniger als 100 Meter vom Tatort entfernt befindet sich eine Polizeistation. "Mord neben Polizeirevier", hieß ein Zeitungstitel. Möglicherweise war das ein besonderer Nervenkitzel für die Täter: Sie verwendeten die Überschrift in dem Bekennervideo, das ihnen zugeschrieben wird. An einem Zeitungsausschnitt im "Archiv" des NSU fanden die Ermittler einen Fingerabdruck der Hauptangeklagten Beate Zschäpe.


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