NSU-Prozess


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156. Verhandlungstag Der NSU und die Dortmunder Neonazi-Szene

Am 155. Verhandlungstag haben Vertreter der Nebenklage umfangreiche Beweisanträge gestellt, die Verbindungen der Dortmunder Neonazi-Szene zum NSU belegen sollen. Sie wollen zwei Zeugen laden lassen, die als führende Köpfe der dortigen Szene bekannt seien.

Von: Christoph Arnowski

Stand: 06.11.2014 | Archiv

Polizisten untersuchen nach einem mutmaßlichen NSU-Mord in Dortmund den Tatort auf Spuren (Foto vom 04.04.2006). | Bild: picture alliance / dpa

Der eine Sebastian S. sei bisher noch gar nicht förmlich vernommen worden, erklärte Rechtsanwältin Antonia von der Behrens zur Begründung ihres Antrags. Bei früheren Befragungen habe S. aber erklärt, dass er Angaben zu der vom NSU verwendeten Tatwaffe Bruni machen könne.

S. gilt als Waffennarr, er war bis 2007 Mitglied der Dortmunder Neonazi-Szene und sei auch bis zu seiner Enttarnung V-Mann gewesen. Sei V-Mann-Führer habe ihnim übrigen von Strafverfolgungen gewarnt, sei dafür strafrechtlich aber  nicht zur Rechenschaft gezogen worden, weil der Verfassungsschutz angeblich nicht seine Identität preisgab. Auch über Kontakte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe zur Dortmunder Neonaziszene vor ihrer Verhaftung soll der Zeuge Auskunft geben können.

Mordanschlag unter defekter Kamera

Aus den gleichen Gründen beantragte ein Vertreter des Nebenklageanwalts Peer Stolle als weiteren Zeugen Marco G. zu laden, einen ebenfalls bekannten Neonazi der Dortmunder Szene, Begründer und Sänger der rechtsradikalen Oidoxie-Band.

Zahlreiche weitere Nebenklagevertreter schlossen sich diesen beiden Anträgen an. Sie erhoffen sich von der Vernehmung Nachweise dafür, dass dem NSU beim Mordanschlag auf Mehmet Kubasik am 4. April 2006 in Dortmund von lokalen Unterstützern der rechtsextremenSzene zugearbeitet wurde. Eine These, für die es laut Bundesanwaltschaft keine Beweise gibt, obwohl, wie die Vertreter der Anklage bei früherer Gelegenheit betonten, natürlich auch in diese Richtung ausführlich ermittelt worden sei. Um ihre Anträge zu untermauern, trugen die Nebenklagevertreter vor, dass zum Tatzeitpunkt ein weiteres Mitglied der Dortmunder Neonazi-Szene in unmittelbarer Nähe des Tatortes in der Mallinckrodtstraße gewohnt habe. Dass die Überwachungskamera im Kiosk von Mehmet Kubasik defekt war, hätten seine Mörder nur von örtlichen Unterstützern wissen können.

Ein Anruf vor acht Jahren

Zum Auftakt dieses 155. Verhandlungstages war zunächst kurz ein Polizeibeamter aus Dortmund vernommen worden. An den Anruf einer Zeugin im Jahr 2006 konnte er sich aber kaum erinnern. Aus dem Aktenvermerk, den der Beamte damals machte, ging hervor, dass die Frau nahe des Tatortes zwei junge Männer gesehen habe, einer habe ein Fahrrad dabei gehabt.

Andreas R. bringt keine neuen Erkenntnisse

Keine neuen Erkenntnisse brachte auch die Vernehmung des zweiten Zeugen des heutigen Tages nach der Mittagspause. Andreas R. war nicht zum ersten Mal geladen. Der zweiundvierzigjährige Bauleiter aus Thüringen war bereits im Juli zu seinen Verbindungen in die dortige Neonaziszene der 90ziger Jahre befragt worden. Aus Zeitgründen musste damals die Vernehmung, die sich durch angebliche Erinnerungslücken in die Länge zog, abgebrochen werden. Heute hatten die Nebenklageanwälte nur mehr wenige Fragen an den Mann, der seinerzeit  mit nahezu allen Aktivisten der Rechtsextremen in Kontakt stand und auch des Öfteren mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, sowie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zusammengetroffen war. Nach einer knappen halben Stunde entließ der vorsitzende Richter den Mann aus dem Zeugenstand und vertagte die Verhandlung am frühen Nachmittag auf nächste Woche.


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